Nordwärts - Oslo, Helsinki, Tallinn
Oslo Vol. II - inkl. Nationalheiligtümer...
Mein gestriger, abendlicher Supermarkteinkauf umfasste auch das Frühstück für heute morgen: Es gibt Joghurt + astronomisch teure Erdbeeren. Geht ratzfatz und so bin ich megaschnell schon auf Achse. Die Metro von Oslo heißt T-Banen und ich steige an der Station Stortinget in die Bahn. Ticket ist ja eh inkludiert in meinem Oslo-Pass. An der Station Majorstuen steige ich um in die Linie 1 nach Frognerseteren, der Endstation dieser Linie für die Skisprung-Schanze Holmenkollen.
Holmenkollen ist so ungefähr das National-Heiligtum Norwegens. T-Banen passiert auf dem Weg zum Hügel Holmenkollen-Bakken recht viele Stationen, die fast alle in reinen Wohngebieten liegen. Die Fahrt dauert bis zur Endstation locker 45 Minuten und ich bekomme einiges zu sehen auf dieser Tour !
Es ist nämlich eine Gruppe junger Frauen in meinem Waggon, die offensichtlich einen Junggesellinnen-Abschied feiert. Die künftige Braut trägt einen struppigen weißen Schleier auf dem Kopf und hat die Augen verbunden. Die 6-köpfige Freundinnen-Schar kichert und fotografiert ohne Ende und ist dabei, die Braut mit Alkohol abzufüllen.
Ich beobachte das lustige Treiben, bedauere innerlich die Braut (allerdings hat die einen Mega-Spaß, offensichtlich) und schaue aus den Fenstern der T-Banen: Es fängt an, zu schneien, ganz Ende April ! Sehr nasser Schnee, aber ab einer gewissen Höhenlage bleibt er liegen und es wird weiß-grau. Denn das Wetter ist heute so richtig beschissen.
Angekommen an der Endstation Frognerseteren, stapfe ich nun durch den nassen Schnee auf teils spiegelglatten Gehwegen weiter hügelaufwärts. Man fragt sich, wie die Menschenmassen hier hoch toben, wenn es große, internationale Wettkämpfe gibt. Denn das Ganze hier oben ist ein Wohngebiet, die Gehwege schmal, die Straßen eng und kurvig und es geht teils auf Trampelpfaden durch eine Mini-Parkanlage. Nun ja, auf der anderen Seite gibt es wohl noch eine gut ausgebaute Straße und da werden wohl auch große Busparkplätze sein.
Die angehende Braut mit ihren "best maids" wird mit nach wie vor verbundenen Augen auch weiter den Hügel hochgeschleppt, nicht ohne ihr andauernd Sekt aus der Pulle einzuflößen... Wahrscheinlich ahnt die Braut längst, wo sie ist...
Was ist die norwegische Sprache doch schön : "Hopptårn" ist doch wirklich ein super Wort im Gegensatz zu "Skischanze"
Ich habe meine Kamera jetzt nicht etwa auf schwarz-weiß umgestellt, es ist leider so grau-in-grau heute...
Holmenkollen ist die älteste Skisprung-Schanze der Welt und seit 1892 in Betrieb. Der Hügel Holmenkollenbakken ist 371 m hoch, der Schanzenkopf noch einmal 60 m höher, der sogenannte K-Punkt (das ist kompliziert, Ausgangspunkt für die Weitenpunkte, bitte selber nachlesen...) liegt bei 120 m. Der Hopptårn wurde viele Male umgebaut und zuletzt 2009 vollständig abgerissen und komplett neu erbaut und so gibt es seit 2011 diese freitragende Konstruktion, die irgendwie total beeindruckend aussieht. Auf dem Gelände gibt es auch noch ein Biathlon- und Langlauf-Areal. Und seit 1923 das älteste Ski-Museum der Welt. Genug, um sich selbst an so einem grauen verschneiten/regnerischen Tag hier eine ganze Weile bei ungemütlicher Nass-Kälte zu verlustizieren.
Ich weiß nicht, wie viele Statuen es auf der Welt für berühmte Hunde gibt. Ich kannte bisher nur die von Hachiko in Tokio. (Siehe mein Japan-Reisebericht).
Hier lerne ich eine weitere kennen, die von Bikkja i bakka. Bikkja lebte um 1930 herum und riss ihrem Besitzer immer aus, wenn es Skisprung-Wettbewerbe am Holmenkollen gab. Sie ließ sich meist an prominenter Stelle zum Zusehen nieder (da, von wo auch der norwegische König den Wettbewerben immer zuschaute), gelangte so zu Berühmtheit in Norwegen und wurde zum Maskottchen der Sprungschanze. Jetzt ist sie als Statue verewigt vor dem Eingang zu sehen.
By the way: Die Junggesellinnen-Verabschiedungsparty ist ebenfalls durch diesen Eingang entschwunden, nun aber in Begleitung von noch 4-5 Jungs, die hier gewartet haben.
Man kann auch per Lift ganz hoch zu dem Punkt, wo man den Anlauf als Skispringer startet, also 60 m hoch zum Schanzenkopf. Ich mache das nicht, weil ich Höhenangst habe - schade, aber ich kann das einfach nicht. (Die Braut übrigens muss da hoch, ich sehe die Gruppe im Aufzug verschwinden).
Warum ich trotz Höhenangst problemlos in ein Flugzeug steigen kann ? Weil es keine Verbindung zum Boden gibt, meine Höhenpanik plagt mich nur auf Türmen, Brücken, in Hochhäusern - überall da, wo es eine Verbindung zum Boden gibt.
...friedliche Wikinger...kennen wir jetzt ja auch aus Island von der EM 2016... ich sage nur: "HU" !!!
Nach ca. 1,5 Stunden Besuchszeit stapfe ich den Hügel wieder hinunter zur T-Banen und bin nach ca. 45 Minuten Fahrzeit wieder in Oslo Zentrum, genauer gesagt, am Hauptbahnhof. Hunger plagt mich.
Oh, eines muss ich noch erwähnen: Auf der Fahrt runter Richtung Zentrum Oslo habe ich eine modische Entdeckung gemacht: In die Metro stiegen nach und nach immer mehr junge Mädchen ein, die alle einen roten Overall mit vielen Applikationen trugen. Meine Vermutung war zunächst: Pfadfinder ??? Aber konnte eigentlich nicht sein. Mithilfe von Saskia, die über sehr gute norwegische Kontakte verfügt, habe ich es heraus bekommen: Die Mädels feierten ihr bestandenes Abi. Die Jungs/Abi-Absolventen scheinen es nicht so mit roten Overalls zu haben...
Aber die modische Inspiration: Fast alle trugen stylische Gummistiefel der Marke "Hunter´s". In schwarz, dunkelblau oder dunkelgrün. Sah mega-schick aus. Vor allem in Kombination mit den roten Overalls. Und zu den traum-schönen, langen, hellblonden Haaren. DAS muss ich an dieser Stelle auch einmal sagen: Norweger sind bildschön !!! Groß, schlank, hellblond, hellblaue Augen, Männer wie Frauen, ein Volk von Supermodels (naja, es gibt Ausnahmen...).
Meine definitiv geplante Anschaffung für den Herbst diesen Jahres sind auf jeden Fall diese Hunter´s Gummistiefel...
Im Hauptbahnhof von Oslo suche ich good old friend Mc Donald´s auf. (Der Hunger treibt es rein...). Das Fast-Food-Restaurant ist streik-gebeutelt, sie haben die obere Etage, wo man hätte im Sitzen essen können, geschlossen. Kein Personal fürs Abräumen und Saubermachen. So ziehe ich mir im Stehen ein Big-Mac-Menü rein, dicht gedrängt im Untergeschoss. Von un-abgeräumten Tischen und dann fällt kurzzeitig auch noch der Strom aus: Big Mac in the dark...
Na gut, ich ziehe weiter: T-Banen muss mich jetzt echt zu dem Museum schlechthin fahren: Munch-Museum. Es liegt kaum mehr als 3 Metro-Stationen vom Hauptbahnhof entfernt und von der T-Banen-Station latscht man auch nur noch ca. 5 Minuten durch einen kleinen Park zum Munch Museum. Nur, es regnet in Strömen. Pudelnass erhalte ich Eintritt in das sehr modern gehaltene Museum, weise meine Oslo-Card vor und erhalte umgehend kostenlos Eintritt.
Nach 5 Minuten durch den Park bin ich klatschnass, aber am Ziel. Ich will den "Schrei" von Edvard Munch sehen, das Bild sollte eigentlich da sein...auf gut-norwegisch heißt es übrigens "Skrik", auch wieder ein sehr schönes Wort.
Das Munch-Museet ist ein Hochsicherheitstrakt heute, nachdem 2004 auf spektakuläre Weise einmal das Masterpiece "Der Schrei" geraubt wurde. Es ist ein wenig verwirrend, denn es gibt 4 Versionen von "Der Schrei". 2 befinden sich im Munch-Museum, eine in der norwegischen Nationalgalerie und eine ist in Privatbesitz. Die Version in der Nationalgalerie wurde 1994 ebenfalls mal geraubt. Aber beide Bilder sind wieder da. Was macht es auch für einen Sinn, ein derartig berühmtes Gemälde zu klauen ? Aufgrund des enormen Bekanntheitsgrades kann man es doch sowieso nirgends zum Kauf anbieten ??? Der Schrei gilt nämlich neben der Mona Lisa von da Vinci und den Sonnenblumen von van Gogh zu den 3 berühmtesten Gemälden der Welt.
Langer Rede, kurzer Sinn: "Der Schrei" ist nicht zuhause. Super-schade. Dafür gibt es zwar jede Menge andere Bilder von Edvard Munch zu sehen, aber es fehlt das Highlight. Also trolle ich mich relativ schnell wieder in den Regen hinaus. Am Hauptbahnhof verlasse ich wieder die T-Banen, um mir noch die hypermoderne Osloer Oper anzusehen. Das alles macht jetzt aber nicht so wirklich viel Spaß, weil es weiterhin in Strömen regnet.
Der nasse Marmorboden ist echt rutschig... man kann auf´s Dach des Opernhauses, aber die Schrägen sind wahre Schlidderpisten. Ich mache es nicht, zumal ich auch keine Lust mehr auf das Wasser von oben habe...
Es verbleibt der (nasse) Weg zurück ins Hotel mit Supermarkt-Stopp. Kurz noch auskundschaften, wo die Haltestelle des Flybussen sich genau befindet für die Fahrt zum Airport Gardermøen. Fahrplan ist an der Bushaltestelle ersichtlich, ich entscheide mich für den Bus um 05.15 Uhr. Also früh "god nat" und morgen früh auch wieder sehr früh "godmorgen" für den Flug nach Helsinki.
Übrigens hatte ich sprachlich bis zu diesem Punkt nicht die geringsten Schwierigkeiten: Wenn man -wie ich - in Hyper-Norddeutschland zu Hause ist direkt an der dänischen Grenze (so nah, dass sich das Handy hin und wieder ins dänische Mobilfunknetz automatisch einwählt), dann hat man weder in Dänemark, Schweden und auch in Norwegen kein Sprachproblem.
ABER: Heute geht´s nach Finnland und dort spricht man eine Sprache, die mit dem Skandinavischen nichts zu tun hat. Es besteht - warum auch immer - eher eine Sprachverwandtschaft zu Ungarn.
Aber lasst mich erstmal überhaupt nach Helsinki reisen...
Aufbruch: | 28.04.2016 |
Dauer: | 9 Tage |
Heimkehr: | 06.05.2016 |
Norwegen
Finnland
Estland