Island zum Reinschnuppern im tiefsten Winter
Golden circle und lava caving
Okay, um 07.00 Uhr aufstehen, Nasszelle unter Wasser setzen (das heiße Wasser aus der Dusche riecht ganz leicht nach Schwefel, und schmeckt auch so - wie ich beim Zähneputzen bemerke), aber das ist natürlich der absolut umweltfreundlichen Warmwasserversorgung aus Islands vielen Geothermalquellen geschuldet und stört auch gar nicht.
Ich finde mich im Keller des Hotels zum Frühstück ein und es ist super-süß: 4 gedeckte Plätze und ein kleines, aber wirklich feines Bio-Büffet aus vorwiegend einheimischen Produkten erwarten mich, wie z.B. isländischer Lammschinken, isländischer Räucherlachs, Käse aus der Milch glücklicher einheimischer Schafe, hausgemachte Marmelade und sogar Gurken und Tomaten aus isländischen Gewächshäusern, denn: Was irgendwie geht, wird hier auch angebaut und die stromfressenden Gewächshäuser können ja trotzdem umweltfreundlich beheizt und beleuchtet werden, dank der Geothermalenergie aus Islands brodelndem Untergrund.
Was ich so richtig krass finde: Es steht eine Flasche "Schnaps" parat mit Schnapsgläsern daneben. Vom isländischen National-Gesöff "Brennivín" - auch der "schwarze Tod" genannt (wegen des schwarzen Etiketts auf der Flasche und der Entstehungsgeschichte zu Zeiten der Prohibition) - hatte ich schon gehört, aber das gibt´s doch wohl selbst hier nicht zum Frühstück ??? NEIN ! Natürlich nicht ! Es ist Lebertran, ein Öl, das aus der Leber von Fischen wie Kabeljau, Dorsch, Schellfisch und Hai gewonnen wird. Es soll ja unfassbar gesund sein, täglich ein Schnapsglas Lebertran zu kippen. Meine Mutter hat mir später erzählt, dass selbst sie in ihrer Kindheit in der Nachkriegszeit mit einem Löffel/Tag Lebertran gequält wurde. Lebertran ist reich an den heutzutage so heftig beworbenen Omega-3-Fettsäuren, Jod, Phosphor und den Vitaminen A, D und E. Dennoch ist hierzulande Lebertran völlig aus der Mode gekommen, es riecht schon so eklig. Ich habe es auch nicht probiert, nur daran gerochen... Bäähh !!! An den folgenden Tagen beobachte ich die Flasche Lebertran, ob sie sich wohl etwas leeren wird, d.h. ob irgendeiner meiner wenigen Mitbewohner dieses Hotels sich traut, einen Schluck zu nehmen. Nö. Die Flasche bleibt komplett voll.
Ich packe für den Tag meinen Rucksack zusammen und plünne mich an: Herkömmliche Socken, die Thermohose, das langärmelige Skiunterhemd, eine Sweatshirtjacke, 1 Schal, die dicke Daunenjacke, Mütze, Handschuhe, die Trekkingschuhe. Die Skiunterhose + 1 weiterer Schal wandern in meinen Rucksack, dazu kommen die Fotoausrüstung, 2 der noch nicht verzehrten heimischen Käsebrötchen + 1 Flasche Wasser. Es kann losgehen !
Nachdem alle Teilnehmer der Tour eingesammelt sind, geht es noch immer durch die Dunkelheit zur Lavahöhle. Wie die heißt, weiß ich jetzt gar nicht, aber es soll eine der best-begehbaren Lavahöhlen Islands sein. Unsere isländische Tourguide heißt Björg und sie ist echt nett und witzig. Auf dem Parkplatz der Höhle verteilt sie das Equipment: Helme und Stirnlampen, sie selbst hat noch Krampen unter den Wanderstiefeln und einen Eispickel dabei.
Die Szenerie ist fast unwirklich, eine Mondlandschaft aus Lava, Eis, Schnee, Moos und Bergen. Die Sonne ist noch immer nicht wirklich aufgegangen.
Nee, lava-caving ist jetzt echt nicht so meins. Eng, klaustrophobisch, dunkel und so wirklich sehenswert ist da unten auch nichts. Fotografieren geht auch nicht wirklich. Man krabbelt da unten herum und fürchtet sich etwas, jedenfalls ich. Das Gestein ist spitz und scharfkantig, Eiszapfen hängen herum, aber wenigstens ist es da unten nicht so windig. Aus einer (echten) Stunde werden gefühlt mindestens 2. Ich bin froh, als ich wieder an der Erdoberfläche bin.
Das mit Toiletten sieht man in Island sehr locker: Mehrere von uns "müssen" nämlich jetzt mal. Tja, freie Auswahl an Lavahügeln außer Sichtweite des Busses ! Help yourselves... Ich nutze die Gelegenheit, sogar noch meine Skiunterhose hinter irgendeinem Lavahaufen anzuziehen, denn die Thermohose alleine ist noch immer zu kalt. Meine Socken sind im Prinzip auch zu dünne, aber ich habe die selbstgestrickten Wollsocken meiner Mom leider im Hotel zurück gelassen.
Eine Französin an Bord scheute sich, free-style pinkeln zu gehen und fragte nach einer richtigen Toilette. "Is it just this ?" beliebte sie, zu fragen. "Just ?" war die Antwort von Björg. "What else do you need ?" Aber klar, Madame bekam ihre Toilette unterwegs an einer Tanke.
Isländische Tankstelle mit Klo´s. Nicht öffentlich, daher wird der Erwerb eines Kaffee´s oder so durchaus erwartet als Gegenleistung.
Benzinpumpen in Island - fast nur für die Fahrzeuge benötigt man hier Sprit, alles andere machen die locker aus Geothermalkraft...
Weiter geht es. "No one has farted" informiert uns Björg. Wir durchqueren einfach nur ein Gebiet mit heißen Schwefelquellen und die dampfen uns ordentlich ein. Der Schwefelgestank zieht durch alle Ritzen ins Fahrzeug, aber auch hier gewöhnt man sich in nullkommanichts an den Geruch.
Das ist der Übeltäter von 2010 !!! Eyafjallaljöküll. der böse, böse Vulkan, der 2010 den kompletten Flugverkehr Europas lahm gelegt hat für 1 ganze Woche.
Björg präsentiert diesen Vulkan fast wie eine Hollywood-celebrity, als wir ihn aus der Ferne ausmachen können: Ladies and gentlemen, this is Eyafjallajöküll ! Es war ein Wunschtraum für mich, dieses Teil wirklich einmal sehen zu können und eigentlich hatte ich gar nicht damit gerechnet, tatsächlich einen Blick auf dieses Monster werfen zu können. Aber: Ta dah, da ist er ! Dank dieses so friedlich aussehenden Vulkans habe ich 2010 eine ganze Woche in San Francisco festgesessen und dadurch sicher 3 Tage meiner Lebenszeit verloren, weil ich damals so einen Stress hatte, meinen Heimflug zu re-organisieren. Es war damals eine beispiellose, tägliche Rennerei zum Flughafen von San Francisco, eine stundenlange Odyssee durch die telefonischen Warteschleifen der Fluggesellschaft, ein 1-wöchiger Dauerbesuch auf www.klm.com (meiner Airline von damals) und einfach nur mega-nervtötend.
Mittlerweile wartet man in Island praktisch minütlich darauf, dass ein anderer Vulkan, der Hekla, ausbricht. Normalerweise tut er dies ziemlich regelmäßig und er ist überfällig....
Wir sind am nächsten Höhepunkt der Golden-circle-Tour angekommen: Dem Gullfoss. Größter und schönster Wasserfall Islands und jetzt im Winter teilweise gefroren. Gullfoss heisst übrigens "goldener Wasserfall". Mitte Februar ist er natürlich nur weiss-blau.
Tja, blauer Himmel ohne jegliches Wölkchen, strahlender Sonnenschein. Sieht gemütlich aus, oder ? Ist es aber überhaupt nicht. Es fegt ein eiskalter Wind sehr scharf aus nördlicher Richtung über das Areal. Polarluft, die über dem nördlich gelegenen Gletscher nochmal weiter abkühlt und hier äußerst brutal kalt und eisig ankommt. Der scharfe Wind pfeift einem nur so um die Ohren und es ist trotz aller Klamotten nicht lange draußen auszuhalten. Wenn man auch nur für Sekunden einen Handschuh ausziehen muss, um den Auslöser der Kamera drücken zu können, hat man schon fast das Gefühl, die Finger würden abfallen. Die meisten erledigen die Rundwege und Aussichtsplattformen innerhalb weniger Minuten und flüchten dann schnellstmöglich ins Innere des gut geheizten Besucherzentrums mit Souvenirshop und Cafeteria. So auch ich. Mittagszeit ist es jetzt eh schon und unbedingt notwendig, sich auch von innen aufzuwärmen.
Die typisch isländische Fleischsuppe - gekocht auf Lammbasis - mit viel Gemüse, bietet sich an. Ein großzügiger Teller voll ist für ca. 1.200 ISK, also ca. 10 EUR zu haben. Die Suppe schmeckt himmlisch ! Und wärmt tatsächlich schön von innen durch.
Auf dem Parkplatz entdecke ich dann zum 1. Mal so einen Monster-Truck. Björg erklärt: Derartige Fahrzeuge fahren ins straßenlose Hochland, können Flüsse durchqueren und allerhand mehr. Der Fahrer ist permanent beschäftigt, Luft in und aus den Reifen zu lassen, je nach Pisten-Beschaffenheit.
Nicht sehr weit ist es nur noch bis zum Höhepunkt des Tages: Geysir. "Geysir" war übrigens nur ein Eigenname - das eigentliche Naturphänomen wurde dann später nach diesem Namen benannt. Geysire könnten somit heutzutage theoretisch auch "Karl-Heinz" - oder wahrscheinlicher - skandinavisch "Leif" oder "Sven" heißen...
Wir treffen ein und es dampft an dieser Stelle mal wieder überall aus allen Erdlöchern.
Der eigentliche Geysir spuckt nur relativ unzuverlässig - es ist reine Glückssache, ob man das nun zu sehen bekommt oder nicht. In der Regel hält man sich hier nur ca. 1 Stunde auf, was die Wahrscheinlichkeit sehr schmälert.
Nicht umsonst umlagern daher alle Touris den kleinen Bruder von Geysir, Strokkur. Der spuckt nämlich sehr zuverlässig alle paar Minuten.
Der halb-offene Gesteinsring ist die Kanalöffnung - erst ist alles ruhig, aber irgendwann blubbert es nach oben...
es geht dann alles so schnell, dass es manchmal schwierig ist, im richtigen Moment den Finger am Auslöser zu haben. Und der Wind verweht den Wasserdampf auch sehr schnell.
und gleich danach schlürft das Kanalloch das Wasser wieder in sich hinein. Ich finde das wahnsinnig faszinierend und schaue fast eine halbe Stunde dem Spektakel zu, dass sich innerhalb dieser Zeit 6 oder 7 Mal wiederholt.
Ich bin schon auf dem Rückweg zum Besucherzentrum und Parkplatz, fotografiere noch diesen Mini-Geysir, als ich plötzlich hinter mir ein sehr lautes "wooowww" höre, drehe mich wieder zu Strokkur um und drücke praktisch blind auf den Kamera-Auslöser.
Ein letzter Blick auf dieses absolut sehenswerte Areal. Ich freue mich innerlich schon halbtot darüber, auf die Idee gekommen zu sein, nach Island zu fliegen...
Noch ca. 10 Minuten stehen für das Aufwärmen im örtlichen Besucherzentrum zur Verfügung. Da ich mittlerweile ein Souvenirshop-Junkie bin, streune ich durch die isländische Shoppingwelt. Ein wirklich lohnenswertes Mitbringsel ist natürlich der traditionelle, handgestrickte Island-Pulli aus isländischer, grober Schafswolle. "Lopapeysa" heißen die Dinger auf isländisch und machen in diesem Land so richtig Sinn: Sie sind dick, warm, wind- und wasserabweisend. Kosten aber auch eine Kleinigkeit, sind kratzig und für unsere Breitengrade eher wenig geeignet.
Ca. 40 Minuten fahren wir, bis wir am Thingvellir Nationalpark ankommen. UNESCO Weltkulturerbe und eine sowohl kulturell, historisch, natürlich und geologisch absolut bedeutsame Stätte. Warum ? Das Schild erklärt es schonmal teilweise:
Der Norweger Ingolfur Arnason war offiziell der erste Isländer. Ein Wikinger und Mörder, deswegen musste er ja nun auch aus Norwegen dringend weg, denn dort war man ihm auf den Fersen. Er hatte offenbar nichts Gutes in Norwegen zu erwarten und segelte einfach westwärts. Dort, wo seine Schiffsstützen ins Wasser fielen - rein zufällig - ließ er sich nieder aus alter Wikingertradition. Der Ort lag an einer Bucht, aus der es an allen Ecken und Enden dampfte. Folgerichtig nannte Ingolfur den Platz einfach "rauchende Bucht", "smokey bay" oder eben Reykjavik. Ingolfur war wohl ein echt übler Geselle, denn er mordete weiter. Er hatte nämlich auch seinen Bruder und etliche andere Leute aus Norwegen mitgebracht. Einige davon konnten sich munter fortpflanzen, andere mussten dran glauben. Bis zum Jahr 930 n.C. hatte sich so schon eine ansehnliche Bevölkerung der Insel aufgebaut und man trachtete danach, sich irgendwie zu organisieren. Bis dahin war nur der Südwesten Islands bevölkert und man suchte nach einem zentralen und gleichzeitig schönen Versammlungsort. DEN fand man im heutigen Nationalpark Thingvellir, war nett dort und auf halber Strecke für alle. 930 n.C. tagte hier wohl erstmals das 1. Parlament von Island.
Auch geologisch ist Thingvellir ein ganz besonderer Platz: Genau hier treffen die tektonischen Platten von Nordamerika und Europa überirdisch und somit sichtbar zusammen. Einzigartig weltweit.
Zwischen den tektonischen Platten verläuft die Silfra-Spalte, mit klarstem Wasser gefüllt und somit einer der besten Tauch-und Schnorchel-Spots der Welt.
Für Tag 3 hatte ich deswegen eine Schnorcheltour in der Silfra-Spalte gebucht. Aber ich habe sie letzten Endes abgesagt, weil ich ein Zeit-Problem bekam und die Silfra-Spalte ja nun heute schon gesehen hatte. Darin zu schnorcheln wäre natürlich echt interessant gewesen, aber irgendwie musste ich auch Prioritäten setzen und ich entschied daher "die Spalte gesehen zu haben, muss reichen".. Ich brauchte die Zeit echt anderweitig später.
Nichtsdestotrotz habe auch ich 1 ISK-Münze hier versenkt, denn das bedeutet, man kommt irgendwann mal wieder...
Wer sich fragt, wie schnorcheln hier mitten im Winter gehen soll, dem sei gesagt: In Trockenanzügen, selbstverständlich. Sonst würde man auch erfrieren.
Jedes Jahr im Sommer findet hier bis heute ein großes Fest statt. Ganz Island trifft sich dann hier, wie man uns erzählte.
Erst gegen 18.30 Uhr sind wir völlig erschlagen und erschossen, durchgefroren, aber mit roten Apfelbäckchen zurück in Reykjavik. Meine Güte, macht frische Polarluft müde !!! Da ich noch immer über heimische Käsebrötchen verfüge, knauele ich zum Abendessen eines davon, denn sie sind inzwischen etwas pappig, aber zum Essengehen in einem Restaurant habe ich keine Lust. Das spart Geld und Zeit. Ich falle sehr früh todmüde ins Bett, heute.
Aufbruch: | 14.02.2014 |
Dauer: | 5 Tage |
Heimkehr: | 18.02.2014 |