Pfingsten in Lissabon
Bairro Alto und Avenidas Novas
Gestern abend bin ich nicht mehr weiter ausgegangen (ist ja nie so mein Ding), so bin ich heute morgen schon wieder relativ früh unterwegs und hole mir wieder eine Tageskarte der Lissaboner Verkehrsbetriebe Carris.
Auf dem Weg zum Praça dos Restauradores komme ich wieder über die Praça da Figueira und den Rossio und ich staune angesichts der unglaublichen Müllmengen, die heute morgen auf der Strasse und den Plätzen liegen: Was, um Himmels willen, muss hier letzte Nacht los gewesen sein ???? Berge von leeren Plastikgetränkebechern, leeren Bier- und sonstigen Flaschen, Papier, Tüten und den ganzen herumliegenden eindeutigen Verpackungskartons nach zu urteilen, muss Mc Donald´s am Rossio letzte Nacht komplett leergefressen worden sein... Es hängen auch noch einige Schnapsleichen auf irgendwelchen Bänken oder in Hauseingängen herum. Und der eine oder andere hat die Party noch nicht beendet und grölt lautstark durch die Gegend. Die Stadtreinigung ist zwar schon angerückt, aber um dieser Lage Herr zu werden, werden die eine ganz, ganz lange und harte Schicht einlegen müssen...
Der Elevador da Glória ist mein Ziel, dieser ist eine Standseilbahn, früher mit Dampf, heute elektrisch betrieben, wie alle elevadores in Lissabon. So wie ich das mitbekommen habe, fahren die Dinger nicht nach Fahrplan, sondern immer dann, wenn sie voll oder wenigstens einigermassen voll sind. Es geht eine wirklich extrem steile, enge Gasse hinauf.
Ich kürze jetzt etwas ab, denn ich wandere durch´s fast ausgestorben wirkende Bairro Alto an diesem Montag morgen, durch kleine und enge Gassen, finde es unglaublich malerisch und würde mir fast schon wünschen, in einem dieser kleinen Altstadt-Häuschen zu wohnen. Es gibt ein Kloster (geschlossen) und überraschenderweise steht das Verfassungsgericht in einer winzigen Gasse. Aus lauter Bedürfnis, mir hier jetzt irgendetwas angucken zu wollen, betrete ich eine Kirche (eine Kirche ist eine Kirche...) und komme dann zu den Treppen, die zum Miradouro Santa Catarina hinaufführen. Irgendetwas muss hier letzte Nacht ganz besonders abgegangen sein, denn hier stapelt sich wieder der Müll. Keine Menschenseele ist zu sehen, ausser einem jungen Mann mit dem Lonely Planet Europe in der Hand. Am Aussichtspunkt Santa Catarina kommen wir ins Gespräch: Er ist entsetzt über den ganzen Müll, der auch hier nch teilweise herumliegt, obwohl hier die Stadtreinigung bereits im Einsatz ist. Auch er hat von der Riesen-Party letzte Nacht nichts mitbekommen und selig in seinem Hotel geschlafen.
Die Sagrès-Bier-Wagen sind alle noch da, aber der meiste Müll ist schon weg. Hier muss das Epi-Zentrum der Party letzte Nacht gewesen sein !
Mit dem eben kennengelernten Amerikaner namens Greg im Schlepptau (er erzählt auch, dass er sich ein wenig verlaufen hat und ganz froh ist, auf irgendeine Menschenseele zu treffen, die nicht zur Stadtreinigung gehört) wähle ich jetzt die Travessa da Portuguesa, um zur Rua da Bica zu kommen. Mein Plan ist nämlich, den elevador da Bica zu nehmen, um wieder die Unterstadt und den Bahnhof Cais do Sodré zu erreichen. Der elevador ist ausser Betrieb und aus gutem Grund: Die Rua ist eine steil-abwärts-führende Gasse und die Stadtreinigung macht hier kurzen Prozess: Sie spülen aus Feuerwehrschleuchen Wasser die Gasse hinunter, um die hier wirklich absolut gigantischen Müllmengen unten aufsaugen zu können. Es ist eine Sackgasse. Herzlichen Glückwunsch ! Greg und ich in unseren offenen Sandalen waten jetzt knöcheltief in Müll und Scherben die Gasse hinunter. Zumal wir die ganze Sch.. auch noch durch das Wasser durch unsere Schuhe gespült bekommen. Die erste Gasse rechts-raus ist meine ! Greg folgt mir. Ich hab´keine Lust, mir Splitter in die Füsse zu treten und er auch nicht. Mein immer gut-funktionierender Orientierungssinn funkt, dass wir nicht weit vom Mercado da Ribeira sind. Heute natürlich geschlossen. Wir beobachten, wie ein Taxi vor der Markthalle hält und 2 (um 11.30 Uhr vormittags !) noch immer feiernde Hauptstadt-Portuguiesen ausspuckt. Die singen und tanzen, immer noch ! Ich verabschiede mich von meinem netten Begleiter am Bahnhof Cais do Sodré und kehre per Metro zurück zur Praça dos Restauradores. Das Bairro Alto sollte man wohl tatsächlich besser abends aufsuchen und ein wenig dem Nachtleben frönen, tagsüber ist es ein wenig langweilig da oben.
Nachstes Ziel: Metro-Station Praça de Espanha. Sinn und Zweck des Ausfluges nach Neu-Lissabon und zu den Avenidas Novas: Besuch im weltberühmten Gulbenkian-Museum. Calouste Gulbenkian war ein steinreicher armenisch-stämmiger US-Öl-Milliardär, der seine letzten Jahre in Lissabon verbracht hat. Seine unschätzbar wertvolle Kunstsammlung vermachte er einer Stiftung, die das nach ihm benannte Museum betreibt und da will ich hin. Die Orientierung fällt mir etwas schwer, als ich die Metrostation verlasse, denn ich stehe vor einer riesigen Strassenkreuzung, wo sich mehrspurige avenidas treffen. Aber ich habe den richtigen Riecher und stehe bald vor der Statue von Calouste Gulbenkian vor seinem Museum.
Die ganze Aktion ist allerdings nicht von Erfolg gekrönt, ich stehe vor verschlossenen Türen: Montags geschlossen. Okay, Patzer ! Das hätte ich wissen können, wenn ich meinen Reiseführer aufmerksamer gelesen hätte. Blöd und schade. Aber egal. Zurück in die Baixa, denn es gibt auch dort noch einen kleinen Spaziergang, den ich unbedingt noch machen möchte.
Ich nehme nun den elevador Santa Justa nach oben und sehe mich im Viertel Chiado um.
Das berühmteste Café Lissabons A Brasileira mit der Bronzestatue des Schriftstellers Fernando Pessoa daneben. Ich könnte zwar gut eine Pause haben und was trinken, aber hier ist´s mir zu teuer.
Ich verschnaufe eine Runde in einem anderen netten Café am Largo do Chiado. Anschliessend hole ich den verpassten Museumsbesuch nach, in einem anderen Museum, dem Museu do Chiado für zeitgenössische Kunst. Nun ja, kann man, muss man aber nicht gesehen haben...
Der Tag ist noch immer nicht zu Ende und der letzte Programmpunkt heisst Shopping, was allerdings etwas schwierig ist, weil die meisten Geschäfte geschlossen sind an diesem Feiertag. Aber ein paar geöffnete Läden finde ich und wer mich shopping-junkie kennt, weiss, dass ich auch bei sehr beschränkter Geschäfteauswahl trotzdem die Tüten gefüllt kriege... Ich sag´nur: Gott sei Dank finde ich einen geöffneten Schuhladen und ich habe jetzt silberne Flip Flops !!! Jiehaa ! Auf dem Weg zurück ins Hotel fällt mir ein, dass ich noch eine berühmte Kirche nicht besichtigt habe, die igreja do convento Sao Domingos. Sie soll eine der schönsten Kirchen Lissabons gewesen sein, aber das schwere Erdbeben von 1755 und ein Brand 1959 haben die Kirche beschädigt und die Schäden an den Säulen sieht man noch sehr deutlich, was ich allerdings schon wieder richtig cool finde.
Morgen werde ich nur noch wenig Zeit haben und relativ früh zum Flughafen fahren, denn ich weiss ja nicht, wie der Berufsverkehr in Lissabon so ist, also nehme ich den letzten ganz kleinen Rundgang auch noch heute mit und begebe mich wieder auf die Avenida da Liberdade, die Prachststrasse Lissabons. Sie wird gern mit der Champs Elysée in Paris verglichen und dieser Vergleich hinkt definitiv nicht ! Da könnte man sich schon streiten, welche schöner ist. Grüner und schattiger ist allemal die Avenida, da steht ja fast schon ein Wald !
Unter diesen riesigen 2 (!) Grünstreifen der Avenida befinden sich kleine Parks, Denkmäler und Cafés. Echt schön.
elevador do Lavra - leider ausser Betrieb heute. Mich faszinieren diese Standseilbahnen in Lissabon und nun habe ich alle zumindest gesehen.
Der Rest des Tages ist nicht weiter erwähnenswert: Schön essen gehen, Leute gucken, Gläschen Wein trinken unter freiem Himmel, später im Hotelzimmer noch ein wenig fernsehen, Krempel zusammenpacken.
Aufbruch: | 10.06.2011 |
Dauer: | 5 Tage |
Heimkehr: | 14.06.2011 |