Italien im Sommer

Reisezeit: Juli 2010  |  von Beatrice Feldbauer

Technik

Nella hat mir Frühstück gemacht. "Wo warst du gestern?" will sie wissen. Sie war am Strand. "Siehst, du, da habe ich mir fast einen Sonnenbrand geholt", lacht sie und zeigt auf ihre Nase. Leider kann ich sie nicht fragen, wie man am besten unorganisiert an den Strand kommt. Ob es freie Strandabschnitte gibt. Nicht einmal die einfachsten Sätze bekomme ich zusammen. Nella ist übrigens Rumänin. Wahrscheinlich spricht sie darum so langsam und deutlich, weil italienisch auch nicht ihre Muttersprache ist.

Ich habe sie um einen Tisch für den Balkon gebeten und sie hat mir ein kleines Tischchen gebracht. Irgendwie verständigen wir uns mit Gesten und Zeichensprache.

Ich gehe den Tag langsam an. Ein wenig lesen, rumhängen und schreiben. Das Restaurant ist heute den ganzen Tag geschlossen.

Ich habe die Italienkarte studiert und festgestellt, dass San Marino ganz in der Nähe liegt. Nur 45 Minuten meint mein Navi und ich fahre los. Es geht über die Hügel ins Hinterland. Ich mag diese Kombination von schmalen Bergstrassen mit engen Dorfgässchen. Die Hügel sind sehr fruchtbar. Ich fahre durch Weinberge und abgeerntete Stoppelfelder. Hirse wird hier angepflanzt und Sonnenblumen. In den Gärten wachsen Feigenbäume und blühen Oleanderbüsche.

Hirse (nehme ich jedenfalls an)

Hirse (nehme ich jedenfalls an)

Die drei Burgen sind schon von weitem eindrücklich

Die drei Burgen sind schon von weitem eindrücklich

Ich habe keine Ahnung, wie San Marino aussieht. Ist es eine Stadt, ein Dorf auf einem Hügel? Auf einem Felsen? Irgendwann sehe ich weit weg drei Burgen auf einem Bergkamm stehen. Könnte es das sein? Aber das ist so weit weg, so hoch oben. Die Türme scheinen wehrhaft, sie stehen auf Felsen. Ich kann mir fast nicht vorstellen, wie man da hinauf kommt, aber die Strasse windet sich immer weiter hinauf, in ihre Richtung. Die Höhe der Türme muss heute nicht mehr zur Verteidigung gegen Feinde zu dienen, aber als Standort für verschiedene Antennen scheint sie nützlich zu sein. Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass das was ich von weitem sehe, alles Fahnenstangen sind.

Irgendwann komme ich oben an und entdecke, dass hinter dem Grat die Stadt an den Felsen geklebt ist. Es gibt viele Parkplätze, von denen bei Hochbetrieb wohl Busse die Leute abholen. Heute sind die meisten leer, aber ich finde ein grosses Parkhaus. Das ist sehr gut besetzt. Bis hinauf in den sechsten Stock muss ich fahren, bis ich einen freien Parkplatz finde. Schweizer hat es keine. Ich sehe mich noch etwas um und entdecke einen roten Zürcher Beatle. Fünfundfünfzig. Mist, ich kann den Mechanismus einfach nicht ausschalten.

Der Lift bringt mich dann ganz nach oben, direkt vor das alte Stadttor.

immer aufwärts...

immer aufwärts...

Piazza della Liberta mit dem Regierungspalast

Piazza della Liberta mit dem Regierungspalast

Sogar der Friseur ist russisch angeschrieben

Sogar der Friseur ist russisch angeschrieben

Auch das noch! noch mehr rote Autos!!!

Auch das noch! noch mehr rote Autos!!!

Ab jetzt geht es zu Fuss weiter. Ich steige hinauf, durch schmale Gassen, unter wehenden Fahnen. Wie überall wo sich Touristen einfinden, sind die Gassen gesäumt von Souvenirläden. Aber auch teure Markenboutiquen gibt es genügend. Irgendwo entdecke ich sogar elegante Pelze im Schaufenster. Und die Auslage verspricht noch mehr von diesen warmen Mänteln, die so gar nicht in diese Gegend passen. Aus den Geschäften mit Handtaschen riecht es wunderbar nach Leder und aus den Restaurants nach Pizzas.

Die Kyrillischen Buchstaben in den Geschäften und auf den Schildern fallen erst auf den zweiten Blick auf, aber bald merke ich, dass auch viel russisch gesprochen wird. Daneben höre ich aber vor allem italienisch, manchmal französisch und ganz wenig deutsch. Es sind zwar viele Touristen in den schmalen Gassen, aber es ist nicht überfüllt und eigentlich ganz angenehm.

Immer weiter hinauf führen die engen Strassen. Die Häuser sind eng an den Felsen angeschmiegt, nutzen jeden Quadratmeter Boden auf der kleinen Fläche. Und doch gibt es immer wieder offene Ausblicke, freie Plätze. Und auch wenn sich viele Touristen tummeln, so hat es auch verwunschene Ecken, ruhige Gässchen. Sobald keine Läden da sind, laufen auch keine Touristen durch.

Die Kathedrale ist dem Stadtgründer, dem heiligen Marinus gewidmet

Die Kathedrale ist dem Stadtgründer, dem heiligen Marinus gewidmet

soll ich mich von dem auch porträtieren lassen? Braucht etwas Mut.

soll ich mich von dem auch porträtieren lassen? Braucht etwas Mut.

Er bemalt Leinwand, Dachziegel und winzige Buchzeichen

Er bemalt Leinwand, Dachziegel und winzige Buchzeichen

Ich steige weiter hinauf und komme zur ersten der drei Burgen. Es ist eine richtig mittelalterliche Befestigungsanlage mit Bergfried, Ziehbrunnen, Kapelle und einer starken Mauer mit Zinnen rundum. Ausserdem gibt es einen Glockenturm. Sein Geläute soll im ganzen Land zu hören sein, lese ich im Prospekt. Das kommt mir fast vor, wie die Ennigerkapelle vor meinem Haus. Die hört man auch im ganzen Dörfchen, wenn sie am Abend den Feierabend einläutet. Zugegeben, etwas grösser ist San Marino mit seinen 61 km2 und den 32'000 Einwohnern schon. Und es hat zwei Regenten, die alle sechs Monate neu gewählt und in einer feierlichen Zeremonie in ihr Amt eingeführt werden.

Ich steige ganz hinauf zum Bergfried. Für die letzten Stufen, die zur engen Luke hinauf führen, bin ich mit meinen Flipflops nicht wirklich ideal ausgerüstet. Hinauf geht ja noch, aber beim Hinuntersteigen muss ich mich ziemlich konzentrieren. Aber der Blick von ganz oben über das ganze Land und weiter bis nach Italien entschädigt die Mühe.

Hinauf geht ja noch...

Hinauf geht ja noch...

... aber hinunter hat seine Tücken

... aber hinunter hat seine Tücken

Den alten Brunnen finden nicht nur die Kinder spannend

Den alten Brunnen finden nicht nur die Kinder spannend

der Ausblick von ganz oben übers Land...

der Ausblick von ganz oben übers Land...

... und zur nächsten Burg

... und zur nächsten Burg

Ich könnte jetzt noch weiter gehen und auch die anderen beiden Burgen besichtigen. Weil sich aber der Magen schon seit einiger Zeit gemeldet hat, steige ich hinab und finde hinter Zinnen in der Nähe der Seilbahn einen schattigen Tisch. 675 m über Meer, steht auf dem Schild an der Mauer. Neben mir höre ich zum ersten Mal Schweizerdeutsch und komme mit zwei Frauen ins Gespräch. Die eine war vor 40 Jahren zum ersten Mal in San Marino, die andere ist zum ersten Mal hier.

Wir reden über den Ort, über Italienisch, Russisch und grundsätzlich über Sprachen. Spanisch hat die eine mal angefangen zu lernen. Weil sie an eine Hochzeit in Guatemala eingeladen war. Guatemala? Ich horche auf. Ja, beide Damen waren vor drei Jahren an einer Hochzeit in Guatemala. Unglaublich, so ein Zufall. Kaum jemand kennt dieses Land und da treffen sich drei Schweizerinnen, die alle schon einmal dort waren.

wo keine Einkaufsläden sind, hat es keine Touris, so einfach ist das

wo keine Einkaufsläden sind, hat es keine Touris, so einfach ist das

eine Oase mitten im Gedränge

eine Oase mitten im Gedränge

ein gemütlicher Platz für mein spätes Mittagessen

ein gemütlicher Platz für mein spätes Mittagessen

die Kabinenbahn von Borgo Maggiore hinauf nach San Marino auf 
675 m ü.M.

die Kabinenbahn von Borgo Maggiore hinauf nach San Marino auf
675 m ü.M.

Plötzlich wird es laut und hektisch. Reisegruppen sind eingetroffen. Heute reicht es anscheinend nicht mehr, dass der Reiseleiter mit einem Fähnchen oder einem Schirm voraus geht, nein, man arbeitet mit Mikrofon und Lautsprecher. Für mich wird es Zeit, zurück zu gehen. Ich habe schon beim Aussteigen aus dem Lift gesehen, dass in einem der Cafés Internet angeschrieben war und so hole ich den Laptop aus dem Auto, will ins Netz einsteigen. Leider funktioniert der Anschluss nicht und ich muss nach etlichen Versuchen abbrechen. Also zurück nach Cattolica, entscheide ich. Ich wollte es nicht, aber gleich neben der Ausfahrt steht ein roter Schwyzer. Sechsundfünfzig.

Ich finde das Restaurant ohne Stadtplan auf Anhieb und heute hat es sogar genügend Parkplätze in der Nähe. Ich genehmige mir erst eine grosse Portion Gelati und einen Cappuccino und dann kann ich den gestrigen Bericht laden. Ein paar Mails gilt es auch zu beantworten und dann ist die Stunde schon wieder um.

Auf der Rückfahrt entdecke ich, dass mein Handy nicht mehr funktioniert. Ich habe ein SMS bekommen, kann es aber nicht öffnen. Die Tasten machen keinen Kontakt mehr. Es ist zum Verzweifeln, was mache ich ohne Handy?

Ziemlich frustriert komme ich in meinem Zimmer an. Fast hätte ich das Telefon an die Wand geschmissen, nicht einmal ausschalten kann ich das blöde Ding. Ein bisschen entschädigt mich der Sonnenuntergang, den ich von der Dachterrasse beobachte. Beim Betrachten meiner heutigen Fotos gibt es einen weiteren Frust. Schon seit längerem habe ich in der Kamera einen dunklen Fleck. Es nutzt nichts, wenn ich die Linse putze, der Fleck ist innen. Eine Zeitlang schien er verschwunden ich glaubte, dass es Feuchtigkeit war, die getrocknet war. Aber jetzt ist er wieder da und hockt in jeder Foto, verdirbt die schönsten Aufnahmen.

Ich glaube, heute war einfach nicht mein Tag, jedenfalls nicht, was die Technik angeht. Völlig frustiert verziehe ich mich mit meinen Buch ins Bett. Morgen werde ich wenigstens das Problem mit dem Telefon irgendwie lösen müssen.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Woche Rimini in der Hochsaison. Eigentlich gar kein typisches Ziel für mich, aber trotzdem einen Versuch wert. Ich habe ein Zimmer in einem kleinen Dörfchen im Hinterland von Rimini gebucht und werde da eine ruhige Woche verbringen. Ein wenig lesen, ausspannen, schreiben und die Gegend erkunden. Keine Abenteuer, ausser dem, dass ich kein Italienisch spreche, sondern nur meinem Spanisch einen italienischen Anstrich gebe und hoffe, dass man mich versteht.
Details:
Aufbruch: 23.07.2010
Dauer: 9 Tage
Heimkehr: 31.07.2010
Reiseziele: Italien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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