Die Sahauris der West-Sahara
Über Guelmim und Sidi Ifni nach Agadir
Freitag, 08.04.2016
Am Vormittag checke ich aus dem Hotel Sahara Line aus, wir wollen heute nach Sidi Ifni und dort übernachten.
Ich würde gerne für die nette Oma von gestern Abend ein Geschenk kaufen. Blumenläden gibt es hier nicht und so bitte ich Achmed um Rat. Der weiß auch schon sofort, was die alte Dame gerne hätte: Ein großes buntes Tuch, ein Tschador. Das tragen die Damen hier als Umhang. Zufällig hat sein Cousin ein Stoffgeschäft. Dort also erst mal Tee trinken und ab in die Wüste.
Oma freut sich wie ein Schnitzel über das Geschenk. Ja, meine Familie und ich seien immer willkommen, egal ob wir einen Tag oder ein Jahr bleiben möchten. Und ihr Haus wäre mein Haus (Marianne, der nächste Maklerauftrag?). Und dann gibt es natürlich wieder Tee und saure Ziegenmilch. Dann drückt sie mir ihr Armband in die Hand, aus Silberkugeln und bunte Glasperlen. Für meine Frau oder meine Tochter. Ich wehre mich mit Händen und Füßen, das Geschenk anzunehmen. Aber Achmed erklärt mir, dass ich sie dann zutiefst beleidigen würde. So füge ich mich in mein Schicksal, werde noch hundert mal willkommen geheißen, muss nochmal aus der Milchschüssel trinken und werde mit den besten Segenswünschen entlassen.
Mir fällt auf, dass die nähere Umgebung der Dörfer und Städte mit Plastiktüten übersäht ist. Wie bunte Blumen hängen sie an den wenigen Sträuchern. Und alles, was von Menschen geschaffen wurde, ist entweder noch nicht ganz fertig oder schon wieder zum Teil kaputt. Kein einziges Haus, wo nicht die Farbe abblättert oder Risse im Mauerwerk sind, kein Bürgersteig ohne fehlende oder gesprungene Gehwegplatten. Kein Auto ohne Beule, keine Handwerksarbeit, die wirklich perfekt ist. Das wäre kein Land für mich, wo ich mich längere Zeit aufhalten möchte.
Wir fahren wieder in eine Schule und essen Couscous zum Mittag. Im Zimmer des Schulleiters halten wir Siesta und die anderen amüsieren sich über mein lautstarkes Geschnarche. Als ich erwache, ist der Tee fertig. Diana und Ibrahim packen ihre Sachen für die Reise, während ich mit Achmed im Hotel Emilio einen Kaffee trinke und Emails checke.
Erst nach 19 Uhr kommen wir los und 500 Kilometer liegen vor uns. In der Dämmerung sind noch einige Kamel- und Ziegenherden unterwegs, die uns bremsen. Dann überholt mich ein flotter Toyota Landcruiser und ich hänge mich an seine Stoßstange. 100 km vor
Tan-Tan heißt es ein letztes Mal billig tanken. Eine ganze Reihe von Tankstellen zeigt die Grenze der steuerbegünstigten Zone an. Daneben gibt es einige Restaurants. Wir suchen uns frische Fische aus: Scholle, Tintenfisch, Dorade und Adlerfisch. Der Grill wird eingeheizt und wir bekommen dazu Tomaten-Gurkensalat und Brot.
Achmed telefoniert fleißig. Nach Sidi Ifni würden wir es heute nicht mehr schaffen, wir übernachten in Guelmim. Um kurz vor 2 ist das überdimensionierte Sportstadion noch mit Flutlicht beleuchtet. Wir steuern direkt darauf zu, lassen uns das große Tor aufsperren und sind mitten im Geschehen. Hunderte Schülerinnen und Schüler wuseln herum und zeigen keinerlei Anzeichen von Müdigkeit. Es sind die marokkanischen Bundesjugendspiele, die um uns herum stattfinden. Durch lange, schön geflieste Gänge werden wir in einen Schlafsaal gebracht. 15 Betten für uns drei Herren, Diana bekommt ein separates Zimmer. Die Herren diskutieren lange mit irgendwelchen Offiziellen. Dann packen wir wieder unsere Sachen zusammen und verstauen sie wieder im Auto. Achmed erklärt mir, irgendwann heute Nacht werde noch ein Bus mit Sportlern erwartet, die hier auch schlafen würden. Da hätten wir keine Ruhe. In der Nähe finden wir ein günstiges Hotel. Einzelzimmer 7 Euro 50, Dreibettzimmer 22,50. ich schlage vor, dass wir alle Einzelzimmer nehmen. Damit sind Ibrahim und Achmed nicht einverstanden. Es wäre unhöflich, wenn sie mich alleine schlafen lassen würden. Also teile ich mit ihnen das Dreibettzimmer und wir schnarchen um die Wette bis 8 Uhr morgens.
Samstag, 09.04.2016
Gegenüber dem Sportstadion betreibt Achmeds Onkel ein Café. Dort frühstücken wir köstliche schwarze Oliven mit Brot und schwarzen Kaffee. Onkel fährt mit uns auf seinen Landsitz. Ein altes, teils verfallenes Gemäuer in den Bergen Richtung Küste. Umgeben von großen, dicken Mauern und bewässerten Feldern. Es wachsen Olivenbäume, Orangen, Kürbis, Dill, Artischocken und vieles mehr. In der Gegend hat es kürzlich geregnet. Die Wüste blüht überall. Trockene Dornbüsche leuchten in kräftigstem hellgrün, die Steppe ist von einem gelbgrünen Pflanzenteppich überzogen. Dazwischen strahlen Blüten in den leuchtendsten Farben um die Wette. Es sieht aus wie im Paradies. Die Opuntien knospen und die Arganbäume sind vollbehangen mit Früchten. Ziegen und Esel schwelgen im Überfluß.
Sidi Ifni wurde ab 1934 von den Spaniern im Art deco-Stil erbaut, die Altstadt ist ziemlich komplett vorhanden. Blau und weis bestimmen das Stadtbild. Eine lange, gewundene Treppe führt zum Strand hinab. In einem Restaurant nahe dem Markt schauen wir in die Tajinen, die auf kleinen Holzkohleöfen stehen. Heute steht schon wieder Fisch auf dem Speiseplan. Bonito, eine kleine Tunfischart. 150 Kilometer fahren wir dann an der Küste entlang nach Agadir. Achmed und Ibrahim machen sich auf die Suche nach einer Ferienwohnung, während Diana und ich in einem Café warten und eine Suppe essen. Diana erzählt mir von ihrer Familie. Ihr Großvater war ein hoher Offizier, hatte 13 Söhne und 13 Töchter (mit diversen Ehefrauen). Entsprechend groß ist die Verwandtschaft, die überwiegend in den Flüchtlingslagern von Tindouf in Algerien lebt. Und sie möchte nach ihrer Hochzeit mit Achmed nur eine kleine Familie haben, vielleicht 4 Kinder. Unter einer kleinen Familie verstehe ich etwas anderes.
Irgendwann kommen die beiden Herren zurück. Sie wollten mich bei der Quartiersuche nicht dabei haben, weil der Preis sonst wesentlich höher ausgefallen wäre. So zahlen wir für eine modern eingerichtete Ferienwohnung mit 3 Schlafzimmern umgerechnet 30 Euro pro Nacht.
"Was macht man denn am Samstag Abend in Deutschland?" werde ich gefragt. Ab und zu in die Disco gehen. Ja, hier in Agadir gibt's das auch. Achmed hängt sich als Telefon, er wüsste da eine nette Location. Auf dem Weg in die Innenstadt essen wir Pizza.
Die Disco Lounge Naya liegt an der Flaniermeile von Agadir, der Corniche. Der bullige kahlgeschorene Türsteher begrüßt uns, als ob wir zur Familie gehören. Auf den 6 Großbildleinwänden des Clubs laufen unsere Namen in der Endlosschleife: Welcome Frank, Diana, Achmed, Ibrahim. Gespielt wird arabische Discomusik, zu trinken gibt es Florida, einen alkoholfreien Cocktail. Eine große Wasserpfeife wird uns gebracht und für jeden ein persönliches Plastik-Mundstück. Meine Lunge füllt sich mit Apfelgeschmack.
Die Männer tanzen fleißig, die Damen eher weniger. Am Nachbartisch wird Cola mit einer Flasche Whiskey serviert. Alkohol ist ist also auch in diesem muslimischen Land zu bekommen. Um 4 Uhr wird das Licht angedreht und die Musik ist aus. Wird auch langsam Zeit, ich kämpfe mit der Müdigkeit.
Aufbruch: | 03.04.2016 |
Dauer: | 13 Tage |
Heimkehr: | 15.04.2016 |