Arminius on Tour - einmal um die Welt mit Ingrid und Jörg
Arches, Utah: Wandern mit unfreiwilligem Bad
Der Devils Garden ist die einzige längere gekennzeichnete Wanderung im Arches Park, auf der die meisten Steinbögen liegen. Läuft man den Hauptweg bis zum Ende und den Primitivpfad zurück mit sämtlichen Nebentrails zu den einzelnen Arches, muss man mit ein, zwei Pausen und genügend Zeit für Fotostopps für die gut 12 km fünf Stunden rechnen. Das liegt in erster Linie am schwierigen Gelände, auf dem man nur langsam vorwärts kommt. Läuft man den gesamten Rundweg, sind Schuhe mit haftfesten Sohlen, eine gute Portion Schwindelfreiheit und etwas Mut von erheblichem Vorteil.
Wie lange wird der Landscape Arch noch stehen? Vor ein paar Jahren stürzte bereits einmal eine große Scholle ab
Zunächst führt uns ein gut ausgebauter Wanderweg bis zum berühmten Landscape Arch. Dieses fragile Gebilde mit 93 m Spannweite hat nur noch eine dünne Brückendecke, vor allem seit 1991 eine große Platte von seiner Unterseite abgebrochen ist. Glücklicherweise hatte sich das Ereignis mit rieselnden kleinen Steinen angekündigt, sodass die Besucher in Sicherheit rennen konnten und niemandem Leid geschehen ist. Der Bereich unter der Brücke ist seitdem gesperrt. Den nächsten Bogen, Wall Arch, gibt es gar nicht mehr. Er ist 2008 zusammengebrochen, wiederum ohne Verletzte. Das Kommen und Gehen ist der normale Lauf der Dinge. Dafür schafft die Natur an anderen Stellen neue Brücken.
Ab hier bis zum Double-O-Arch erfordert der Weg schon etwas Kondition und Trittsicherheit. Teilweise führt der Pfad über eine schmale Felsfinne, von der man zu beiden Seiten hinunterfallen kann. Zugunsten der Natürlichkeit der Umgebung hat man auf sichernde Geländer und Ähnliches verzichtet. Nimmt man ab hier den sogenannten Primitive Loop, wird es richtig spannend. Der Hinweis auf schwieriges Terrain kommt mehrfach auf Schildern, aber man will ja nicht hören. Ein paar ordentliche Kletterpartien müssen bewältigt werden, man balanciert auf einem sehr schmalen und vor allem sehr abschüssigen Steig an einer noch abschüssigeren Steilwand entlang, alles ohne Sicherung. Die Natur aber entschädigt für alles. Man wandert zwischen den Felsskulpturen, stapft in schmalen Tälern durch puderig-weichen roten Sand. Dazwischen krallt sich Leben, wo es nur möglich ist. Widerstandsfähige Steinkiefern und Wacholderbäume behaupten sich neben exotischen Tamarisken. In der unteren Etage dieser Halbwüste gedeihen Kakteen, Yuccas und Wildblumen.
Ich fühle mich ein wenig wie während unserer Jahre in der Arabischen Wüste. Die Landschaft und die entspannende Einsamkeit sind ähnlich. Niemand kommt uns entgegen, niemand scheint vor oder hinter uns zu sein. Warum eigentlich? Das Wort "primitiv" in Zusammenhang mit Straßen, Wegen oder Pfaden sollte in Zukunft Alarmglocken bei mir läuten lassen. Schon einmal, im Great Sand Dunes National Park, hat uns eine Primitive Road zur Umkehr gezwungen. Diesmal sind wir dazu nicht bereit, der Rückweg ist einfach zu weit und anstrengend.
Das vor uns liegende Problem ist aber weit schwieriger: Zwischen zwei Steilwänden hat sich in einer Senke ein Teich gebildet. Etwas Wasser steht hier wohl immer, aber jetzt ist der Teich tief. Zu tief. Mindestens schulterhoch, vielleicht noch tiefer. Die rechte senkrechte Wand ist keine Option. Bleibt links. Es sind vielleicht zwei Schritte auf einem sehr steilen Sandsteinhang bis zu einem wiederum ziemlich schrägen kleinen Absatz ein paar Meter über dem Wasser und danach habe ich keine Ahnung, wie es weitergehen könnte. Oft ist Sandstein recht griffig und scheinbar einfach zu klettern, manchmal aber sehr schlüpfrig.
Im Englischen wird er unter anderem slick rock genannt, glatter rutschiger Stein. Nach nur wenigen absolut fruchtlosen Versuchen Halt zu finden zieht Jörg kurz entschlossen Schuhe, Strümpfe und Hose aus und läuft durchs Wasser. (Nein, davon gibt es keine Bilder!) Der Teich ist natürlich viel zu tief zum Durchlaufen, aber er findet am rasch abfallenden Ufer entlang Halt zum Gehen. Auf der Oberfläche befindet sich eine dünne Eisschicht. Jörg wälzt sich durch wie ein Eisbrecher und erreicht unfallfrei das andere Ufer. Da ich nach wie vor der Meinung bin den Weg über die Wand zu gehen, kommt Jörg freundlicherweise nochmals wieder und holt den zurückgelassenen Rucksack ab. Mein Vertrauen in die Haftkraft meiner Wanderschuhsohlen ist nahezu unendlich. War. Drei Mal versuche ich an der steilen glatten Wand Halt zu finden und gleite jedes Mal ziemlich hilflos bäuchlings wieder ab. Der schiefe Rettung verheißende Absatz scheint unerreichbar, wiewohl nur zwei Schritte entfernt. Es mag eine Lösung für dieses Problem zu geben, ich erkenne sie hingegen nicht. Vielleicht wäre die Stelle mit etwas mehr Freiklettererfahrung überwindbar, meine aber beschränkt sich auf ein Minimum, tendiert sozusagen gegen Null. Also was tun? Mit Fingerspitzen festkrallen will mir nicht gelingen. Ob es barfuß besser ginge? Oder vielleicht mir Geschwindigkeit? Leider habe ich nur einen Versuch. Wenn der Absatz dann nicht den erhofften Halt bietet, liege ich mitsamt meinen Klamotten in der eisigen Brühe. Mit nasser Kleidung mehrere Kilometer durch ein winterliches Utah zu wandern steht auf meiner Prioritätenliste nicht sehr weit oben. Von der anderen Seite scheint die Stelle eher machbar zu sein, denn dort ist der Steilhang geringfügig flacher, sodass man irgendwie hoch käme und auf der steilen Seite auf dem Hosenboden wieder runter. Das hilft nur jetzt nicht weiter. Mit einem tiefen Seufzer ziehe ich Schuhe und Hosen aus und stapfe im String durch den Teich. Zum Glück ist es, wie schon erwähnt, einsam hier. Was für ein Bild muss das geben. Die Hose habe ich mir um den Hals gewickelt, die Schuhe in der Hand. (Nochmals: keine Fotos!) Der Vorteil ist, dass der Schmerz im oberschenkeltiefen Eiswasser nicht sofort einsetzt, sondern erst, wenn man schon ein paar Meter gelaufen ist. Dann ist der Reiz weiterzugehen größer als umzukehren. Schließlich stehe auch ich mit krebsroten Beinen auf dem Trockenen, versuche den Sand von den Füßen zu streifen und mich wieder anzuziehen. Ein Schild verkündet Hoffnung gebietend, dass der Pfad den Wash, also das trockene Bachbett oder Wadi, wie wir im Arabischen sagen würden, verlässt. Der Rest des Weges ist bergauf im Sand allerhöchstens anstrengend, aber technisch nicht mehr anspruchsvoll.
Es war eine tolle Wanderstrecke in märchenhafter Landschaft. Kann ich jedem nur empfehlen. Vielleicht in umgekehrter Richtung? Oder im Sommer mit Badehosen?
Alles Fotos und Reiseberichte gibt es unter www.arminius-on-tour.de
Aufbruch: | April 2010 |
Dauer: | 4 Jahre |
Heimkehr: | April 2014 |
Vereinigte Staaten
Mexiko