Tunesien 2017: Wie Hitler mir half

Reisezeit: Dezember 2016 - Januar 2017  |  von Alfred Fuchs

Rückkehr

Kasserine-Pass

Kasserine-Pass

Müll ...

Müll ...

Römische Ruinen bei Sbeitla

Römische Ruinen bei Sbeitla

Reflexionen

Am nächsten Tag schauen wir noch einmal bei der Polizeiwache vorbei, um eine Verlustbestätigung abzuholen, ganz in arabisch, ich verstehe kein Wort, und ob das daheim jemand akzeptiert, ist unklar, aber der Ordnung halber habe ich es jedenfalls.
Wael lässt Australia noch auf Austria ändern, und dann fahren wir los, Wael hat selber auch etwas in Tunis zu tun.

Zuerst kurz zum Kasserine-Pass, wo Rommel die Amerikaner noch schnell auf's Haupt haute, bevor er die Sache verloren gab.

Wieder fällt mir auf, wie oft die Leute die Landschaft links und rechts der Straße als Müllhalde betrachten.

Römische Ruinen bei Sbeitla.

Auf der Fahrt nach Tunis unterhielten wir uns noch über vieles.
Zum Beispiel über die Konflikte im Nahen Osten.
Inwieweit denn der Staat Israel Ursache der vielen Probleme sei oder eher die unweise gezogenen Grenzen der früheren Kolonialmächte oder andere regionale Macht-Rivalitäten (Iran, Türkei) oder das unaufgelöste Verhältnis zwischen Islam und moderner Wissenschaft.
Ich frage als Vergleich: Wenn die Kurden einen eigenen Staat hätten, wäre die Situation dann besser oder schlechter?
So versucht eben jeder, sich irgendwie Geschichte zu erklären, und scheitert daran immer mehr oder weniger.

Ich erklärte ihm, dass ich am Satellitenprojekt OneWeb mitarbeite, das an jeden Platz auf dem Planeten Internetzugang ermöglichen soll.
Er ist fasziniert, kann als Facebook-Fan nachvollziehen, welche ungeahnten Möglichkeiten das für unzählige Menschen bringen kann.

Es ist dieses Thema, das ich vor Ort ein wenig besser verstehen wollte:
Wie Technik Gesellschaften verändert, vielleicht unmittelbar destabilisiert, vielleicht zu Wohlstand führt.

Ich erwähne die von Bill Gates geförderte Kahn Academy, die er nicht kannte.
Bildung kostenlos für ALLE.
Was wird es bedeuten, wenn der zufällige Geburtsort jedenfalls nicht über die intellektuellen Chancen entscheidet?

Er erzählte von seiner geplatzten Hochzeit ("Sie wollte zu viel Gold."), also redeten wir über's Heiraten, wie die Bräuche so sind und waren, und warum das mit Mann und Frau immer so kompliziert ist.

Schließlich verriet er mir auch seine Sorgen:
Wenn die tunesischen IS-Kämpfer aus Syrien zurückkommen, dann werde die Regierung nichts wirklich dagegen tun, und daher fürchtet er, dass die Amerikaner anfangen könnten, das Land zu bombardieren.
Dem neue amerikanischen Präsidenten sei alles zuzutrauen.
Ein Vorwand sei schnell gefunden, das habe man im Irak gesehen.
So pessimistisch möchte ich nicht sein, aber wie sich die Situation in Tunesien entwickeln wird, ist eine spannende Frage.

Für die Stadt Tunis mit ihren sicher interessanten Museen war jedenfalls keine Zeit mehr.
Ich steuerte auf dem Weg zum Hafen nur mehr die Botschaft an.

Die nüchtern charmante Botschaftsrätin freut sich zu hören, dass es mir vergleichsweise gut geht.
"Wo ist dieses Feriana eigentlich?"
Südlich von Kasserine, erkläre ich.
Naja, da hätte ich nicht hinfahren sollen.
Stimmt.
Andere Länder würden Tunesien-Reisen bereits wieder empfehlen, aber "Wir raten ja ab."

Meine Gastfreundlichkeits-Erfahrung sei nicht so überraschend, die Tunesier wollen ja Touristen und müssten auch etwas dafür tun.
Sie bekämen auch hunderte Millionen Euro aus Europa, sonst sähe es recht düster aus.
Um so weniger verständlich sei, dass es noch immer Moscheen gebe, wo Prediger junge Leute anwürben.
Zum Teil auch Geld böten für den Kampf in Syrien, was manche wohl irgendwie als romantischen Abenteuerurlaub ansähen.

Früher sei sie selber mit dem Auto einfach in die Wüste gefahren und habe spontan unter irgend einem Baum genächtigt.
Aber das werde nie mehr sein, die Gewaltbereitschaft sei generell gestiegen und mit Unruhen müsse man jederzeit rechnen.

Wir diskutieren, welche Vorgangsweise am besten sei, ob eine Vollmacht für Wael oder eine Abwicklung über die Botschaft, wenn denn etwas gefunden wird.
Sie meint letzteres, aber kennt die Abläufe auch nicht so genau,
"Gottlob haben wir ja nicht so viele derartige Fälle."
Sie werde also nächste Woche eine offizielle Note schreiben, ich solle mir allerdings keine allzu großen Hoffnungen machen.

Im Hafen wieder die Kontrollen, ein Mal, zwei Mal, drei Mal, vier Mal, dann höre ich auf zu zählen. Ich bin schon fast ein routinierter Wohnmobilverkäufer.
"Ah, Dusche!" "Hm!!" Usw.
Ein grüner Schein war mir abhanden gekommen, daher musste ich zurück, dann doch nicht, dann doch und dann wurde ich auf die Fähre gewunken und alles war vorbei.
Kafka muss Tunesien gekannt haben.

Als ich mich unterwegs in einen Wifi-Hotspot einklinke, finde ich eine E-Mail von Wael.
"Guess what? They found your stuff. The policeman call me today saying that they found the 2 phones, ipad and the laptop."
Er hatte also doch Recht gehabt.
Die Polizei kennt ihre Sorgenkinder.

Fähre nach Italien

Fähre nach Italien

© Alfred Fuchs, 2017
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit dem Wohnmobil in die Sahara. Dann ein Zwischenfall. Erst dadurch lerne ich das Land wirklich kennen.
Details:
Aufbruch: 29.12.2016
Dauer: 11 Tage
Heimkehr: 08.01.2017
Reiseziele: Tunesien
Der Autor
 
Alfred Fuchs berichtet seit 7 Jahren auf umdiewelt.