Die Sahauris der West-Sahara

Reisezeit: April 2016  |  von Frank Dittrich

In der Wüste

Mittwoch, 06.04.2016
Achmed holt mich wieder nach dem Frühstück ab. Er zeigt mir das neue Fußballstadion mit 35000 Sitzplätzen (gähn) und wir fahren nach Foum el Qued etwa 20 km westlich am Atlantik. Auch hier wurde sehr viel neu gebaut. Eine kilometerlange breite Uferpromenade, Bungalowanlagen und Hotels. Alles steht leer, kein einziger Tourist in Sicht. Im Beach Park sehen wir Geier, Perlhühner, Pfauen und anderes Gefieder in großen Volieren. Es gibt ein Karussell, ein Riesenrad, Zelte für Familienfeiern und ein großes Restaurant. Wir sind die einzigen Besucher auf dem großen Gelände, schon etwas gespenstisch. Ein starker frischer Wind pfeift auf dem Weg nach Süden zum Hafen Laayoune Plage. Die wenigen Leute, die unterwegs sind, kämpfen arg mit ihm und nicht jedem gelingt es, sich auf den Beinen zu halten. Wir stoppen an einer Schule und Achmed unterhält sich mit dem Schulleiter.

Am Hafen liegt eine große Flotte Fischkutter vor Anker. Von hier aus wird Agadir mit Frischfisch versorgt. Das große Phosphatförderband aus Bou Craa hat ein eigenes Verladeterminal, das weit hinein ins Meer führt. Wir schlürfen im Café Tilila einen Kaffee. Wie in allen Cafés sind hier nur Männer zu sehen. In einem Fischladen gibt Achmed eine Bestellung für das Abendessen auf.

Zurück in Laayoune gehen wir mit Ibrahim in ein Restaurant zum Mittagessen, Ziege vom Holzkohlegrill mit Pommes und Tomatensalat. Nach der Siesta holen wir Diana von der Arbeit ab. Heute komme ich nicht drum herum: Real Madrid spielt gegen VfL Wolfsburg. Im Gastraum eines Cafés hängen in zwei Ecken große Fernseher. Eine Seite für Real Madrid-Fans, die andere Seite für - nein, nicht die Wolfsburger, sondern die FC Barcelona-Fans. Die freuen sich wie Bolle, dass die Madrilenen verlieren.

In Laayoune Plage holen wir eine große Platte mit Fischen, Tintenfisch und Shrimps ab, schon fertig zubereitet. Abendgegessen wird bei Verwandschaft in Foum el Qued. Die drei kleinen Kinder der Verwandtschaft daddeln den ganzen Abend Handyspiele.

Auf dem Rückweg halten wir bei der Schule. Im Versammlungsraum sitzen etwa 40 junge Leute. Diese sind die Leiter von Scout-Gruppen aus der Umgebung. Anscheinend ist jeder junge Sahauri in so einer Gruppe. Wir werden mit einem Begrüßungslied und Applaus begrüßt. Achmed hält eine lange Ansprache. Alle hängen an seinen Lippen, als wäre er ein Heiliger. Danach wieder großer Applaus. Ich bitte Diana um eine Übersetzung. Achmed habe den Leuten erklärt, dass sie die Zukunft des Volkes wären. Sie sollen ihre verantwortungsvolle Aufgabe gewissenhaft ausführen. Irgendwie scheint mir das eine sehr politische Veranstaltung hier zu sein. Auf meine Frage, was Achmed dabei für eine Rolle spielt wird mir erklärt, dass Diana, Ibrahim und Achmed halt in der Hierarchie weit oben stehen und sich deshalb um solche Sachen kümmern müssten. Die anderen wären entweder tot oder im Gefängnis. Das hab ich zwar nicht verstanden, aber ich muss ja nicht alles verstehen. Auf dem Rückweg ins Hotel führen die drei eine hitzige Diskussion im Auto.

Donnerstag, 07.04.2016
Achmed und Ibrahim fahren mit mir in die Wüste. Etwa eine Stunde querfeldein. Mir tun die Reifen vom Mietwagen leid. Ab und zu sehe ich blaue und gelbe Blüten an kleinen Büschen und bitte um Fotopausen. Schon erstaunlich, wie vielfältig die Natur selbst hier ist. Ein Militärjet donnert über uns hinweg und eine viertel Stunde später kommt ein Polizeijeep auf uns zugefahren. Wer wir sind, woher wir kommen, wohin wir wollen. Wir machen einen Verwandtenbesuch bei Ibrahims Mutter und Schwester. Die leben in herrlicher Alleinlage weitab jeglicher Zivilisation. Rundum Steinwüste, in Sichtweite einige Sanddünen. Das fensterlose Haus ist mit Teppichen und Kissen ausgelegt, die Schwester macht sich sogleich ans Tee kochen. Das ist hier in der Sahara eine langwierige und ernste Zeremonie. Dutzende male wird der Tee schwungvoll von einem Glas ins nächste gegossen, dann wieder zurück in die Kanne, dann wieder ins Glas, dann mit Wasser verdünnt, wieder in der Kanne aufgekocht und auf die Gläser verteilt. Derweil gibt es saure Ziegenmilch und Datteln. Achmed zeigt mir etwas abseits vom Haus die Küche: Ein von einer kleinen Mauer umgebener Steinofen, in dem Holzkohle glüht. Hier wird das Brot gebacken. Daneben ein ähnlicher Ofen mit einem Rost aus Eisenstangen, die Ofentür ist ein altes Verkehrsschild. Hier wird zu besonderen Anlässen Fleisch gegrillt. Im Ziegenstall darf ich das hübscheste Tier küren und deute auf ein süßes braunes Zicklein. Mir fehlt etwas Bewegung und ich schlage vor, zu den Dünen zu spazieren. Von oben haben wir einen guten Blick in die Ferne, aber außer Sand, Steinen und kleinen Sträuchern ist nichts zu sehen. Auf dem Weg zurück zur Straße begegnen wir einer Kamelherde.

Wieder in der Stadt trinken wir einen Kaffee und Ibrahim lädt uns zu sich nach Hause zum Mittagessen ein. Es ist mittlerweile 15 Uhr. Rasch finden sich noch einige Freunde ein und es wird mal wieder Tee zubereitet. Den angeregten Unterhaltungen kann ich leider nicht folgen. Ibrahim kommt mit einem Wasserkessel und einer schönen silbernen Schüssel. Er geht reihum und jeder wäscht sich seine Finger über der Schüssel. Dann wird ein riesiger Teller Couscous aufgetischt, darauf geschmorte Karotten, Auberginen, Kürbis und Kamelfleisch. Wirklich sehr lecker. Als Einziger bekomme ich Messer, Gabel und Löffel. Das erleichtert mir das Essen sehr. Gegessen wird direkt von diesem großen Teller. Als Getränke stehen Wasser und Kamelmilch zur Auswahl. Nach dem Essen kreist wieder der Wasserkessel zum Hände waschen, dann wieder die Teezeremonie und ich werde zur Siesta ins Hotel zurück gebracht.

Abends kaufen wir auf dem Markt Reis und Karotten. Dann fahren wir in die Wüste. Es ist stockdunkel und ich frage mich, wie sich Achmed orientiert. Um 23 Uhr landen wir beim Haus, das wir am Vormittag besucht haben.
Mir wird berichtet, dass leider ausgerechnet die Hübscheste aller Ziegen plötzlich und völlig unerwartet verstorben sei und nun im Ofen grillt. Sie schmeckt köstlich. Ich bin sehr froh, dass ich am Vormittag nicht den alten Ziegenbock mit den langen gebogenen Hörnern zum Schönheitskönig gewählt habe. Nach dem Abendessen gibt es den 11. Tee heute für mich. Um 2 Uhr morgens bin ich wieder im Hotel.

Ziemlich windig, aber noch längst kein Sandsturm

Ziemlich windig, aber noch längst kein Sandsturm

Begrüßungstor von Laayoune

Begrüßungstor von Laayoune

Eingang zum marokkanischen Militärlager

Eingang zum marokkanischen Militärlager

Küche im Freien: Links zum Fleisch braten, rechts für Brot.

Küche im Freien: Links zum Fleisch braten, rechts für Brot.

Wieder mal ein Tee. Dazu saure Ziegenmilch, Datteln und Brot

Wieder mal ein Tee. Dazu saure Ziegenmilch, Datteln und Brot

Mit Ibrahim im Haus seiner Familie

Mit Ibrahim im Haus seiner Familie

Viel Wasser trinken ist gesund.

Viel Wasser trinken ist gesund.

Mein Mietwagen in der Wüste

Mein Mietwagen in der Wüste

© Frank Dittrich, 2016
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Besuch bei Freunden in Laayoune / El Aouin in der ehemaligen Kolonie Spanisch-Sahara, jetzt von Marokko besetzt.
Details:
Aufbruch: 03.04.2016
Dauer: 13 Tage
Heimkehr: 15.04.2016
Reiseziele: West-Sahara
Der Autor
 
Frank Dittrich berichtet seit 9 Jahren auf umdiewelt.
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