Im Steinernen Meer unterwegs
4. Tag: Mittwoch den 29.07.2009
Um halb sieben marschiere ich als Erste in den Waschraum, der recht voll ist. Die anderen drei folgen kurz drauf. Das Packen der Rucksäcke ist immer anstrengend, weil alles gut gepackt sein will. Um /.20 Uhr sitzen wir am Frühstückstisch und schmieden Pläne für unseren Getränkevorrat. In der Biwakschachtel gibt es nichts, also brauchen wir für die Wanderung, die Übernachtung, den nächsten Morgen und die Wanderung zum Matrashaus zu Trinken. Und das muss alles geschleppt werden, geschätzte 6-7 Stunden Gehzeit. Wir trinken nach dem Frühstück alle noch einen halben Liter Schiewasser, um schon mal für heute vorzulegen. Dann lassen wir alle verfügbaren Behältnisse mit Schiewasser füllen und verteilen die 7 Liter Trinken in unseren Rucksäcken. Auch Jonathan bekommt ein Kilogramm Trinken.
Mit Einpacken und Rüsten wird es 8.15 Uhr, ehe wir starten. Das Thermometer zeigt 10°C an, aber es hängt im Schatten. Da wir in der Sonne laufen, gehen wir gleich kurzärmelig und kurzbeinig. Wir wandern gut gelaunt unter der Schönfeldspitze dahin, die wir umrunden müssen. Wir erzählen wieder von gestern, vom Nebel und wie schade dass es ohne Aussicht war.
Um 10.00 Uhr machen wir eine kurze Trinkpause. Munter geht es weiter, zwar langsam, aber stetig. Jonathan hat viel zu tun! Er muss immer die Schneefelder mit Steinen traktieren, versucht auch mal, Steine zu zerschlagen und labert ununterbrochen. Wir zählen Schafe und beobachten Murmeltiere. Natürlich hält das alles auf, aber was soll's? Er soll ja schließlich Spaß am Wandern haben und viele Dinge in der Natur interessant finden. Ich bin froh, dass wir zu dritt sind, so kann er jeden Mal mit Fragen überschütten. Lutz ist da auch sehr geduldig und erklärt ihm viel.
Um 12.15 Uhr ist Picknick angesagt. Der Kaffee in der Thermoskanne ist noch schön heiß und so schmeckt uns das Wurstbrot umso besser. Die Getränke werden von mir zugeteilt.
Nach einer halben Stunde marschieren wir weiter und Jonathan läuft ohne einmal zu maulen. Wenn er läuft -grins-, wenn er nicht gerade mal wieder etwas Interessantes am Wegesrand entdeckt. Es geht über grüne Höhen, Schotter, Geröll und Fels, mal eben dahin, mal bergab, mal bergauf zu einer Scharte und wieder hinunter. Ein großer Teil des Steinernen Meeres liegt uns zu Füßen ausgebreitet. Von der linken Seite, die Schönfeldspitze als markante Spitze, lasse ich meinen Blick nach rechts schweifen und viele bekannte Gipfel grüßen in näherer und weiterer Ferne: Der Große Hundstod, links davor ist noch mit bloßem Auge das Ingolstädter Haus zu erkennen, der Schneiber, das ganze Watzmannmassiv, weiter im Vordergrund Viehkogel und Schottmalhorn, das Grün des Funtenseegebietes, Funtenseetauern, und weit in der Ferne den Untersberg, das Hohe Brett, der Hohe Göll, den Jenner, die Gotzenalm, den Schneibstein. Das sind alle Berge, die ich kenne, ohne auf eine Karte gucken zu müssen. Sie verschwinden, als wir die Hochbrunnsulzenscharte überschreiten. Schade! Von hier schauen wir in einen, uns unbekannten Teil des Steinernen Meeres, der auch viel weniger frequentiert wird, als der, aus dem wir kommen.
Es ist 12.15 Uhr und wir machen Mittag gleich auf der Scharte. Der Kaffee ist noch angenehm zu trinken. Jeder reichert sein Schiewasser mit Multivitamin an. Frohgelaunt wandern wir nach einer halben Stunde weiter. Natürlich geht es erst mal bergab. Wir spekulieren immer, wo uns unser weg wohl entlang führen mag, um oder über welchen Berg wir als nächstes müssen. Es geht landschaftsmäßig weiter, wie bisher. Nur Murmeltiere und Schafe sind hier nicht mehr anzutreffen. Aber überall zwischen Stein und Fels vollbringt die Natur wahre Wunderwerke. Mehrmals lasse ich mich wieder dazu hinreißen, einige Exemplare zu fotografieren. Als wir um das Scheereck fast herum sind, entdecken wir hoch droben die Biwakschachtel, am Fuße des Wildalmkirchl's. Dieses markante Bergmassiv, das aus der Ferne noch mehr als von hier einer Kirche in seinen Umrissen ähnelt, haben wir vom Hohen Göll aus bei klarer Sicht oft fotografiert haben. Jetzt, wo wir wissen, wo die Biwakschachtel ist, können wir sie bestimmt das nächste Mal vom Göll aus mit einem Fernglas ausmachen. Soweit, so gut!
Der Anstieg dort hinauf nimmt einem schon den Atem und wir machen nach einer viertel Stunde erstmal Pause. Immerhin zeigt die Uhr erst 14.30 Uhr. Noch so viel Tag übrig! Es gibt Früchteriegel und eine Ration Trinken. Ich schätze den restlichen Aufstieg mit 45 Minuten ein. Jeder gibt seinen Tipp ab, und ich werde Recht behalten. So viel vorneweg. Jonathan lässt sich auch hier für den letzten Anstieg begeistern, zumal die Biwakschachtel von weitem schon besser aussieht, als wir uns jemals eine Unterkunft mit diesem Namen vorgestellt hätten.
Der Aufstieg ist schon recht beschwerlich und oft recht steil. Und dann sehen wir sie, in ca. 100 Metern Entfernung. Den Namen "Schachtel" trägt sie völlig zu Unrecht. Es ist eine komfortable, achteckige Holzhütte, wie eine große Gartenlaube. Alle Achtung! Wenn wir alles erwartet hätten, aber das nicht. Eher mit einer Blechhütte, Matratzen auf dem Fußboden, keine Einrichtungsgegenstände, eben einfach nur eine Notunterkunft, ein Dach überm Kopf.
Die Hütte besteht verständlicherweise aus nur einem Raum. Die Mitte des Raumes bildet ein Holzpfeiler, um den ein runder Tisch gebaut ist. In 1,70m Höhe eine zweite, kleiner runde Platte, auf der Kerzen und Zubehör dazu bereit liegen. Links und rechts der Tür befinden sich je ein zweiflügeliges Fenster, deren Fensterläden wir gleich erstmal öffnen, Luft und Sonne hereinlassend. Unter den beiden Fenstern ist je eine Liege, An den anderen drei Wänden befinden sich drei Doppelstockbetten, also 8 Schlafplätze. Jedem stehen drei Decken und ein Kopfkissen zur Verfügung. Da wir allein sind, kann man sich mit Kissen und Decken einteilen. Wir nehmen freudig die Hütte in Besitz, belagern jeder eine Schlafstatt, alle unten, packen die Rucksäcke aus, untersuchen alle Schränke, finden noch mehr Kerzen, Zubehör, Feuerzeuge und eine halbe Rolle Toilettenpapier. Und die beste Entdeckung sind Kartenspiele, so dass wir Mau-Mau spielen können. Lutz und Jonathan üben gleich mal ein paar Runden.
Wir sind so voll des Lobes von dieser sauberen, gut und praktischen Hütte, dass Jonathan fragt, ob wir nicht länger hier bleiben können. Als wir ihn ans Trinken erinnern, erübrigt sich die Absage von selbst. Jürgen und ich steigen noch etwas höher, um zu sehen, ob wir irgendwo Handyempfang haben. Von hier aus entdecken wir das Matrashaus, an exponierter Stelle, hoch droben auf dem Hochkönig. Oh Gott, hoffentlich hält das Wetter, denn so eine lange Strecke.
Um halb sechs starten wir alle mit Seife, Handtuch und sauberen Socken zu dem Schneefeld 20 Meter tiefer. Kaum zu glauben, auch ich tue es: Wir waschen unsere Füße im Schnee!
Die drei Männer treiben's noch weiter. Sie laufen barfuss aufs Schneefeld und sich die Oberkörper mit Schnee ab. Das muss ich filmen! Auf jeden Fall fühlen wir uns pudelwohl.
Um 19.00 Uhr scharen wir uns um den runden Tisch und essen, Leberwurst und Mettwurst. Brot hatten wir uns im Riemannhaus noch dazu gekauft. Die letzte Dauerwurst lassen wir fürs Picknick morgen unterwegs. Ich teile das Trinken ein und lege fest, was heute noch getrunken werden darf, was fürs Frühstück und was für die Tagesetappe übrig bleiben muss. Gar nicht so einfach! Wenn man kein Trinken hat, muss man um so mehr daran denken und hat dadurch dauernd dieses Durstgefühl, so stellen es die Männer fest. Mich stört es weniger, weil ich normalerweise wenig trinke und mich aus Vernunftsgründen zum Trinken zwingen muss. Ich trinke nur ein paar Schlucke und gieße Jonathan noch etwas zusätzlich in seine Flasche, sein Maß für heute Abend. Und alle freut es, dass ich mein kleines Radio dabei habe.
Der Blick beim Abendbrot aus der geöffneten Tür ist einfach beeindruckend. Die Sonne beginnt sich über dem Scheereck zu senken. Etwas später setze ich mich in die geöffnete Tür, schreibe uns ins Hüttenbuch und warte, dass die Sonne hinterm Berg verschwindet. Jonathan und Lutz spielen Mau-Mau.
Jürgen startet um 19.30 Uhr noch eine Exkursion in unsere morgige Richtung. Während wir dann alle zusammen Karten spielen versinkt die Sonne um 20.18 Uhr hinterm Scheereck. Wir beenden den Tag mit Mau-Mau und kriechen kurz vor 21.00 Uhr in die Schlafsäcke. Es dauert auch nicht lange, bis Ruhe einkehrt. Ich habe zeitiges Wecken angekündigt und einen frühen Aufbruch angekündigt.
Aufbruch: | 26.07.2009 |
Dauer: | 6 Tage |
Heimkehr: | 31.07.2009 |