Darmstadt - Jugendstilzentrale Deutschlands

Reisezeit: August 2011  |  von Herbert S.

2.Rundweg-Jugendstilhäuser und ihre Überreste

Die Darmstädter Mathildenhöhe gilt als ein Zentrum des deutschen Jugendstils. Aber auch prominente Architekten, die in keinem Kontakt zur Künstlerkolonie standen, haben hier gebaut. An der stadtzugewandten Westseite entstanden, zum Teil noch bevor Ernst Ludwig die ersten Künstler berufen hatte, für wohlhabende Darmstädter Burger repräsentative Villen.

Haus Schreiner

Nikolaiweg b
Errichtet: 1912-14
Architekt: Karl oder Rudolf Schreiner
Der wohlhabende Bauherr Dr. Ludwig Schreiner ließ sich zwischen 1912 und 1914 am Hauptweg zur Mathildenhöhe eine Privatvilla errichten. Er beauftragte damit den mit ihm verwandten Architekten Schreiner. Es ist allerdings nicht eindeutig, ob der Regierungsbaumeister Karl Schreiner oder Rudolf Schreiner, der als wissenschaftlicher Assistent bei Professor Pützer angestellt war, federführend gewesen war.

ein würfelförmiger Bau mit einer Kantenlänge von 12 Metern, der mit einem Zeltdach abschloß

ein würfelförmiger Bau mit einer Kantenlänge von 12 Metern, der mit einem Zeltdach abschloß

Haus Mühlberger

Nikolaiweg 9
Errichtet: 1905 Architekt: Friedrich Pützer (1871-1922)
In die 1905 für Dr. Mühlberger erbaute Villa zog 1921 ein prominenter Bewohner ein. Der Verleger Otto Reichl war 1918 auf Einladung des Großherzogs Ernst Ludwig von Berlin nach Darmstadt übergesiedelt und hatte hier zusammen mit Graf Keyserling die Schule der Weisheit gegründet.

Der Architekt Friedrich Pützer hatte die Villa als kubischen Bau geplant, dem er durch angefügte Bauglieder wie den nach Süden orientierten Wintergarten, die beiden an der Hauptfassade plazierten Erker sowie die auskragenden Fenster an der Ost- und Westseite ein plastisches Erscheinungsbild gab. Die zur Mathildenhöhe hin gelegene Ostseite sowie die Südseite des Gebäudes sind durch verzierte Schmuckgiebel deutlich als Schauseiten gekennzeichnet.

Haus Pützer

Alexandraweg 8
Errichtet: um 1901 Architekt: Friedrich Pützer (1871-1922)
Der Außenbau der mit verschachtelten Walmdächern gedeckten Villa ist schlicht mit einfachen Putzlisenen gegliedert.

Haus Kaiser

Alexandraweg 6
Errichtet: um 1903 Architekt: Heinrich Metzendorf (1866-1923)
Ein Bombeneinschlag beschädigte 1944 den Dachstuhl der Neetzendorf-Villa, aber erst in den 60er Jahren wurde mit einem vereinfachten Wiederaufbau des gesamten Gebäudes begonnen. Heute befindet sich die Villa im Besitz der Alten Darmstädter Burschenschaft Germania.

Metzendorf hat die vom Kaufmann Georg Kaiser In Auftrag gegebene Villa mit einer aufwendig verzierten und lebhaft gestalteten Fassade versehen. Das Zusammenspiel der gewellten Giebellinie, der Erker, der vorspringenden Fenster, der Fensterläden sowie der künstlerisch bearbeiteten Steine verliehen dem gesamten Bau ein malerisches Erscheinungsbild

Metzendorf hat die vom Kaufmann Georg Kaiser In Auftrag gegebene Villa mit einer aufwendig verzierten und lebhaft gestalteten Fassade versehen. Das Zusammenspiel der gewellten Giebellinie, der Erker, der vorspringenden Fenster, der Fensterläden sowie der künstlerisch bearbeiteten Steine verliehen dem gesamten Bau ein malerisches Erscheinungsbild

Die Fassade schmückt noch heute ein vom Bildhauer Ludwig Habich (1872-1949) gestaltetes Kalksteinrelief, auf dem ein Schäfer dargestellt ist.

Die Fassade schmückt noch heute ein vom Bildhauer Ludwig Habich (1872-1949) gestaltetes Kalksteinrelief, auf dem ein Schäfer dargestellt ist.

Dreihäusergruppe

Prinz-Christians-Weg 2 + 4 Stiftstraße 12
Errichtet: 1903-1904 zur zweiten Ausstellung der Künstlerkolonie 1904
Architekt: Joseph Maria Olbrich (1867-1908)

blaues Haus:
Heute sind vom Originalzustand nur noch die Nordwand mit dem Erker, der Eingang und Teile der Verkleidung aus blauglasierten Klinkern zu erkennen, die für das Haus namensgebend waren.

zum Vergleich ein am Haus angebrachtes zeitgenösssiches Foto

zum Vergleich ein am Haus angebrachtes zeitgenösssiches Foto

Eckhaus
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das stark beschädigte Haus verändert wiederaufgebaut. Dem Originalentwurf entsprechen heute nur noch Teile der Außenwände, die Umfriedung mit dem Gartentorbogen und in Grundzügen der Eingangsbereich. Beim Wiederaufbau 1949/50 wurde das Motiv der Klinkerbänder gestalterisch aufgenommen. Das ehemalige Eckhaus prägte ursprünglich eine besondere Art von Fachwerk mit senkrechten Holzlisenen im gesamten Dreiecksgiebel, die im unteren Teil in roten Klinkern weitergeführt wurden. Daher trug es damals auch die Bezeichnung Holzgiebelhaus.

heute Putz- und Klinkerlisenen - damals Holzlisenen

heute Putz- und Klinkerlisenen - damals Holzlisenen

Vom Grauen Haus oder Predigerhaus - dem 3. Gebäude der Eckgruppe ist leider nichts erhalten geblieben, da das Haus zugunsten eines Neubaus abgerissen wurde, obwohl die Außenmauern nach 1945 noch erhalten waren.

Haus Becker/ Bornscheuer

Prinz-Christians-Weg 6 + 8
Errichtet: 1900/01 - 1944 zerstört und in den 50er Jahren originalgetreu wiederaufgebaut.
Architekt: Friedrich Pützer (1871-1922 )
1901 ließen sich die beiden Finanzräte Dr. Becker und Bornscheuer von Friedrich Pützer am Fuß der Mathildenhöhe eine Doppelvilla errichten. Im Krieg brannte das Gebäude bis auf die Umfassungsmauern nieder. Schon ein Jahr nach Kriegsende begann unter Leitung des ehemaligen Bürgermeisters und Stadtbaurats August Buxbaum der streng am ursprünglichen Zustand orientierte Wiederaufbau. Aufgrund kriegsbedingter Materialknappheit zog sich der Wiederaufbau des Hauses Prinz-Christians-We Bornscheuer bis 1950, der des Hauses Becker bis 1953 hin.

Haus Ostermann

Alfred-Messel-Haus Eugen-Bracht-Weg 6
Errichtet: um 1908
Architekt: Alfred Messel (1853-1909)
Das von Alfred Messel entworfene Gebäude ist bis heute fast unverändert erhalten geblieben. Während des Dritten Reichs hatten die Nationalsozialisten die Villa Ostermann zunächst für den Sicherheitsdienst und später, nachdem die Gestapo im Neuen Palais ausgebombt worden war, auch für diese okkupiert. Die Bombenangriffe des Kriegs überstand das Messelhaus relativ unbeschadet. Seit 1952 hat hier das Institut für Neue Technische Form seinen Sitz.
Der rechteckige, symmetrisch gegliederte Bau wird von dem mittig angeordneten flachen giebelbekrönten Risalit dominiert, dessen Kanten durch kannelierte Wandvorlagen hervorgehoben sind. Die Fassade wird zusätzlich durch den über dem erhöhten Eingang befindlichen Balkon betont. Die Gartenseite des Gebäudes lockern zwei symmetrisch angeordnete halbrunde Erker auf. Der kubische Bau macht durch die rustikale Eckquaderung und das massige Mansarddach einen geschlossenen Gesamteindruck. Das Äußere der Villa präsentiert sich in symmetrischen, klassizistischen Formen, die keinerlei Anregungen von dem verspielten, dekorativen Jugendstil aufnehmen.

Nicht nur die Gebäude sondern auch die im Boden verlegten Muster gestalten den Rundgang sehr angenehm.

© Herbert S., 2013
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Aktuell ist auf der Mathildenhöhe neben der permanenten Ausstellung und den Jugendstilgebäuden noch eine Ausstellung 'Glanz einer Epoche - Jugendstil-Schmuck aus Europa' zu sehen. Da mußten wir hin.
Details:
Aufbruch: 27.08.2011
Dauer: 2 Tage
Heimkehr: 28.08.2011
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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