Guatemala - erste Begegnung mit Mittelamerika

Reisezeit: Februar 2005  |  von Ingo Runde

Antigua - Fortsetzung

Wieder einmal sitze ich in einem der zahllosen Internetcafes in Antigua. Abgesehen von der zu Beginn ungewoehnlichen Tastatur (ohne Umlaute, z und y sind vertauscht) muss man nur mit den teilweise doch ziemlich ausgeleierten Tasten kaempfen. Aber dafuer ist man ja auch in Zentralamerika. Wo es im uebrigen doch einige Angewohnheiten gibt, die man in unseren heimischen Breitengraden nicht kennt.

Der Guatemalteke an sich mag es zum Beispiel sehr salzig. Ohne Scherz. Es gibt hier zig kleine Staende, an denen man eine frisch geschaelte Orange oder geschaelte und geschnittene Papaya oder Mango kaufen kann. Aber wenn vor mir ein Guatemalteke steht, dann laesst er sich immer Salz auf das Obst streuen. Da ich sowohl den Geschmack einer Mango als auch den von Salz kenne, habe ich auf das Ausprobieren dann doch verzichtet.
Im Gegensatz zu den uebreigen Moeglichkeiten, typisches guatemaltekisches Essen zu probieren. Es gibt unzaehlige kleine commodores, wo man verschiedene Sachen zum Essen kaufen kann, meistens mit Fleisch, meistens gebraten oder frittiert, immer mit braun-schwarzem Bohnenmus, einer halben gebratenen suessen Banane, Guakamole und Tortillas (natuerlich). Dabei habe ich eigentlich durchweg gute Erfahrungen gemacht. Ausserdem ist es immer eine hervorragende Moeglichkeit, spanisch zu sprechen.
Das Spanisch hier empfinde ich als ein ziemlich klares Spanisch. Nicht, dass ich dabei einen Ueberblick haette. Ich lerne seit drei Jahren in Deutschland und war hier fuer eine Woche in einer Sprachschule. Ich habe sechs Stunden pro Tag gebucht, was ich nicht noch einmal machen werde, weil es nach dem Mittagessen bei mindestens 30 Grad doch nicht immer einfach war, den Erklaerungen meines maestros zu folgen. Aber davon abgesehen, ist eine Sprachschule eine gute Sache, um mehr von der Sprache zu lernen. Die Schulen hier haben im Grunde genommen immer das gleiche Prinzip, es gibt one-on-one Unterricht, die Anzahl der Stunden kann man selbst auswaehlen. Einige Schulen haben noch ein erweitertes Angebot an Aktivitaeten. So hat die Schule, in der ich war, Sevilla Escuela, in der Woche ein Picknick fuer alle Schueler organisiert, ein Fussballspiel Lehrer gegen Schueler (Schueler haben haushoch verloren), Salsa- Unterricht, Internetzugang an (nur) einem Terminal. Man sollte die Angebote der Schulen vergleichen. In Antigua gibt es mindestens 30 verschiedene. Vor allen Dingen sollte man den Unterricht nicht ueber eine Agentur in Deutschland buchen - viel zu teuer. Das kann man ganz einfach von hier machen.

Aber a pros pro Fussball:
In meine Zeit hier fiel das Spiel Guatemala - Panama (Qualifikationsspiel fuer die Fussball-WM in Deutschland). Ein Riesenthema hier - und an dem Tag war ich dann zum zweiten und zum letzten Mal in Rikis Bar. Dort gab es eine Riesenleinwand, das Spiel wurde natuerlich live uebertragen. Es war eine Stimmung, als wenn man in Stadion direkt bei dem Spiel waere. Luftballons flogen durch den ueberfuellten und total verrauchten Raum, Trillerpfeifen und lautes Geschreie, wenn die Mannschaft mal was gutes oder weniger gutes gemacht hat (also eigentlich immer). In der Pause gab es eine Verlosung von T-Shirts in den Nationalfarben blau und weiss. Guatemala hat mit viel Glueck ein Unentschieden erreicht. Alle waren darueber gluecklich, ich natuerlich auch.

Wie ist das Leben sonst so in Antigua?
Ruhig, beschaulich, wuerde man als die passendste Beschreibung ansehen.
Im Zentrum gibt es den grossen Placa Major, wo man sitzt und guckt, wo man sich trifft. Am mittags fuellt sich der Platz mit Schuelern, die alle ihre jeweilige Schuluniform tragen. Es ist wie ueberall. Die Jungs schauen den Maedchen hinterher. Die Maedchen tun so, als ob sie das nicht moegen.
Zwischendurch wird man immer wieder von kleinen Jungs gefragt, ob sie die Schuhe putzen duerfen. Sie laufen mit ihren Schuhputzutensilien ueber den Platz und suchen ihre potentiellen Kunden. Ich habe beobachtet, dass dieser Dienst sogar meist von Guatemalteken in Anspruch genommen wird. Das zeigt zum einen natuerlich, dass sie gerne saubere und blanke Schuhe tragen, ich denke aber auch zum anderen, dass sie dadurch ganz bewusst die Jungs unterstuetzen, die wiederum Geld verdienen muessen, damit ihre Familie etwas zum Leben hat.

Das zeigte sich ganz besonders heute, als ich durch die Strassen ging und mir ein kleiner Junge mit seiner Schuhputzkiste weinend entgegenkam. Ich weiss nicht, was vorher geschehen war, aber er ging vom Platz weg. Also war es kein geplantes Weinen, um bei irgend jemandem Mitleid zu erregen. Ein guatemaltekischer Mann ging kurz vor mir, hat den Jungen direkt angesprochen und gefragt, ob er ihm die Schuhe putzen koennte, was der Junge natuerlich auch gerne getan hat.
Das zeigt auch die Mentalitaet der Menschen hier, die ich erfahren habe. Hilfbereit, freundlich, zuvorkommend, sich gegenseitig respektierend.
Die andere Seite besteht dann wiederum in den ganzen Warnungen, die in Reisefuehrern stehen. Es wird immer wieder vor Ueberfaellen gewarnt. Man soll bestimmte Ausfluege nur in Gruppen unternehmen, bestimmte Gegenden soll man am besten ganz meiden. Wir haben mit den Schuelern und Lehrern der Schule einen Ausflug zum Cerra de la Cruz (einem Aussichtspunkt, von dem aus man die ganze Stadt und den Vulkan sehr schoen sehen kann) gemacht. Dabei wurden wir von einem Touristenpolizisten begleitet. Irgendwie ein seltsames Gefuehl, aber offensichtich auch irgendwo notwendig. Die Touristenpolizei existiert uebrigens neben der "normalen" Polizei mit den Aufgaben, dafuer zu sorgen, dass den Touristen nichts passiert und dass an den Plaetzen, an denen sich Touristen aufhalten, alles in Ordnung ist und bleibt. So ist es aber auch verboten, so erzaehlte mir Catarina, eine Guatemaltekin, die auf dem Placa Major Decken und Ponchos verkauft, dass sie und andere Frauen ihre Sachen oeffentlich verkaufen. Sie tragen ihre Waren in einer Decke verhuellt mit sich herum und achten sehr darauf, dass gerade kein Touristenpolicia in der Naehe ist.

Aber auch die Touristenpolzei ist nicht immer und ueberall.
Auf dem Weg zum Treffpuntk fuer einen Ausflug zu einem Vulkan musste ich morgens um 5.30 Uhr von meinem Hostel zum Office der Agentur, ueber die ich die Fahrt gebucht hatte, durch die nahezu leeren Strassen von Antigua gehen. Nahezu leer, denn ploetzlich kamen mir drei Jungs entgegen (mehr Jugendliche), die sich direkt auf die Breite des Fussweges verteilten und mich ansprachen "Eh hombre, eh amigo". Sofort hat sich bei mir dieses beklemmende Gefuehl eingestellt, einer Situation ausgeliefert zu sein, die man nicht kontrollieren kann. Diese Jungs waren jeder fuer sich nicht unbedingt furchteinfloessend, aber alle drei zusammen mit den ganzen Waffen, Macheten und anderen Sachen, von denen ich dachte, dass sie die natuerlich gleich ziehen werden, stellten sie schon ein gewissen respekt- und furchteinfloessendes Potenzial dar.
Sie fragten dann, ob ich etwas Geld fuer sie haette. 1000 Gedanken gingen mir durch den Kopf (unter anderem der, dass ich den Ausflug schon bezahlt hatte, und wenn ich jetzt hier blutueberstroemt liegen bleibe, waere es doch schade um das Geld). Letzten Endes konnte ich ihnen klar machen, dass ich kein Geld hatte, das ich ihnen geben konnte. Sie verabschiedeten sich und gingen weiter. Ich weiss nicht, ob ich nur Glueck gehabt hatte oder ob sie sowieso nichts anderes gemacht haetten als gefragt. Was bleibt, ist die Erinnerung an das beklemmende Gefuehl, das in erster Linie durch viele Vorurteile gepraegt wurde.
Aber auch dieses Gefuehl und das, was man selbst durch diese Erfahrungen lernt, gehoert zum Reisen.

Nun aber noch kurz zum Abenteuer Chicken Bus.
Das sind die oeffentlichen Busse, mit denen man von hier fast ueberall hin fahren kann. Sie sind bunt, sie stinken, sie sind laut - und sie sind voll.
Der ajudante (Gehilfe) des Fahrers haengt grundsaetzlich aussen am Bus und schreit die ganze Fahrt ueber das Fahrtziel des Busses laut durch die Strassen. Man kann also wenig falsch machen, wenn man einen bestimmten Bus sucht. So ein Bus hat vielleicht 50 Sitzplaetze. Speatestens 10 Minuten nach dem Verlassen des Busbahnhofes sind jedoch mindestens 80 Leute im Bus - und dann ist der noch lange nicht voll. Natuerlich geht immer noch was rein - und natuerlich quetscht man sich dann irgendwie zusammen. Dabei kann man dann den Geruch des wahren Guatemalas erfahren bzw. erriechen. Weil man sich ja an den Stangen oben im Bus festhalten muss...
Aber auch dabei kann man auf einfache Art und Weise das Leben in Antigua kennen lernen. Es wird viel gelacht (meist ueber die Gringos, denen das alles viel zu eng ist), und meist herrscht eine lsutige Stimmung, weil der ajudante immer bruellt, dass man doch mehr zusammen ruecken soll, alle, die einen Sitzplatz haben (immer mindestens drei Leute auf einer Sitzbank fuer eineinhalb Leute) bestaetigen lautstark, dass das doch moeglich ist - und lachen sich dann kaputt, wenn alle, die stehen, noch lautstaerker das Gegenteil behaupten. Sie haben allerdings keine Chance.

Insgesamt laesst sich sagen, dass Antigua fuer einen Zum-ersten-Mal-durch-Zentralamerika-Reisenden wie mich ein sehr leichter Einstieg ist.

Uebrigens kann ich noch keine Bilder zufuegen, weil ich noch zu den altmodischen Leuten gehoere, die analog fotografieren. Das wird spaeter von zu Hause nachgeholt.

Antigua, Cerro de la Cruz

Antigua, Cerro de la Cruz

Antigua, Chicken Bus

Antigua, Chicken Bus

Antigua, Torbogen mit La Merced

Antigua, Torbogen mit La Merced

© Ingo Runde, 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zweieinhalb Wochen Guatemala - davon eine Woche Sprachschule in Antigua. Der Rest ist bislang noch unbekannt, mal sehen, wo es mich hin treibt...
Details:
Aufbruch: 04.02.2005
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 22.02.2005
Reiseziele: Guatemala
Der Autor
 
Ingo Runde berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.