Die Sahauris der West-Sahara
In Agadir
Sonntag, 10.04.2016
Zum Frühstück gibt es abgepacktes Vollkornbrot, das ich aus Deutschland mitgebracht habe. Die Anderen probieren mißtrauisch und entscheiden sich spontan, ihr Frühstück auf den frühen Nachmittag zu verschieben.
Wir fahren Richtung Norden nach Aourir und biegen rechts nach Osten ab. Vor uns öffnet sich ein Tal mit hübschem Bach zwischen steilen Bergen. Der Weg schlängelt sich langsam höher. Nach einer Stunde erreichen wir eine Thermalquelle in der Nähe des kleinen Dorfes Tizqui. Zahlreiche Familien machen hier Picknick, kochen Tee, grillen und chillen. An einem Kiosk gibt es leere Wasserflaschen zukaufen, die man an der Quelle befüllen kann. Das heiße Wasser soll gut für die Haut sein, die Leute kippen es sich kübelweise über den Kopf. Ich werde von einem untersetzten Herrn angesprochen, ob ich Deutsch spreche. Er kommt aus dem Irak, hat viele Jahre in Nürnberg gearbeitet. Ich erzähle, dass ich aus Berlin komme. Ob ich dort viele Iraker kennen würde. Nein, nur Dr. Nazar Mahmoud, mit dem ich wegen Flüchtlingsheimen zusammenarbeite. Ja, den würde er auch gut kennen. Wie klein doch die Welt ist. Mittlerweile sind wir von einem halben Dutzend Männern umgeben, die alle in Nürnberg leben oder lebten und Gruppenfotos mit mir machen wollen. Aus einem Auto dröhnt Musik und es wird auf dem Parkplatz zu sahaurischer Musik getanzt.
Über mit Arganbäumen bewachsene Berge geht es weiter nach Imouzzer. Auf dem Weg vom Parkplatz zum Wasserfall bieten Souvenirstände gefärbte Bergkristalldrusen, Schmuck und Holzdosen mit Intarsien feil. Auch die gefälschten Versteinerungen meines Bekannten aus Erfoud sind zu finden. Am Wasserfall springen ein paar mutige junge Männer von den Granitfelsen in ein Becken. Fast wie in Acapulco. Ein auf taubstumm spielender älterer Mann (ich vermute, er macht das aus geschäftstaktischen Gründen) veranstaltet eine große Show und weist uns an, die Fotoapparate griffbereit zu halten. Dann erklimmt er einen besonders hohen Felsen, zögert drei mal und köpft dann unter großem Applaus hinab. Anschließend sammelt er Geld ein. Ein hauptberuflicher Stuntman also.
Nahe dieses schönen Fleckchens haben sich einige Restaurants angesiedelt, wir nehmen Tajine mit Rindfleisch. Achmed beschwert sich, dass das dazu gereichte Brot kalt ist. Es wird noch mal aufgebacken und warm serviert.
Ich möchte ein paar Mitbringsel für Sabine und Regina kaufen. Der Souk ist der richtige Ort dafür. Ein großer überdachter Marktplatz mit vielen hundert Geschäftchen für Kleidung, Schmuck, Handwerk und Kunst. Aber ich finde nichts, wovon ich glaube, dass es meinen Beiden gefällt. Interessant ist das Stöbern trotzdem.
Bei Einbruch der Dämmerung sind wir in der Ferienwohnung zurück und halten Siesta. Für heute Abend habe ich mir einen Spaziergang an der Strandpromenade gewünscht. Es fehlt mir an Bewegung. Kurz vor Mitternacht brechen wir auf zum Strand. Popcorn- und Luftballonverkäufer gibt es, und zahlreiche Ernährungsberater vermieten ihre Personenwaagen für 10 Cent. Es gibt sogar einen, der schon ein digitales Modell besitzt. Vom einen zum anderen Ende der Promenade sind wir fast eine Stunde unterwegs. Im Café Kamel bestelle ich ein Bitter Lemon und erhalte ein großes Glas frisch gepressten Zitronensaft. Als ob wir uns verabredet hätten, treffen wir die irakischen Nürnberger. Gemeinsam essen wir in einer kleinen Seitenstraße Schawarma. Es ist zwei Uhr morgens.
Montag, 11.04.2016
Diana hatte gestern erwähnt, dass sie heute kurz vor elf zu einem Termin in die Uni müsse und wir deshalb um 10 Uhr aufstehen. Ich bin pünktlich geduscht und gestriegelt, aber nix rührt sich in den anderen Zimmern. Auf YouTube suche ich den Bayerischen Defiliermarsch und drehe den Bluetooth-Lautsprecher voll auf. Eine Minute später kommen Achmed und Ibrahim im Stechschritt und mit geschultertem Kopfkissen an meiner Tür vorbeiexerziert und salutieren. Der Uni-Termin habe sich verschoben. Na wenigstens sind jetzt alle wach.
Wir frühstücken wie üblich Oliven und Brot. Dazu frischer Pfefferminztee mit viel Zucker.
Anschließend besuchen wir Bekannte von Ibrahim, die uns das typische Teekochzubehör der Sahauris ausleihen. Auf der Küstenstraße Richtung Essaouira steuern wir einige Buchten an. Pferde und Kamele stehen zum Ausritt bereit. Das Wasser ist für mich zu kalt zum Baden. Achmed fährt. An der Bucht vom Plage Agrou bleibt das Auto im tiefen Sand stecken. In mir keimt ein wenig Schadenfreude auf. So ein Wüstenfuchs und bleibt einfach stecken. Wir sammeln Steine und Äste, die wir unterlegen. Mit gemeinsamem Anschieben kommen wir wieder auf festen Boden. Am Paradise Beach lade ich die Gruppe in das Restaurant ein, in dem ich schon mit Arnold und mit Andreas und Reiner gegessen habe. Wir entscheiden uns für Mixed Fisch gegrillt. Ibrahim folgt dem Kellner in die Küche, um die Fische im Rohzustand auf Frische zu überprüfen und gibt sein OK.
Diana schlägt vor, in der ersten Bucht Tee zu kochen. Aber als wir ankommen, hat die Flut den ganzen Sandstrand verschwinden lassen. Also fahren wir wieder heim, Achmed spielt Teezeremoniemeister.
Nach der Siesta gönnen wir uns eine Kugel Eis am Strand und vertreiben uns die Zeit im Billardsalon. In einem syrischen Restaurant gibt es Schawarma und Pizza, gegen Mitternacht steuern wir den Nightclubs Actors an. Gähnende Leere, also auf zur Disco von vorgestern, Schischa rauchen und Fruchtsaft trinken. Der Laden ist gerappelt voll und der Türsteher verscheucht andere Gäste, damit wir einen guten Tisch bekommen.
Dienstag, 12.04.2016
Um 9 Uhr wollten wir aufstehen. Um 11 Uhr geben die Anderen erste Lebenszeichen von sich. Zeit genug, um am Reisetagebuch zu schreiben. Das mache ich am liebsten auf dem Bett liegend im stillen Hotelzimmer.
Für das heute geplante Barbecue gehen wir erst mal einkaufen: Ziege und Pute, die wir in grillgerechte Stücke hacken bzw schneiden lassen. Frisches Brot, Holzkohle und einen Grillrost, Bananen und Orangen.
Etwa eine Stunde brauchen wir, bis ein schönes Plätzchen im Grünen gefunden ist. Um uns herum blüht wilder Lavendel. Aber die Herrschaften mögen keine Sonne und es fehlt an schattenspendenden Bäumen. Also packen wir die Picknickdecke wieder ein und fahren, bis wir in einem kleinen Dorf ein paar große alte Olivenbäume finden. Darunter machen wir es uns bequem, Achmed facht den Grill an und Diana kocht Tee. Als das Fleisch brutzelt, sind wir von einem guten Dutzend Katzen umzingelt, die sich ebenfalls auf das Essen freuen. Meine Ziege ist nicht ganz durch, dafür ist die Pute umso trockener. Schön für die Katzen, so werden sie alle satt.
Auf dem Rückweg besuchen wir Freunde und werden - ist ja klar - zum Tee eingeladen. Abendessen gibt es in einem kleinen Restaurant, das für seine guten Nudelgerichte bekannt ist. Die Spaghetti Tonno schmecken prima und gleichen mein Kaloriendefizit von mittags wieder aus. Nach einem mitternächtlichen Spaziergang über die belebte Uferpromenade fahren wir zur alten Kasbah, die hoch über Agadir thront. Die Jungs drehen arabische Popmusik auf volle Lautstärke und tanzen ums Auto, während ich Fotos von dem Lichtermeer der Stadt mache. Der Parkplatzwächter wird sich auch seinen Teil denken.
Mittwoch, 13.04.2016
Übermorgen müssen meine drei Begleiter wieder in Laayoune sein. Achmeds Onkel fährt sie von Sidi Ifni dort hin. Sie packen ihre Sachen und wir fahren erst mal zur Marina Agadir zum frühstücken. Mit Blick auf schicke Yachten bekommen wir Baguettes, Omelett mit Käse, Crêpe suzette, Oliven und Frischkäse. Dazu frisch gepressten Orangensaft und Espresso. Ich suche mir einen Sonnenplatz, es ist ziemlich kalt.
Achmed fährt den ersten Teil der 170 Kilometer. Allerdings nur so nebenbei, denn eigentlich gehört seine Aufmerksamkeit Whatsapp, Facebook und SMS. Das verkraften meine Nerven bei dem Gegenverkehr nicht und wir tauschen.
Im kleinen Küstenort Mirleft machen wir Mittagspause in einem Strandrestaurant , um 17 Uhr kommen wir in Sidi Ifni an. Onkel kocht erst mal einen Begrüßungstee und textet mich zu mit einer Mischung aus flämisch, holländisch, französisch und deutsch. Er hat einige Jahre in Belgien gearbeitet und zeigt mir Familienfotos seiner dort lebenden Kinder und Enkel.
Es geht ans Abschied nehmen. Einige Dutzend Umarmungen später und mit dem Versprechen, irgendwann wieder zu kommen, verlasse ich Achmed, Diana und Ibrahim. Ich würde gerne noch vor Einbruch der Dunkelheit bei der Ferienwohnung ankommen. Das gelingt mir leider nicht, aber mittlerweile finde ich mich in der Stadt auch so zurecht. Um 21 Uhr lande ich am Ziel und esse im Restaurant nebenan noch eine marokkanische Suppe, eine Art Bohneneintopf.
Donnerstag, 14.04.2016
Heute ist der letzte Urlaubstag und den lasse ich ganz relaxt angehen. Ich vernichte das letzte Vollkornbrot und die restlichen Oliven und mache mich auf den Weg nach Taghazout, 20 km nördlich von Agadir. Dort hatte ich an einem Haus Werbung für die angeblich beste Massage gesehen. Leider ist erst in einer guten Stunde der nächste Termin frei. So fahre ich zum Kamel Beach, esse Tunfischsalat und bin pünktlich zum kneten zurück.
Die Massage für 18 Euro/Std ist ok, mehr aber nicht. Die Thailänderinnen in der Levetzowstraße können es besser.
Die Ferienwohnung liegt im Stadtbezirk El Houda. Auf dem Weg dorthin kaufe ich Orangen, die ein Bauer direkt vom Eselswagen anbietet. In der Patisserie Benmoussa sind die köstlichsten Süßigkeiten im Angebot. Ich nehme ein ganzes Kilo. Jetzt fehlt als Mitbringsel nur noch das wertvolle Arganöl, das hier in der Gegend produziert wird. Ich finde es bei einer Kooperative mit Bio-Siegel.
Nun wird es auch für mich Zeit, den Koffer zu packen und den letzten Urlaubsbericht zu schreiben. Morgen um 7 Uhr kommt der Wohnungseigentümer zum Check-out, um 8 Uhr muss ich den Mietwagen abgeben und um 10 Uhr ist Abflug.
Ich freu mich schon auf zu Hause und meine Lieben.
Aufbruch: | 03.04.2016 |
Dauer: | 13 Tage |
Heimkehr: | 15.04.2016 |