Die letzte Reise der Beluga
Wir überführen unser Motorboot Beluga vom Rhein über Main, Main-Donau-Wasserstraße in die Donau bis ins Donau-Delta
Main-Donau-Wasserstraße
Abreise
Bis dass der Tod uns scheidet! Das war unsere Intension, als wir vor 23 Jahren Beluga gekauft haben. Jetzt zwingen uns Alter und Gesundheit eine Trennung von unserem einmaligen Schiff auf. Sie war uns Heimat und Gefährtin. Beluga hat einen neuen Eigner. Ihr künftiger Heimathafen wird das Donau Delta sein. Dahin sind wir unterwegs, um sie dort ihrem neuen Eigner zu übergeben. Es wird keine Vergnügungsreise, wie wir sie vor 10 Jahren schon einmal gemacht haben, sondern eine Überführungsfahrt, die wir so schnell wie möglich hinter uns bringen wollen. Jeder Tag, den wir länger an Bord sind, macht uns den Abschied schwerer.
Wir starten, trotz der frühen Jahreszeit, bei strahlendem Sonnenschein. Doch es ist eisig kalt. Das ganze Boot ist mit einer dicken Reifschicht überzogen. Das Deck ist spiegelglatt. Auf den Windschutzscheiben blühen Trilliarden von Eisblumen.
An der Tankstelle in Budenheim füllen wir Wasser-und Dieseltanks bis zum Rand. Wasserbunkern könnte uns Probleme machen, weil alle Yachtclubs noch geschlossen sind. Diesel werden wir in der Marina Saal, im Yachthafen Wien und in der Wiking-Marina Budapest bekommen. Das konnte ich organisieren. Der Rest muss sich vor Ort ergeben.
Knapp 2.800 km liegen vor uns und ca. 60 Schleusen. Wegen des jungen Jahres rechnen wir auch mit Problemen beim Übernachten, denn die Bootsclubs sind noch nicht offen, bzw. die Stege nicht im Wasser.
Die baulichen Umgestaltungen an der Wasserseite Frankfurts gegenüber unserer Suche nach dem Goldenen Vlies, als wir das erste Mal durchs Nadelöhr gingen, sind erstaunlich. Ungeheuer, was sich in 10 Jahren alles verändert.
Wir kommen gut voran. Schleuse Mühlheim hat dann leider eine Panne und ist stundenlang außer Betrieb. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit zwingt uns das zum Ankern in einem Altarm bei Hanau.
Da morgens die Sonne tieforange auf uns runterlacht, erwarten wir wieder einen strahlenden Tag, an diesem Freitag, dem 13. März, wenn wir auch an Deck Schlittschuhe laufen könnten. Im Laufe des Tages bewölkt sich der Himmel, es wird kälter, die Windsbraut aus dem Osten weht uns bis auf die Knochen. Es ist bereits dunkel als wir im Yachthafen Stadtprozelten den Anker fallen lassen, da auch hier kein Steiger im Wasser ist. Das erweist sich leider als fatal. Im Schlick des Untergrunds hält der Anker nicht gut. Der Sog der Berufsschifffahrt reißt uns in dem kleinen Loch hin und her. Als wir mit dem Heck gegen einen Dalben donnern, fesselt Manfred Beluga daran und bringt vorne ein Tau um eine Baumwurzel. Alles sehr mühsam. Wir hoffen, dass um 22 Uhr Schluss mit lustig ist, da dann die Schleusen schließen, doch um halb zwei knallen wir wieder gegen den Dalben. Anscheinend gab es eine Sonderfahrt. Gut abgefendert ist es nur ein akustisches Problem. Aber Schlaf können wir uns erst mal abschminken. Eine halbe Stunde bevor um 6 morgens die Schleusen wieder ihren Betrieb aufnehmen, stehen wir auf. Um sieben können wir dann mit einem Berufsschiff schleusen. Nun ja, wir sind ja nicht auf einer Vergnügungsreise.
In Wertheim nehmen wir den neuen Eigner an Bord. Er möchte zum ersten Mal in seinem Leben eine Fluss- und Schleusenreise genießen. Darf er. In Lohr wird er übernachten, deshalb endet unser Etmal heute schon um 14 Uhr. Auch der Yachthafen Lohr ist völlig verwaist. Immerhin gibt es hier eine Mauer und wir liegen recht angenehm. Bei Dauerregen schippern wir weiter, wenigsten blieb uns bis jetzt der angekündigte Schneeregen erspart. Leider kann man das wunderschöne Maintal kein bisschen genießen. Nicht mal Bilder von den Burgen, Herrschaftshäusern und Villen sind mir vergönnt. Auch Kontakt zu den Franken, die ich schon wegen ihres rollenden Rrr in der Sprache unheimlich mag, bleibt uns versagt. An heißen Leberkäs, Brezeln oder Bratwürstel nicht zu denken? Oder doch, ich hab ja jede Menge Original Nürnberger im Kühlschrank. Alleine kulinarisch ist eine Main-Tour durch Franken schon empfehlenswert, wenn man nicht gerade auf der Flucht ist, wie wir.
In Würzburg lassen wir den neuen Eigner der Beluga von Bord und als wir gegen Abend in Eibelstadt anlegen scheint tatsächlich die Sonne.
Und sonnig geht’s es auch den nächsten Tag weiter. Endlich mal ein Tag ohne Schnattern und ohne eiskalte Füße. Vormittags kommen wir immer recht flott voran, mittags laufen wir regelmäßig einem Großschiff von 110 oder 130 m auf und dann geht nix mehr. Im Oberwasser schaffen sie ja noch ca. 8 Stundenkilometer, wenn’s auf die nächste Schleuse zugeht, schaffen sie gerade noch 5 bis 6 km/h. Mühsam, mühsam. Und dann brauchen die Schiffsführer natürlich entsprechend lang bis sie die Riesenpötte in die Schleusen rein- und wieder rausrangiert haben. Um unser Glück zu vollenden, holen wir auch noch ein holländisches Sportboot mit zwei älteren Herren an Bord ein. Sie hängen ihr Boot vorne und hinten an. Das bringt sie jedes Mal in Probleme. Klammert der Vordermann sich an den Poller, steht das Boot regelmäßig quer in der Schleuse und scheuert mit dem Bug an der Schleusenwand. Wir versuchen es mit guten Ratschlägen und nach einigen Schleusen versuchen sie es dann so zu machen wie wir und siehe da… es funktioniert.
In Schweinfurt an der Promenade liegen wir gut für die Nacht und können morgens gleich um halb acht weiter. Es läuft super bis zur Schleuse Kretzgau. Da wird gebaggert und wir haben Aufenthalt. Keinerlei Anlegemöglichkeit macht uns die Warterei nicht einfach. Manfred lässt den Anker fallen, doch er rutscht auf dem Kies und findet keinen Halt. Weiter geht’s dann wiederum alleine. Einfahren, anbinden, rauf und raus. Klasse. Mittags haben wir den Main geschafft. Allerdings musste ich feststellen, dass sie hier auf Sportboote scheißen. Oder wie soll ich die Breitseite verstehen, die ein Reiher über uns ablässt? Er muss drei Flaschen Rizinus geschluckt haben. Es gibt kein Deck, das verschont wurde.
Weiter gehts jetzt im Kanal
Als Manfred die Schleuse Bamberg ruft und ein Sportboot für die Bergschleusung anmeldet, sagt der Schleusenmeister völlig entrüstet: „ Es… ist… März!“ Dass er nicht laut sagt: „Was wollt Ihr Irren denn jetzt schon hier?“ ist alles. Gedacht hat er es bestimmt. „Na ja, wenn man hagebuchen genug ist….“, dann öffnet er die Schleuse für uns.
Flott geht es nun im Kanal weiter. Öde ist er hier. Immerhin meistern wir die Sparschleusen bis jetzt recht gut. Kein Schwund. Vor der Schleuse Forchheim haben wir wieder Wartezeit. Nur noch diese Kammer, dann geht nix mehr und wir suchen uns einen Nachtplatz. Mit Glück schaffen wir morgen die Scheitelhalten.
Mein Skipper ist kaum noch zu bremsen. Kurz nach sechs wirft er bereits die Leinen los. Tatsächlich können wir schon um sieben mit dem rumänischen Frachtschiff „Valentina“ die Schleuse Hausen nehmen. Wir datteln weiter hinter ihm her. Das wird ein langer Tag. Zwei 18 m hohe Sparschleusen ohne Schwimmpoller stehen uns noch ins Haus. Die machen mir ein flaues Gefühl in der Magengegend. Wir haben in unserem Skipperleben einige tausend Schleusen gemeistert, wahrscheinlich mehr, als mancher Schiffsführer in seinem ganzen Berufsleben, trotzdem hab ich vor diesen Wahnsinnsdingern einen Heidenrespekt.
Der Verkehr ist heute unbeschreiblich. Es ist kein Vorwärtskommen mehr. Die „Valentina“ läuft einem anderen Frachter auf, für uns ist kein Platz mehr. Wir warten auf den nächsten Bergfahrer „Ysabell“. Staus entstehen auch durch die Riesenpötte, die ebenso die andere Berufsschifffahrt ausbremsen und behindern. Ein Koppelverband, 180 m lang und 11,45 m breit mit 2,30 m Tiefgang, schiebt sich aus der Schleuse Kriegenbrunn. Die Schleuse hat die Maße 12x190 m. Da kann sich jeder vorstellen, wie lange das geht mit dem Aus-und Einfahren. Knappe drei Stunden dauert es bis wir endlich auch oben sind. Warten heißt ja nicht unbedingt gemütlich an der Mauer liegen. Bei jeder Füllung und Leerung der Kammer zerrt das Boot, das ja nur mittig an einem Poller festgemacht ist. Bei jeder Aus-und Einfahrt der Berufsschifffahrt genauso. Entweder versucht es mit dem Bug an der Mauer zu scheuern und das Heck steht ins Fahrwasser oder umgekehrt.
Die Sparschleusen im Kanal haben es wirklich in sich. Das Bild auf unserem Navico zeigt die Sparkammer neben der Schleuse. In die Sparkammer läuft das Wasser der Schleuse und wird beim Füllen seitlich wieder eingelassen.
Ein Lichtblick: das war die letzte 18 m Schleuse, die wir krabbeln müssen. Noch eine mit gut 9 m, dann kommen endlich die Schwimmpoller. 20 km Stauhaltung liegen vor uns und wir dürfen mit 8 km/h hinter dem Frachter herzockeln.
Würde man keinen Grund finden um sein Wassersportleben mit langen Bootstörns zu beenden, die Warterei an den Schleusen und das Gezerre in den Kammern, das wäre ein triftiger.
Wir kleben weiter hinter der „Ysabell“, nehmen mit ihr dann auch die hohen 24 m Schleusen mit den Schwimmpollern. Die sind hier auch mehr als notwendig. Regelrechte Wasservulkane schießen an den Wänden hoch. Da gäbs kein Halten mehr. Als die „Ysabell“ kurz vor Einbruch der Dunkelheit im Unterwasser der Schleuse Eckersmühlen anlegt, beschließen auch wir Feierabend zu machen. Obwohl wir die Scheitelschaltung noch nicht erreicht haben. Manfred ist mit diesem Platz kein bisschen glücklich. Das wird eine unruhige Nacht. Und richtig fest an nur einem Poller sind wir auch nicht belegt. Als die „Ysabell“ nach einer halben Stunde, sie hat eine neue Mannschaft an Bord genommen, die Schleuse ruft, legen auch wir ab. Es ist bereits stockdunkel. Die „Ysabell“ wird die ganze Nacht durchfahren. Und was entscheidet mein Skipper? Nee, vergiss es!!!!! Aber die nächste Schleuse, die fahren wir noch, um 21 Uhr legen wir im Oberwasser an. Sinnigerweise hinter der „Valentina“, die auch hier Feierabend macht. Oh Mann. Der Skipper hats nicht leicht….kein Schwein kümmert sich um die Befindlichkeit der Crew.
Als morgens um halb sechs der Wecker piepst, hat sich die „Valentina“ schon längt weggeschlichen. Auf Schiff und Ufer ist schon wieder eine dicke Reifschicht. Wir frühstücken und legen um sechs ab. Wir haben eineinhalb Stunden Fahrzeit über die Scheitelhaltung des Main-Donau-Kanals vor uns. Dann geht’s nur noch abwärts mit uns. Leichter Dunst wabert auf dem Wasser und die Sonne zaubert mit einem Feuerball ein herrliches Aquarell aufs Firmament. Diese Sonnenaufgänge an Bord werde ich sicher vermissen.
Nach dem Circus gestern, haben wir heute völlig freie Fahrt. In jeder Schleuse sind wir allein und kommen natürlich entsprechend flott und bequem voran.
Jemand werde ich nie verstehen: die Schleusenbauer! Warum hören sie mittendrin mit den Schwimmpollern auf? Wenn es Schleusen mit 8 m Fallhöhe mit Schwimmpollern gibt und welche mit 18 m ohne?? Warum sind alle Schwimmpoller auf der rechten Uferseite, also links beim abwärtsschleusen, bis auf die vorletzte Kammer, Riedenburg, hier sind die Poller zu unserer Rechten, am linken Ufer. Rätsel über Rätsel.
Als wir vor Jahren die Wasserstraßen der ex DDR erkundeten, habe ich geschrieben, dass ich noch nirgends so viele glasierte Dächer gesehen habe, wie hier. Heute kann ich mit Fug und Recht sagen, dass ich noch nirgends so viele Sonnenkollektoren auf den Dächern gesehen habe, wie hier in Bayern.
In unserer letzten Schleuse im MDK trifft es uns noch mal. Warten bis die „Valentina“ und ein anderer Frachter eingefahren sind, warten bis ein Kreuzfahrer geschleust hat und ausgefahren ist. Kreuzfahrer heißen so, weil sie ein Kreuz für alle anderen Verkehrsteilnehmer sind. Und dann noch warten bis endlich ein Ausflugsboot kommt und vor uns einfährt.
Doch jetzt ist es geschafft. Wir sind in der schönen, blauen Donau. Schön wird sie ja noch, aber blau? Höchstens für Farbenblinde.
Aufbruch: | 12.03.2015 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 02.04.2015 |
Rumänien