Skiersatzurlaub 2014
Kultur schlürfen in Brünn
Lada hat unseren Trip nach Brünn generalstabsmäßig geplant. Das war auch nötig, wenn man die Villa Tugendhat dort besuchen möchte. Denn da kann es lange Wartelisten geben, man muß sich im Internet anmelden, um einen Termin mit Führung buchen zu können. Eine Führung auf englisch können wir um 11 Uhr noch bekommen, auf deutsch ginge es erst am Donnerstag, da sind wir schon weg.
Die Villa Tugendhat ist ein Wohnhaus in Brünns bester Wohngegend, das sich ein reicher Fabrikant in den Zwanziger Jahren des 20.Jahrhunderts von Mies van der Rohe hat entwerfen und einrichten lassen.
Ein modern anmutender Flachbau mit viel Glas, der seinerzeit Maßstäbe gesetzt hatte und, weil die Familie Tugendhat dem Architekten freie Hand bei Entwurf und Einrichtung überlassen hatte, zu einem Baudenkmal von Weltrang geworden ist, das heute UNESCO-Kulturerbe ist.
Mit einer kleinen Besuchergruppe von 8 Leutchen dürfen wir hinein. Dass Geld beim Bau damals keine Rolle gespielt hat, sieht man sofort an der großzügigen Raumaufteilung. Aber dass Türen und Regale aus Palisander-Vollholz sind und seit nunmehr 80 Jahren sich nicht verzogen haben und noch wie neu aussehen, das erfahren wir bei der Führung.
Der beigefarbene Fußboden aus Linoleum war damals das modernste an Wohnraumgestaltung, die Drehschalter an den Wänden statt Kippschaltern erinnern daran, was damals modern war.
Die Belüftung und das Öffnen der riesigen Fenster, noch nicht aus Isolierglas, dafür aber besonders dicke und schwere Scheiben, erforderten eine eigene Technik für das Auf- und Niederholen, eine Technik, die noch heute einwandfrei funktioniert.
Der Clou ist die Raumteilung des 240 qm großen Wohnraums: Mittendrin eine Trennwand aus einem eigens aus Marokko importierten leicht lichtdurchlässigen Stein, der einen Leseraum innen und eine Veranda nach außen entstehen läßt und daneben einen Wintergarten und, wieder abgetrennt durch eine halbrunde Holzwand, der Speisebereich, in dem ein runder Ausziehtisch steht, an dem je nach Bedarf 8, 20 oder auch 40 Gäste Platz nehmen könnten.
Die Technik dieses runden Ausziehtisches ist so kompliziert, dass selbst der Führer sie uns nicht auf englisch erklären kann. Immerhin ist es schon ein Kunststück, einen runden Tisch so zu bauen, dass er nach außen hin immer weiter vergrößert werden kann, ohne dass Lücken frei bleiben oder der zusammengeschoben nicht zu einem Klumpen wird, an dem dann nur 8 Leute Platz nehmen.
Zu solchen repräsentativen Räumen gehört auch eine Haustechnik, die in den dreißiger Jahren richtungweisend gewesen sein muß. Küchenräume, ein Vor-Servierraum bei Empfängen, eine Waschküche im Keller mit einer Waschmaschine mit Kupfertrommel und einer Auswringvorrichtung - hier kann man am deutlichsten den technischen Fortschritt seit 1930 erkennen. Wäscheschleudern war damals offenbar noch unbekannt. Und die Koksheizung mit eigener Zuführungstechnik, die Heizpersonal sparen sollte.
Hier ließe es sich leben, wenn man einen etwas aufwändigeren Lebensstil pflegen möchte und das nötige Kleingeld zum Bezahlen des zugehörigen Personals hätte. Doch nach der Führung werden wir herausbekomplimentiert, die nächste Gruppe wartet schon......
Wir spazieren abwärts in die Stadt, vorbei an mächtigen Fassaden von Bürgerhäusern der Gründerzeit, einige hervorragend gepflegt und restauriert, andere im Urzustand nach gut 100 Jahren.
Wir laufen direkt auf die Jakobskirche zu, sehen kurz hinein und laufen auf dem Rückweg in eine unterirdische Krypta mit Tausenden von Skeletten und Schädeln.
Im 17 Jahrhundert reichte der ummauerte Friedhof der Kirche für die Bestattungen bei weitem nicht mehr aus, einmal als Folge der wachsenden Bevölkerung, aber insbesondere aus Anlaß einer Choleraepademie 1741. So war man gezwungen, Massengräber anzulegen.
2001, als der Jakobsplatz neugestaltet wurde, fand man darunter die Gebeine von über 50000 Leichen aus mehrenen Jahrhunderten. Sie wurden alle freigelegt, gereinigt und in dieser Krypta der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
nach einem Kaffee in einem Cafe nach Wiener Art bummeln wir weiter durch zahllose Passagen in alten Gewölbegängen, die alle erst kürzlich eröffnet haben und auf zahlungskräftige Kundschaft warten, bis wir hinauf auf den Petrov-Platz kommen, von wo wir einen weiten Blick über die Stadt und hinüber zur Burg Spielberg haben.
Auf dem Weg hinab kommen wir rechts an einem Theater vorbei, das mit auffälligen Figuren auf sich aufmerksam macht.
Wir fragen, ob wir mal rein dürfen und staunen, dass uns der Portier alle Türen öffnet und eine Führung durchs Haus mit uns macht. Alles wirkt hier improvisiert und das soll es wohl auch. Denn es werden moderene Stücke aufgeführt und es beherbergt ein Kabarett.
Mit dem letzten Tageslicht bringt uns der Zug zurück nach Vyskov, wir besteigen "unser" Auto ein letztes Mal, um zur Pension Lada zurück zu fahren.
Tags darauf heißt es Abschied nehmen. Der fällt überaus herzlich aus, Lada und wir sind Freunde geworden, die wir gern weiter empfehlen werden.
Dieser Zug bringt uns zurück in Windeseile, denn unterwegs spielen wir Skat bis uns die Augen zufallen und die Konzentration nachläßt. Gut, dass wir auf die Reise nicht verzichtet hatten !
Aufbruch: | 25.02.2014 |
Dauer: | 9 Tage |
Heimkehr: | 05.03.2014 |