Norwegens wilder Osten - Die Femundsmarka
Femundsmarka
Bis zur schwedisch-norwegischen Grenze waren es nur einige Kilometer. Kurz hinter Eda überquerten wir dann die Grenze zu Norwegen. Auf der gleichen Straße, die auf der norwegischen Seite als zunächst als Bundesstraße 2 bezeichnet wird und dann in die Bundesstraße 20 übergeht, fuhren wir über Kongsvinger bis nach Elverum. Da wir nun schon mehrere Stunden unterwegs waren legten wir eine Pause ein. Der Magen machte zwischenzeitlich auch durch nicht überhörbares Knurren auf sich aufmerksam. Also an einem Geldautomat kurz mit norwegischen Kronen versorgt und ab zum nächsten Imbiss. Mit meinem Englisch kam ich hier nicht so weit wie in Schweden, aber mit Händen und Füßen machten wir der jungen Dame hinter dem Tresen klar, was wir etwas essen wollten. Frisch gestärkt machten wir uns wieder auf, unserem eigentlichen Ziel, dem Femundsee entgegen. Auf einem Parkplatz an einem kleinen See mussten wir nach kurzer Zeit wieder anhalten, da mal wieder einer die Nähe eines Baumes aufsuchen musste.
Auf dem Parkplatz stand auch ein Schild mit Informationen zur Gegend. So war hier zu lesen, dass vor uns nun der größte Nadelwald der Erde lag, die Taiga, die die gesamte Nordhalbkugel der Erde umspannt. Von dieser Information wenig beeindruckt setzten wir unsere Fahrt fort. Aber die Landschaft änderte auf den folgenden Kilometern ihr Gesicht. Waren die Waldabschnitte weiter im Süden mal durch kleine Orte, Wiesen und Felder unterbrochen, gab es hier nur noch Wald. Überwiegend säumten Fichten und Kiefern unseren Weg. Obwohl ich in jungen Jahren schon viel in Europa mit dem Motorrad unterwegs gewesen bin, kann ich sagen, dass dieses der größte Wald war, den ich bis dahin gesehen hatte. Stunden vergingen auf unserem weiteren Weg nach Norden und es gab nur noch diesen scheinbar unendlichen Wald. Zeitweise führte unsere Straße über eine Anhöhe, die den Blick in alle vier Himmelsrichtungen freigab. Jetzt waren wir nun beeindruckt. In allen Richtungen war Wald zu sehen, der sich bis zum Horizont erstreckte. Je weiter wir nach Norden kamen, desto wilder und steiniger wurde die Landschaft, aber auch merklich kälter. In Elverum zeigte das Außenthermometer meines Autos noch 15 Grad. Jetzt waren es nur noch 8 Grad.
Es war bereits früh am Abend als ich zu Olli sagte, dass wir doch nun bald wohl endlich da sein müssten. Und dann lag er ganz plötzlich vor uns, der riesige Femundsee.
Wissenswertes zur Region
Der Femundsee liegt nahe der Baumgrenze auf einer Höhe von 662 Metern über dem Meer und hat bei einer Nordsüd-Ausdehnung von etwa 62 Kilometern eine Gesamtfläche von ca. 204 Quadratkilometern. Auf Grund der geographischen Lage gehört die Femundsmarka - so heißt die Umgebung um den See herum - zu den kältesten Regionen Europas. Im Winter können Temperaturen von bis zu 50 Grad unter dem Gefrierpunkt erreicht werden, was zur Folge hat, dass der See meist bis Mitte Mai zugefroren ist und die Wassertemperatur des Femund auch im Hochsommer nur selten mehr als 8 Grad erreicht. Auf der Ostseite des Sees befindet sich der Femundsmarka Nationalpark, der auf der schwedischen Seite in das große Rogen Naturreservat übergeht.
Nur 5 Kilometer unter dem Femundsmarka Nationalpark, im südöstlichen Femundgebiet, befindet sich der Gutulia Nationalpark, der kleinste Nationalpark Norwegens.
Zusammen mit den umliegenden Nationalparks, Seen, Flüssen und Wäldern umfasst dieses Gebiet eine Gesamtfläche von mehr als 8.000 Quadratkilometern und ist damit mehr als drei mal so groß wie unser Saarland.
In dem Gebiet leben neben Elchen, Rentieren, Madern und Nerzen auch die großen Raubtiere des Nordens wie Vielfrass und Luchs. Aber auch Braunbären sind hier anzutreffen. Aktuelle Informationen zu den großen Braunen sollten wir noch aus erster Hand bekommen. Dazu aber später mehr. Im nordöstlichen Teil der Femundsmarka ist zudem auch eine Moschusochsenherde zu Hause, die aus dem Dovrefjell Nationalpark eingewandert ist. Erwähnenswert ist auch, dass Roald Amundsen mit seinem Team vor seinen großen Polarexpeditionen in der winterlichen Femundsmarka trainiert hat, da die Bedingungen hier im Winter vergleichbar mit den Regionen nahe der Pole sind.
Ankunft am Femundsee
Der See zeigte uns gleich bei unserer Ankunft seine rauhe und ungemütliche Seite. Es war sehr windig und auf der Weite des Sees zeigten sich viele Schaumkronen. Auf einem Binnensee habe ich noch nie zuvor solche Wellen erlebt. Die kannte ich nur von der Nordsee und dem Atlantik.
Auf dem Campingplatz "Femundtunet" am Femundsend (so wird das Südende des Sees genannt) errichteten wir uns Basislager.
Neben einem älteren Ehepaar, mit dem Wohnmobil auf der Durchreise, waren wir die einzigen Gäste.
Eigens für uns wurde die Wasserzapfstelle in der Nähe unseres Zeltes wieder angestellt, denn diese war wegen der oft frostigen Nächte noch nicht in Betrieb genommen.
Heute gab es Bratkartoffeln und für jeden ein leckeres Bier. Letzteres wollte heute aber nicht so richtig munden, da die Außentemperatur am Abend deutlich unter die 5 Grad-Marke fiel und auch das sonst so beliebte Gesöff dann auch ähnlich temperiert war.
Da selbst auf der windgeschützten Seite unseres Zeltes eine gewisse Ungemütlichkeit aufkam, wenn man sich nicht bewegte, beschlossen wir, die Gegend noch ein wenig zu Fuß zu erkunden. Es war bereits nach 22:00 Uhr, aber die Sonne stand noch immer am Horizont.
Nach unserer abendlichen Excursion in die Umgebung verbrachten wir noch einige Zeit am Stand des Femundsees, bis uns Wind und Kälte zum Zelt zurücktrieben. Trotz langer Unterhosen und Fleecejacken war die abendliche Kälte deutlich zu spüren. Ich glaube zu diesem Zeitpunkt machte sich in unseren Köpfen ein gewisses Unbehagen breit, wenn die Gedanken auf den morgigen Tag fielen, an dem wir paddeln wollten. Vor dem Schlafen gehen gab es noch einen heißen Früchtetee mit einem Schuss Rum zum Aufwärmen. Dann krochen wir in die warmen Schlafsäcke und ich glaube es dauerte keine fünf Minuten und wir waren im Reich der Träume.
Der nächste Morgen
Gegen sieben Uhr am nächsten Morgen wachte ich auf. Noch im warmen Schlafsack liegend spürte ich die Kälte in meinen Gesicht und sah meinen Atem. Es war bitterkalt. Mein verschlafener Blick aus dem Zelt bestätigte meine Befürchtungen. Die Wolken hingen tief über der Landschaft und Sprühregen der mir wegen des starken Windes in die Wangen biss, ließ mich recht schnell munter werden. Meine Reisepartner schließen noch tief und fest und schnarchten um die Wette.
Ich bereitete erst einmal heißes Wasser. Im Schutze des Zeltes genoss ich die erste Tasse Kaffee und nachdem ich richtig wach war beschloss ich Bannoks zu backen. Dafür hatte ich extra Fertigbackmischungen eingekauft, die ich unter Zugabe von Wasser und etwas Rapsöl zu einem geschmeidigen Teig verarbeitete. Um den Teig ein wenig "gehen zu lassen" füllte ich eine kleine Menge Wasser in den großen Topf meines Kochgeschirrs und erhitzte dieses auf meinem Kocher bis es lauwarm war. Anschließend stellte ich den kleineren Topf in dem ich den Teig angerührt hatte dort hinein, deckte alles ab und wartetete gut 15 Minuten. Danach hatte der Teig eine gute Konsistenz und unter Zugabe von etwas Mehl wurde der Teig endverarbeitet.
Da ich mich während der ganzen Prozedur bewusst nicht gerade leise verhalten hatte, war nun auch Olli erwacht und kroch aus dem warmen Schlafsack. Just bekam er erst einmal eine Kaffee um die morgendliche, bei ihm übliche Laune, zu vertreiben. Schon bald bruzzelten die ersten Bannoks in der Pfanne. Olli grinste und auch Matthias konnte dem Geruch des frischen Backwerks nicht widerstehen, denn auch er verließ nun seinen warmen Schlafsack. Nach einem ausgiebigem Frühstück mit Marmeladenbannoks und Bannoks mit geschmolzenem Käse war die Laune trotz des nasskalten Wetters wieder gut. Aber paddeln wollten wir bei diesem Wetter nicht, zumal es immer noch aus Richtung Norden andauernd stürmte und große Wellen das Geschehen auf dem See prägten.
Wir beschlossen daher, an diesem Tag den Gutulia Nationalpark zu besuchen und fuhren auf der Ostseite des Femund nach Norden.
Nach kurzer Zeit auf der Schotterpiste zweigte ein Waldweg ab zum Gutulia. Der Weg war sehr schlecht . Schlaglöcher machten die Weiterfahrt zur Schaukelpartie. Wer hier mit Kanus auf dem Dachgepäckträger unterwegs ist, sollte diese gut verzurren und auch zwischendurch ruhig mal die Gurte nachspannen.
Im Park angekommen erkundeten wir die Gegend und liefen entlang des Sees Gutulisjøn. Eine unwirtliche aber schöne Gegend.
Der Waldboden war sehr feucht. Überall zwischen steinen und Bäumen befand sind unter einer üppigen Pflanzenschicht Wasser. Es war, als laufe man über einen großen Schwamm. Nur gut wenn Gummistiefel im Reisegepäck nicht fehlen.
Es war Mittag geworden, als wir den Gutulia Nationalpark verließen. Wir beschlossen noch weiter bis nach Elga, dem einzigen richtigen Ort am östlichen Femundsee, zu fahren.
Beeindruckt von der Landschaft hielten wir sehr oft an und erkundeten das Umland.
Auch die Sonne zeigte sich immer wieder für kurze Zeit und vermittelte ein wenig frühlingshafte Wärme
Elga
Am späten Nachmittag kamen wir in Elga an. Der Ort besteht nur aus wenigen Häusern und einem kleinen Laden, der zugleich als Post- und Tankstelle fungiert. Unten am See befindet sich der Anleger für die "Femund 2" - einem alten Dampfschiff aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts. Heute wird das Schiff jedoch von einem Dieselmotor angetrieben und bringt Nordlandreisende wie Wanderer und Kanuten zu verschiedenen Punkten im Femundsee. Nördlich von Elga gibt es keine Straßen mehr und die "Femund 2" ist die einzige Möglichkeit weiter nach Norden vorzudringen, es sei denn man tut dieses aus eigener Kraft auf Schusters Rappen oder mit dem Kanu.
Bärengeschichten in der Fjellstube
Oberhalb des Anlegers der "Femund 2" befindet sich eine Fjellstube die von einer hier ansässigen Familie betrieben wird. Hier wollten wir etwas essen.
Der Gastraum der Fjellstube war urgemütlich. Wir waren die einzigen Gäste. Anwesend war nur ein junger Mann, der wohl zur Familie gehörte. Zum Glück sprach er perfekt Englisch und gab uns zu verstehen, dass wir gern etwas essen könnten, aber wir müßten auf seine Mutter warten, die gerade weggefahren war. Kein Problem, denn wir hatten ja Zeit. Während draußen der Sturm heulte saßen wir endlich mal im Warmen und tranken zunächst erst einmal etwas. Nach einer dreiviertel Stunde erschien dann die Dame des Hauses, begrüßte uns sehr herzlich und fragte ebenfalls in einem guten Englisch, woher wir denn kommen würden. "Germany" entgegnete ich. Zu meiner Verwunderung wurde das Gespräch von der Dame des Hauses nun in einem gut verstänlichen Hochdeutsch fortgesetzt. Auf meine Frage hin, warum sie denn so gut deutsch spreche, erzählte Sie, dass sie als junge Frau in Deutschland studiert hatte und hier in Norwegen Zeit Ihres Lebens Deutsch an einem Gymnasium unterrichtet hatte.
Meine zwei Mitstreiter bestellten Elch und ich ein Gericht mit Lachs, da ich nicht gerade der große Fleischfan bin. Das Essen war übrigens spitze.
Nachdem die Teller abgeräumt waren, setzte sich die Dame des Hauses zu uns und lud uns noch zum Kaffee trinken ein.
In dem folgenden Gespräch erfuhren wir mehr über die Gegend, als in jedem Reiseführer oder den Weiten des Internets zu finden ist.
Wir hörten allerlei Geschichten über die Schönheit und Wildheit der Gegend, aber auch einiges über die sehr langen und kalten Winter, in dem sich wegen der anhaltenden Dunkelheit oft auch bei den Einheimischen Depressionen breitmachen.
Sie erzählte auch, dass im Winter auf dem Eis des Femund ein Flugplatz errichtet wird um die Versorgung der wenigen in der Gegend lebenden Menschen sicherzustellen.
Dann kamen wir auf ein für mich spannendes Thema zu sprechen. Auf die hier lebenden Bären. Während Bären in weiten teilen Norwegens nahezu ausgerottet wurden, gibt es laut unseres Gastgeberin immer wieder Begegnungen zwischen Mensch und Bär in der Femundsmarka. Erst vor vier Tagen, so berichtete sie uns, sei am Ortseingang von Elga ein Elch von einem Bär gerissen worden. Die Überreste des Elches wurden am nächsten Morgen von den Einwohnern beseitigt. Aber auch ihre Nachbarin, so erzählte sie weiter, hatte am Tag zuvor gleich zwei Bären gesichtet, als Sie mit dem Auto südlich von Elga unterwegs war.
Unsere Augen wurden wohl immer größer. Sie lachte und sagte wir sollten uns jetzt bloß keine Sorgen machen, denn die Bären hätten einen großen Respekt vor dem Menschen und würden sofort das Weite suchen, wenn Sie unsere Witterung aufnehmen. Die Bären kommen vom Osten aus dem großen Rogen Naturreservat in Schweden hier herüber. Meist sind es wohl junge männliche Bären, die auf der Suche nach einer Partnerin oder einem eigenen Revier sind.
Die Einwohner von Elga nennen den Braunbär hier liebevoll "Rolf Ole Brumm" und stellen sogar Schilder an den Orten auf, an denen Sie Bären gesichtet haben.
Und Sie erzählte von Elchen, die im Frühjahr, sobald die Bergtundra schneefrei ist, dorthin abwandern, da dass Nahrungsangebot dort dann besser ist, als hier unten am See. Im Winter aber, wenn die Bergkuppen wieder von Schnee bedeckt sind, würden die Elche zu Hunderten am Femund auftauchen und die Nadeln und die Rinde der hier in großer Zahl vorkommenden Kiefern fressen.
Nach gut zweieinhalb Stunden voller spannender Geschichten und vielen Informationen zur Umgebung verabschiedeten wir uns von unserer netten Gastgeberin und machten uns auf den Rückweg zu unserem Basislager.
Rentiere
In den Wäldern rund um Elga lässt eine Samenguppe mehrere tausend Rentiere weiden, die in kleinen Herden überall anzutreffen sind
Die Sorka
Gut acht Kilometer nördlich von Femundsend entfernt, mündet die Sorka in den östlichen Femundsee.
Kurz oberhalb der Mündung befindet sich auch das "Femund Canoe Camp". Hier können Kanadier in verschiedenen Größen gemietet werden und auch der schön gelegene Zeltplatz lädt zu einem längeren Aufenthalt in diesem Wildniscamp ein.
Interessant ist aber auch die Homepage der Betreiber, auf der es viel wissenswertes über das Femundgebiet zu erfahren gibt.
Keine Wetterbesserung in den folgenden Tagen
Auch an den folgenden Tagen änderte sich am dem Wetter nichts. Es blieb kalt. Der Wind machte nur kurze Verschnaufpausen um immer wieder mit aller Kraft aus nördlicher Richtung den Femundsee in einen Hexenkessel zu verwandeln.
Trotz der Sonne die sich auch mal blicken ließ, wurde die 10-Gradmarke nicht überschritten.
Mit dem Kajak auf dem Isteren
Da wir endlich wieder in die Boote wollten, beschlossen wir, ein paar Tage auf dem Isterensee zu verbringen und diesen genau zu erkunden. Geplant hatten wir diese Tour ja ohnehin. Nur hatte ich mir für diese Tour besseres Wetter gewünscht, da es im Isteren viele Sandstrände gibt, die im Sommer auch zum Baden einladen. Der Sommer hatte aber in die Femundsmarka längst noch keinen Einzug gehalten.
Kurzerhand und entschlossen packten wir unsere Ausrüstung zusammen, wählten Lebensmittel für die nächsten Tage aus und fuhren mit unseren Autos zu dem nur etwa 3 Kilometer entfernten Parlplatz am südlichen Isterensee. Die Kajaks befanden sich ja noch auf den Dachträgern, da wir ja wegen des anhaltenden kalten und stürmischen Wetters noch nicht zum paddeln gekommen waren.
Am Parkplatz angekommen ging dann alles recht flott. Boote abladen, zum Wasser tragen und die Ausrüstung in den Bäuchen unserer Kajaks verstauen. Ja, darin waren wir schon routiniert und so waren wir innerhalb einer halben Stunde bereits auf dem Wasser.
Im südlichen Isteren mit Ausblick auf das Sølenmassiv, den höchsten Bergen in der Umgebung, die gleichzeitig die südwestliche Grenze des Gebietes darstellen
Wir fuhren auf der Ostseite des Sees nach Norden, erkundeten Inseln und unzählige Buchten.
Auch Petrus war uns frohgesinnt und schickte auch mal ein paar Sonnenstrahlen zu uns in die Taiga.
Am Nachmittag erreichten wir schließlich die Mündung der Sømaa, die hier in den nordwestlichen Isteren mündet. Da kaum Strömung zu verspüren war fuhren wird einige Kilometer in dieses herrliche Flussdelta hinein und wurden mit wunderschönen Einblicken in diese wilde Natur belohnt. Immer öfter zeigte sich nun auch die langersehnte Sonne und so setzten wir unsere Erkundungen bis zum Abend fort.
Beeindruckt von dieser gewaltigen Weite und der Schönheit der umliegenden Wildnis waren wir ganz still geworden. Jeder genoss diesen Anblick voller Ehrfurcht für sich allein.
Das Sømaadelta ist geprägt von weitläufigen Feucht- und Sumpfgebieten an denen sich in der Ferne die Bergtundra anschließt. Der Isterensee ist nur geringfügig niedriger gelegen als der Femund und auch hier ist die Baumgrenze nicht fern.
Wir konnten uns nicht satt sehen. Aber wir mussten weiter, da wir noch kein Lager für die kommenden Nacht gefunden hatten.
So paddelten wir zurück in den Isteren. Wir wollten heute Abend auf jeden Fall noch den "Bjornfjorden" zu deutsch Bärenfjord - so wird der Seeteil des nördlichen Isteren genannt - erreichen.
Zunächst fuhren wir an der Insel "Krakholmen" vorbei in Richtung Osten.
Im Wasser befanden sich In der Nähe des Ufers einige Steine dicht unter der Wasseroberfläche. Oft konnten wir diese frühzeitig ausmachen und umfahren. Aber die ein oder andere Kollision war nicht zu vermeiden. Nur gut, dass unsere Kajaks aus PE (Kunststoff bzw. Plastik) waren. Ja, ich weiss, alle Gfk-Kajakfahrer denken jetzt wieder PE versaut den Charakter. Aber ehrlich, wir alle waren froh in einem unverwüstlichen Plastikkajak zu sitzen!!!
Im Bärenfjord
Der Bärenfjord war schon bald erreicht. Da es bereits Abend war, suchten wir entlang des Seeufers nach einem geeigneten Lagerplatz.
Kurz hinter einer Landzunge am Eingang des Bärenfjordes wurden wir fündig. Ein herrlicher Sandstand, gut 15 Meter breit, erschien uns ideal.
Anlanden, Lage peilen und nach gut 20 Minuten standen unsere Zelte.
Erst jetzt wurde uns richtig bewusst, wie schön es hier war. Ein herrlicher Ausblick auf den See und die umliegenden Berge , hinter uns ein großes Feuchtgebiet mit lichtem Wald. Einen schöneren Lagerplatz konnten wir uns nicht vorstellen. Als nun auch noch die Mitternachtssonne alles in einem goldenen Licht erstrahlen ließ, war das schlechte Wetter der vergangenen Tage schnell vergessen.
Wir aßen Pasta mit Pesto und genossen die Flasche Rotwein, die wir auch ohne Korkenzieher aufbekamen, den ich wohl in der Eile vergessen hatte einzupacken.
Noch lange, bis nach Mitternacht, genossen wir dieses schöne Panorama vor unseren Zelten sitzend. Geredet wurde nicht viel, aber was will mach schon groß sagen, bei so einem Ausblick.
Der nächste Morgen begann zunächst noch mit einigen Sonnenstrahlen, doch aufziehende dunkle Wolken kündigten wieder einer Wetterwechsel an.
Wir schafften es zum Glück noch im Trockenen zu frühstücken und die Zelte abzubauen. Als alles verpackt war, hatte der Regen bereits das gegenüberliegende Seeufer erreicht. Ein Regenbogen zeigte sich am Horizont. Es wurde Zeit, dass wir in die Boote kamen.
Der Sturm
Wir wollten heute noch unseren "Bärenfjord" umrunden und die Einfahrt in einen kleinen See suchen der sich im Norden des Isteren befinden sollte. Als wir am linken Ufer entlang fuhren begann es zu regnen. Erst mäßig, dann immer kräftiger. Wie sollte es auch anders sein, war von einer Minute zur anderen auch der Wind wieder da. Innerhalb weniger Augenblicke frische es derart auf, daß eine Weiterfahrt auf unserem gewählten Kurs nicht mehr möglich war. Während der gesamten letzten Tage hatten wir immer starken Wind aus Nord bis Nordwest. Jetzt wehte es von Süd bis Südost. Die Wellen trafen und seitlich von rechts. Bereits überall auf dem See waren unzählige Schaumkronen zu sehen. Wasser wurde vom Wind aufgewirbelt. Wir drehten bei und fuhren gegen den Wind auf den See hinaus. Wir wollten den nördlichen Teil des Isteren bis zur Ausfahrt aus dem Bärenfjord queren. Die einizige Chance die wir hatten, wollten wir die Fahrt nicht unterbrechen. Draußen auf dem See, knapp einen Kilometer vom Ufer entfernt, wurden dann die Wellen immer größer. Der Wind hatte sich in einen Sturm verwandelt.
Der Bug unserer Kajaks wurde steil angehoben. Nach jeder Welle verschwand der Bug dann meist vollständig im Wasser. Je nach der Länge der Wellentäler hob uns dann die nächste Welle wieder an oder klatsche uns vor die Brust. Wir blieben dicht zusammen. Verständigung war nur noch durch Handzeichen möglich, denn auch Rufen und Schreien war nicht mehr zu verstehen und wurde von den Winden übertönt. Bis zur nächsten größeren Landzunge die etwas Schutz versprach legten wir gut vier Kilometer zurück (die Distanz habe ich später nachgemessen, weil mich das interessierte). Wir brauchten dafür mehr als eine Stunde, obwohl wir mit aller Kraft paddelten. Mit brennenden Muskeln legten wir im Schutz der Landzunge eine Pause eine. Es goss dabei aus allen Kübeln, aber wir waren glücklich ohne Zwischenfall angekommen zu sein.
Als wir nach der Verschnaufpause weiterfuhren legte sich der Sturm langsam wieder.
Bei einer Windstärke von ca. 4 Beaufort setzen wir unseren Kurs fort Es waren zwar immer noch große Wellen da und auch einige Schaumkronen, doch im Vergleich zu dem was wir hinter uns hatten, war die Weiterfahrt fast schon entspannend.
Im Laufe des Tages schwächte der Wind noch weiter ab und es hörte zum Glück auch auf zu regnen, denn wir waren sehr nass geworden. Auf der nächsten Landzunge war daher ersteinmal ein Klamottenwechsel notwendig.
Am späten Nachmittag waren wir bereits wieder im südlichen Teil des Isteren angelangt. Aber wir wollten noch das Gebiet im Mündungsbereich der Gløta erkunden. Die Gløta ist ein 2,5 km langer Flussabschnitt zwischen dem Femund und dem Isteren.
Wir konnten die Gløta noch nicht sehen, aber bereits von Weitem war das Getöse zu hören. Bereits 50 Meter vor dem Eintritt des Flusses war eine deutliche Strömung zu spüren. Wir peilten ein Kehrwasserbereich am rechten Ufern an und stiegen aus, was wegen der vielen Steine im Wasser recht lustig augeschaut haben muss.
Olli unser Wildwassercrack war kaum noch zu halten und wir maschierten im Gänsemarsch ein paar hundert Meter am unwegsamen Flussufer hinauf. Das Grinsen war nicht mehr aus Ollis Gesicht zu bekommen. Mit fachmänischem Blick stellte er fest es handelte sich um Wildwasser im Schwierigkeitgrad III weiter oben vielleicht auch IV. Olli sehnte sich nach seinem Wildwasserboot, aber das stand nun leider viele Kilometer entfernt im Bootshaus des Rintelner Kanuclubs.
Wieder zurück in unsren Kajaks fuhren wir gemütlich an kleinen Inseln vorbei zum Südende des See`s. Der Wind war nun vollkommen verschwunden, was wir erst bemerkten, als das Getöse der Gløta in der Ferne verstummte.
Das war also unsere Isterentour. Für mich persönlich waren das die schönsten Kilometer meines Kanutendaseins. Eine so spektakuläre Landschaft hatte ich in meinem Kajak sitzend noch nicht erlebt.
Wenn die Wetterlage es zulässt ist es sicher sinnvoll, eine Isterentour auf vier Tage auszuweiten und diese herrliche Gegend ausgiebig zu genießen.
Das andere Gesicht des Femundsees
Als wir gegen Abend zurück in unser Lage im Femundtunet ankamen, lag der See vor uns wie ein großer Spiegel. Nur ab und zu kräuselte sich das Wasser in sanften Windböen, die kaum zu spüren waren.
Am nächsten Tag sollte unsere große Femundtour starten.
In vier Tagen wollten wir den Femundsee von Süd nach Nord durchpaddeln und dabei die Insel Storholmen und vor Allem das Tufsingadelta, ein Flussmündungsgebiet in der Mitte des Femundsees, erkunden. Vom Nordende des Femundsees sollte es mit dem Schiff "Femund 2" zurück bis nach Elga gehen und dann am Ostufer entlang zurück bis zu unserem Basislager am Femundsend.
Die Voraussetzungen waren ja nun endlich mal gegeben.
Die folgende Nacht war wieder sehr kalt. Gut vermummelt verbrachte ich mit meiner Kamera bewaffnet mehr als zwei Stunden am Seeufer und war begeistert, die verschiedenen Lichtstimmungen zu fotografieren zu dürfen.
Es wurde die wohl kälteste Nacht, die wir hier verbringen sollten. Und ich glaube es herrschte bereits leichter Frost als ich gegen 2:00 Uhr in meinen warmen Schlafsack kroch.
Nach gut drei Stunden wurde ich unliebsam geweckt. Die Zeltplane vibrierte lautstark. Völlig schlaftrunken brauchte ich ein wenig bis ich begriff was los war. Der Sturm war wieder da. Es blies so heftig, dass ich dachte unsere Zelt würde jeden Moment aus der Verankerung gerissen werden. Nur gut, dass wir bereits vor einigen Tagen das Zelt mit zusätzliche Leinen, die Matthias glücklicherweise im Gepäck hatte, gesichert hatten. Ich machte mir dennoch Sorgen und kroch schließlich aus dem Schlafsack um die Leinen nachzuspannen, was auch bitternötig war. Ich war jetzt wach. Neugierig wie ich nun mal bin, lief ich die 50 Meter bis zum Seeufer um mal zu gucken wie das da so ausschaut. Tja, was soll ich sagen. Wellen von ca. einem Meter Höhe rollten an unseren Strand und brachen sich bereits weit entfernt. Der See schäumte. Überall dort, wo Steine das Seeufern säumten, spritzte die Gischt mehrere Meter in die Höhe.
Nachdem ich einige Minuten dieses grandiose Schauspiel betrachtet hatte merkte ich wie die Kälte in meinen Körper kroch. Ich hatte ja nur eine lange Unterhose und ein langärmliges T-Shirt an.
Zurück im Schlafsack zitterte ich die nächste halbe Stunde erbärmlich.
Olli und Matthias schnarchten vor sich hin. Nix mitbekommen die Zwei.
Naja, der Rum für den Tee war ja auch ganz plötzlich alle.
Irgendwie wollte es nicht warm werden. Aber irgendwann schlief ich dann trotz des Sturmgebrülls wieder ein.
Unsere persönliche Grenze
Am nächsten Morgen waren wir alle sehr früh wach. Es war noch immer kalt und stürmisch. Da auch der Himmel seine Schleusen immer wieder öffnete war Frühstück im Zelt angesagt.
Das schlechte Wetter, dass sich während unserer Isterentour mal kurz von seiner lieblichen Seite zeigte, setzte sich fort. Die nasse Kälte zerrte so langsam aber sicher an unserem Nervenkostüm.
Unsere übereinstimmende Meinung, vielleicht am nördlichen Femundsee eine etwas bessere Wetterlage zu finden, verlasste uns, unser Lager hier am Südfemund abzubrechen. In einer Regenpause bauten wir im Wind das Zelt ab und verpackten alles schnell in den Autos. Zum Glück war auch schon ein Teil der Lebensmittel verbraucht und der Innenraum der Autos vergrößerte sich zunehmends.
Wir fuhren in Richtung Norden und hielten immer wieder Ausschau nach einer geeigneten Einsatzstelle. Doch Fehlanzeige. Zum einen wurde das Wetter nicht besser und der Femundsee war teilweise kilometerweit von unserer Piste entfernt.
Der Sprit wurde langsam knapp. Ich hatte zum Glück einen Vorrat von 20 Litern Benzin in den Tiefen meines Kofferraumes gebunkert. Aber Matthias ging nun langsam der Diesel aus.
Mit dem letzten Tropfen Diesel kamen wir schließlich bis in das Städtchen Røros, wo wir die Tanks dann endlich wieder füllen konnten. Røros lag aber schon außerhalb dieser großen Wildmark und so war es bereits früher Abend, als wir wieder in der Femundsmarka ankamen. Das Thermometer meines Autos pendelte sich gegen 19:00 Uhr bei 4 - 5 Grad ein. Ein Lagerplatz war noch nicht gefunden und so langsam verließ und der Mut.
Kurzerhand rief ich im fernen Deutschland an und ließ via Internet das Wetter für die nächsten Tage recherchieren.
Prognose: Temperaturen weiter fallend, die nächsten Tage so um 1 Grad. Aber es gab auch eine positive Nachricht. In Schweden ca. 600 km südlich sollte der Sommer warten, mit Temperaturen um die 20 Grad.
Wir mussten nicht diskutieren, was wir nun tun wollten, sondern entschieden uns, noch in der Nacht zurück nach Schweden zu fahren.
Aufbruch: | 16.06.2011 |
Dauer: | 17 Tage |
Heimkehr: | 02.07.2011 |
Norwegen