Spontantrip Polen (August 2013)
Danzig und Zoppot
Danzig
Die Nachtfahrt war nicht ganz so unbequem wie die vorherige. Allerdings fuhr der Zug aus Warschau mit gut 45 min Verspätung, zwischendurch wachte ich auf und stellte fest, daß wir über 1h20 zu spät waren. Auf eine entsprechende Ankuftszeit richtete ich mich dann auch ein. Dummerweise holten wir gewaltig auf, so daß ich plötzlich in Danzig aufwachte (nur 20 min verspätet) als der Zug schon stand. Schnell schlaftrunken aus dem Abteil gestürzt, den Herrn, der mich schon die ganze Nacht getreten hatte noch kräftig angerempelt und angeschnauzt. H., schon vorne weg, sagt: "Die Tür geht noch nicht auf." Nach zwei Minuten probiere ich es -- natürlich geht die Tür auf, wir stolpern auf den Bahnsteig, gerade als der Zug wieder anfährt. Eine Schaffnerin am Bahnsteig stürzt dem Zug hinterher und schließt die noch offene Tür. Jetzt ist erstmal ein Anschiß fällig! Erst später fällt mir ein, daß H. die alten Türgriffe, die man mit Schwung drücken und dann die Tür treten muß, ja gar nicht mehr kennt -- er ist ein Kind des Druckknopfalters.
Im Bahnhof gönnen wir uns beide eine Dusche (12 Zl) -- die Klofrau auch ein Kind der unfreundlichen alten Zeit -- in der gepflegten Anlage.
Kurz nach sieben geht es dann auf zum Stadtbummel. Danzig ist nach den 90%igen-Verwüstungen 1944/45 in der Innenstadt schön restauriert worden. Zum Frühstück gibt es eine Schale frisch gepflückte, perfekt reife Himbeeren vom Straßenstand. Die drei gekauften Lose bringen keine Aufbesserung unserer Reisekasse.
H. besichtigt das Bernsteinmuseum alleine, ich gehe in das "Postmuseum" -- enttäuschenderweise wenig mehr als ein Philatelistenschalter in einem alten Gebäude. Zumindest werden wir endlich unsere Pflichtpostkarten los, in Warschau sind wir komischerweise drei Tage lang an keinem Postamt vorbeigekommen.
In Danzig war Jahres-Flohmarkt. Etliche Stände boten "Spezialitäten aus der Region" -- ein dick geschmiertes Schmalzbrot sowie gebratene Stücke köstlichen geräucherten Käses (Oscypek) sättigen uns. Durch die Nähe zum Meer ist es zwar nicht ganz so heiß, aber deutlich schwüler. H. treibt mich ein zweites Mal durch den Markt, der wohl ein Drittel der Innenstadt bedeckt.
Zunächst kaufe ich eine Fahrkarte für den Fernbahnhof nach Zoppot. Am Bahnsteig daneben fährt jedoch die S-Bahn SKM, alle 15 Minuten, für die man andere Fahrkarten braucht. H. quengelt, der Automat nimmt erst kein Kleingeld, spuckt dann 99 grozy in Kleingeld aus!
Relativ flott gelangen wir zum Haltepunkt Sopot-K.Potok, nahe dem sich lautr Internetrecherche ein Campingplatz befinden soll, der auch auf dem Stadtplan vor dem Bahnhof noch eingezeichnet ist.
Zoppot
Nachdem wir erst diesen nicht mehr existierenden Zeltplatz suchten und H. dabei eine halbe Stunde verloren ging -- was einen ordentlichen Anpfiff zur Folge hatte, weil er doch öfter etwas zu geistesabwesend ist -- fand sich ein weiterer Platz direkt hinter der Tankstelle beim S-Bahnhof.
Der mit reichlich Schatten versorgte Metropolis-Campingplatz ist zwar auch schon älter, wird aber zur Zeit gewaltig ausgebaut und dürfte, auch wegen des netten Personals, nächstes Jahr ein echtes Juwel sein. Bis wir dann das Zelt aufgebaut hatten und geduscht waren, wurde es 5 Uhr, H. legte sich hin und holte Schlaf nach. Ich machte mich auf in den Ort, etwa 2 km den Strand runter. (Zur Geschichte des Ortes und seines in der Zwischenkriegszeit berühmten Kurhotels/Kasinos, vgl.: Nur wer tot ist, geht kein Risiko mehr ein, ISBN 978-3-8448-0977-0).
Zoppot, Geburtsstadt von Klaus Kinski (der den Psychopaten den er in seinen Rolle oft gab wohl nicht wirklich spielen mußte), ist immer noch das "exklusivste" der polnischen Ostseebäder, mit entsprechenden Preisen. Der Betrieb entlang der Hauptstraße/Fußgängerzone erinnerte mich gewaltig an Jesolo (an der Adria) in den 1970ern. Ein echter Touristen-Strip, zahlreiche Straßenmusiker, nicht alle von der Qualität, daß man zuhören möchte. Die mit 585 m längste Holzmole Europas kostet Eintritt.
Am nächsten Morgen, es war erstmals seit vier Wochen leicht wolkig, haben wir uns dann an den sauber gehaltenen Strand gelegt. In Hörweite eine polnisch-deutsche Familie (2 Kinder, Mutter, deutsche und polnische Oma), der Aussprache nach eindeutig Oberbayern. Nun wollte die sich gegen Mittag die deutsche Oma R. absolut nicht zum Essen einladen lassen. Das Gebitte ging fast eine halbe Stunde, bis ich aufstand und eingriff: "R., jetzt schau' daß'd zum Essen mitgehst, damit endlich wieder a Ruah is' am Strand!" -- Sie war etwas baff, ist dann aber doch brav mitgegangen: "Wenn ich hier noch länger bleibe könnt' ihr mich heimkugeln." -- Polnisches Essen ist schließlich nicht von der kalorienarmen Sorte.
Am Nachmittag sind wir beide dann zusammen in den Ort. Zuerst gab es einen wirklich guten, frisch zubereiteten, Hamburger (je nach Belag 15-19 Zl). H. brauchte dringend einen Haarschnitt. Im aufgesuchten Salon zwei Friseusen. Die eine produzierte während wir warteten wirklich gut aussehende Ergebnisse. Von der zweiten sagten wir, daß der Kunde einen Russen-Mafia-Haarschnitt hatte. Nun kam H. dummerweise bei Friseuse 2 an die Reihe (ich wartete an der frischen Luft). Nachdem er mit dem ersten Ergebnis nicht sehr zufrieden war, gabs massive Sprachprobleme, statt wie ein Türsteher auszusehen, verließ er den Laden mit einem 3mm-Häftlingsschnitt. Naja, die wachsen wieder.
Rückfahrt
Für den Zug nach Stettin zahlten wir überraschend teuere 124 Zl (von Warschau nach Danzig hatten 100 km mehr 134 Zl. gekostet), dafür hatten wir aber auch ein 6er-Abteil für uns allein. Die drei von mir inspizierten Toiletten waren sämtlich "im indischen Zustand." In Stettin wartete noch ein DB-Anschlußzug nach Bln.-Gesundbrunnen, das wir gegen 22°° erreichten.
H. wollte auf den einen Tag, den wir für Berlin geplant hatten (zu viel in der Hitze von Städten herumgestapft), verzichten. Neben dem toilettenfreien Bahnhof Bln.-Gesundbrunnen gab es nur eine offene Currywurstbude. Uns war das Wasser ausgegangen, er wollte etwas kaufen. Glauben konnte er nicht, daß an besagter Bude seine Chance gleich Null wären. Tatsächlich gab es dort weder warme Milch, noch sonst irgend etwas alkoholfreies, die Würste allerdings "mit" oder "ohne Darm" -- Mahlzeit. Wir nahmen also den nächstbesten Anschluß Richtung Süden.
Von Jüterbog gab es wieder einmal SEV nach Friedberg/E. Dort um 1.30 angelangt, legten wir uns unter freiem Himmel auf die Wiese bis um 5 der erste Zug nach Leipzig fuhr. In den Schlaf lullten uns Schlager aus der nahen Bauerndisco.
Im leipziger Hauptbahnhof sind wir dann in das Café oben in der Haupthalle. Besagter Bahnhof ist wirklich keine Dorfklitsche, in einem gastronomischen Betrieb an solch exponierter Stelle erwarte ich auch Samstag Früh einen halbwegs kompetenten Service. Wir bestellten zwei süße Teilchen und Kaffee. Ich setzte mich nach draußen mit den Teilchen, während H. drinnen auf die Getränke wartete und zahlen sollte. Dummerweise hatte sich die Dame nicht mit hinreichend Kleingeld versorgt. Sie wollte auch nicht wechseln gehen. Nach etwas Hin und Her verlangte sie, sehr pampig, die Teilchen zurück, eines davon hatte ich schon halb gegessen. Auf die Frage, ob ich "den vorverdauten Teil auch wieder abliefern" müsse, reagierte sie nicht erfreut. Ich konnte mir darauhin nicht verkneifen auch auf das andere Teilchen zu spucken, so daß sie es keinesfalls weiterverkauft. Dies führte dann zu einer nicht mehr druckreifen weiteren Eskalation ... (Mit ihrer Einstellung konnte man früher vielleicht Bananen bei der HO verkaufen ...)
Ich hoffe, die Aktion hat den gewünschten pädagogischen Effekt und die Dame bereitet nächste Woche genügend Wechselgeld vor. In der Kaffebude die Treppe runter war die Bedienung freundlich, Kleingeld vorhanden, der Kaffee konnte Tote aufwecken und H. genoß zwei gut zubereitete Spiegeleier. Bravo -- So geht's auch!
Über Chemnitz -- diese Stadt darf nicht mehr nach dem bedeutendsten deutschen Philosophen mosaischen Glaubens heißen -- nach Nürnberg und dann München waren wir überraschend flott schon am frühen Nachmittag wieder in M.
Aufbruch: | 02.08.2013 |
Dauer: | 9 Tage |
Heimkehr: | 10.08.2013 |