Italien im Sommer

Reisezeit: Juli 2010  |  von Beatrice Feldbauer

über Nacht

Es ist eine alte Weisheit, manchmal lösen sich Probleme über Nacht. Ich war kaum in meinen englischen Krimi eingetaucht, da hörte ich draussen auf der Treppe meinen Namen rufen. Und schon klopfte es an der Tür. Teresa, die Frau von Mauricio war eingetroffen und hatte mich schon am Nachmittag gesucht.

Sie brauchte mich nicht zweimal zu bitten, kurz darauf traf ich gut gelaunt unten auf der Piazza bei der kleinen Bar ein. Ein ganzer Tisch voller Schweizerinnen mit italienischen Wurzeln sass da und es wurde eifrig gestikuliert und geparlt. Teresa bot mir ihr mobiles Modem an und versprach, morgen mit mir zum Handykauf mitzukommen. Und so kam es, dass ich zwei Stunden später schon viel entspannter wieder unter die Decke kroch. Selbstverständlich versuchte ich vorher noch, das Modem zu installieren. Es funktionierte auf Anhieb, ich war im Internet, obwohl ich ein paar Stunden früher überzeugt war, dass man mir heute nichts Technisches mehr in die Finger geben dürfte.

In der fünften Klasse hatte mir mein Klassenlehrer folgenden Spruch in mein Poesiealbum geschrieben: 'Wenn dich was ärgert, zähle auf vier'. Weil er dazu noch sich selber mit Zeigestab und Rotstift skiziert hatte, fand ich den Eintrag einfach blöd und verstand die tiefe Wahrheit dahinter nicht. Heute, habe ich etwas mehr Erfahrung mit Ärger und würde den Spruch unbedingt noch unterstreichen. Allerdings braucht es manchmal auch etwas Emotionen - und sei es nur für den Ärger.

Mein Morgenblick - direkt aus dem Bett

Mein Morgenblick - direkt aus dem Bett

Am Morgen übertrifft sich Nella beim Frühstück machen. Gestern konnte sie mir kein Brot anbieten. Wahrscheinlich wurde keines angeliefert, da das Restaurant geschlossen war. Als ich fragte, ob sie vielleicht ein Ei hätte, fand sich ebenfalls keines im Kühlschrank. Es schien, dass sie dieser Umstand mehr störte als mich, jedenfalls trägt sie heute Käse auf, stellt frisches Brot auf den Tisch, selbstgemachte Feigenkonfitüre und fein geschnittenen Proschiutto. Natürlich will sie wieder wissen, was ich gestern unternommen hätte. "Oh, San Marino, bellissimo!" meint sie erfreut.

Später im Zimmer, läutet das Telefon, und oh Wunder, ich kann das Gespräch entgegen nehmen und einer Kundin, die eine Frage hat, weiterhelfen. Sonst aber reagiert das Handy auf keinen Tastendruck.

Capuccino con cuore

Capuccino con cuore

Um zehn bin ich mit Teresa und ihren Töchtern zum Kaffee verabredet und bald darauf machen wir uns gemeinsam auf zum Elektroshop nach Riccione. Ich habe mich bereits für das günstigste Modell entschieden, kann aber meinen Chip nicht aus dem alten Handy nehmen. Es klemmt. Aber Noemie schafft es. Nur so zum sicher gehen steckt sie ihn wieder hinein und siehe da, die Tasten funktionieren wieder. Ich kann es kaum fassen, aber ich habe mein Handy wieder und all die gespeicherten Nummern, und die verpassten Anrufe von gestern und die Sms und was eben sonst noch alles in meinem Handy gespeichert ist. Zum Glück sind wir nicht ganz umsonst hierher gekommen, Teresa will ein zweites mobiles Modem kaufen, da sie ihr eigenes mir ausgeliehen hat.

Zwar ist der Himmel heute etwas bedeckt, aber die Luft ist warm und ausserdem haben wir alle die Badekleider dabei. Also beschliessen wir, zum Strand zu fahren. Alle 500 m gibt es einen Streifen offenen Strand. Ohne Liegestühle und Sonnenschirme. Einfach so für jedermann. Die Liegestühle sind heute fast nicht besetzt, auch im Wasser ist kaum jemand. Auch den Mädchen hat es zu wenig Sonne.

Teresa und ich schwimmen weit hinaus. Fast zu weit hinaus, merke ich, als ich wir uns umdrehen und zurück zum Strand sehen. Einfach so beim Plaudern haben wir beide fast vergessen, dass wir eigentlich nicht so gute Schwimmerinnen sind. Einen Moment bekomme ich einen leisen Schrecken, so weit draussen war ich noch nie, aber dann zähle ich leise auf vier. Und dann schwimmen wir beide, so entspannt zurück, wie wir hinaus geschwommen sind. Die Wellen helfen uns dabei zusätzlich.

Es war wunderbar, das Wasser zu spüren, die Bewegung, die Wellen, den Sand unter den Füssen, zwischen den Zehen und das unbeschwerte Plaudern mit einer Freundin. Und es hat Hunger gegeben.

In einem der Strandbeizlein, bestellen wir Crevetten, Muscheln und Tintenfische und dazu das feine dünne Fladenbrot, dessen Namen mir im Moment entfallen ist. Danach steht noch ein Besuch in der besten Gelateria auf dem Programm und frisch gestärkt machen wir uns am späteren Nachmittag auf den Heimweg.

wer will da widerstehen?

wer will da widerstehen?

oder da...

oder da...

Was für eine Unterschied zu gestern. Innerhalb 24 Stunden haben sich alle meine Probleme in Luft aufgelöst. Mein Handy funktioniert wieder, ich habe Internet im Zimmer, weiss jetzt wo ich einen Zugang zum Meer finde und das Wichtigste, ich habe einen tollen Tag mit Freundinnen verbracht, musste für einmal nicht alles allein herausfinden.

Und heute Abend gehen wir gemeinsam essen. Im besten Restaurant der Gegend, im Albergo Panoramico, dort wo ich ganz oben mein Zimmer mit Aussicht habe.

Wie sagte mein Lehrer doch damals: Wenn dich was ärgert, zähle auf vier. Wie Recht er doch hatte.

Albergo Panoramico, in Saludecio

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Woche Rimini in der Hochsaison. Eigentlich gar kein typisches Ziel für mich, aber trotzdem einen Versuch wert. Ich habe ein Zimmer in einem kleinen Dörfchen im Hinterland von Rimini gebucht und werde da eine ruhige Woche verbringen. Ein wenig lesen, ausspannen, schreiben und die Gegend erkunden. Keine Abenteuer, ausser dem, dass ich kein Italienisch spreche, sondern nur meinem Spanisch einen italienischen Anstrich gebe und hoffe, dass man mich versteht.
Details:
Aufbruch: 23.07.2010
Dauer: 9 Tage
Heimkehr: 31.07.2010
Reiseziele: Italien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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