Madagaskar Nordost

Reisezeit: Juni 2016  |  von Frank Dittrich

Der Rückweg über Majunga

Der Rückweg über Majunga

Montag, 20.06.2016
Nur 440 Kilometer liegen bis Majunga vor uns. Gute 8 Stunden reine Fahrzeit brauchen wir dafür. 9 Uhr Abfahrt, Fotostop bei einer Schlange auf der Fahrbahn, Mittagspause mit Zebu und Reis, Nickerchen für Tsiresy und kurz nach 18 Uhr sehen wir das gigantische Flußdelta des Betsiboka, an dessen Mündung unser Ziel liegt. Jörg würde gerne ein Hotel in der Stadtmitte haben, doch ich setze mich durch: Wir beziehen die nobelste Herberge am Stadtrand, das Roches Rouges. Mit Klimaanlage, gekühltem Pool und exzellenter Küche. Mit 55 Euro unser weitaus teuerstes Hotel auf Madagaskar. Aber zum Erholen einfach gut geeignet.
Abends teile ich mir mit Jörg eine Meeresfrüchteplatte. Tunfischsteak, Filet vom Meru, Tintenfisch, Crevetten, Languste und zwei Garnelen, bei deren unglaublicher Größe man ein Atomkraftwerk in der Nähe vermutet. Alles auf den Punktgenau gegrillt oder gebraten, mit leckerer Knoblauchsauce, Gemüse und Reis. Nach einer Garnele bin ich leider schon satt. Michael lässt sich eine Pizza schmecken. Meeresgetier ist nicht so sein Fall. Nach einem Bierchen gehen wir ins Bett.

Majunga ist mit über 300.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt des Landes und der zweitgrößte Hafen. 2004 wurde ein Großteil der Stadt durch einen Zyklon zerstört. Hier mischen sich Araber, Inder, Pakistani und Madagassen, es ist ein buntes Völkchen. Mit der Fähre wollen wir vormittags nach Katsepy auf die andere Seite des Flußdeltas. Das Schiff wird gerade entladen, zahllose Körbe mit Hühnern, Perlhühnern, Puten und Gänsen werden an uns vorbeigetragen. Angeblich fährt die Fähre aber erst morgen zurück. Wir müssten uns also dann vor Ort nach einer Alternative umsehen. Vielleicht ein Lastensegler oder eine Fischerpieroge. Das ist Michael zu unsicher und er beschließt, die Stadt anzusehen. Ich will ihn auch nicht alleine lassen, so ganz ohne Fremdsprachenkenntnisse. Etwas mürrisch bleibt Jörg auch auf dem Trockenen.

Mit Michael besuche ich den Kunsthandwerkermarkt. Hier gibt es alles, was es auch auf dem großen Souvenirmarkt in Tana zu kaufen gibt. Die Preise sind ähnlich, also warten wir noch mit den Einkäufen. Jörg möchte in der Bank Geld umtauschen. Die Warteschlange ist schier endlos, so wechselt er nur ein wenig Geld vor der Bank.
Er lässt sich von Tsiresy ins Hotel fahren, während ich mit Michael eine Wanderung an der Strandpromenade zum südlichen Leuchtturm unternehme. Die Sonne brennt unbarmherzig und lässt uns auf dem Heimweg ein TukTuk anhalten. Für 27 Cent bringt uns das zurück zum Hotel. Jetzt finde ich Ruhe, den Reisebericht fortzuführen.

Wir faulenzen, liegen am und im Pool und warten auf die legendäre Poseidonplatte, die wir auch gestern Abend hatten. Heute ist Fußball-EM Deutschland gegen Nordirland, das wollen wir ansehen. Gerade als wir mit Abendessen fertig sind, gratuliert Regina zum 1:0. Wir haben das Spiel verpasst. Den Rest des Abends verbringen wir damit, Urlaubsfotos von einem Tablet zum anderen zu tauschen, festzustellen, dass das gar nicht so einfach ist, verlorene Dateien zu suchen und erkennen, dass mein IPad einfach mit nix kompatibel ist.

Mittwoch, 22.06.2016
Bevor wir den Rückweg antreten, müssen wir Geld für die Hotelrechnung organisieren. Der Bankautomat spuckt zur Abwechslung nagelneue Scheine aus. Da passen 2 Millionen bequem in die Hosentasche (der größte Schein ist 10.000 Ariary, umgerechnet 2,70 Euro). Zur Bezahlung der Hotelrechnung blättern wir 130 Banknoten hin. Und bei uns diskutieren Sie über die Abschaffung von 500 Euro-Scheinen.

Am Vormittag kaufen wir frische Kokosnüsse und verlassen wir die Stadt, es liegen etwa 350 Kilometer bis Maevatanana vor uns. Die Fahrt ist unspektakulär, bis wir nach einigen Schlaglöchern ein quietschendes Geräusch unter dem Auto hören und es ziemlich ruckelt. Tsiresy kriecht mit Werkzeug unter den Wagen und findet ein gebrochenes Zwischenlager. Einige Hammerschläge später können wir weiter. Das Ersatzteil gibt es nur in der Hauptstadt, aber bis dahin sollte das Auto noch kommen.

Mittags gibt es Zebusteak. Geschmort. Mit Reis. Als Nachspeise frische Tamarindenfrüchte, von denen ich für Josef welche mitnehme. Auf der letzten Reise hatte er davon geschwärmt.
In Maevatanana kommen wir in eine große Demonstration. "Walk for Jesus" ist das Motto, und die halbe Stadt ist unterwegs. Die Missionare scheinen hier immer noch sehr fleißig zu sein. Unser Hotel "Le Mandarin" kennen wir schon von der Anreise her. Diesmal habe ich ein anderes Zimmer mit nicht funktionierender Dusche aber großer Wassertonne im Badezimmer. Bucketshower nennt man das. Die Suppe am Abend ist nicht so mein Fall, schmeckt irgendwie nach Spülwasser. Wir haben den ganzen Tag nichts gemacht, sind aber trotzdem hundemüde. Um 20 Uhr schlafe ich schon..

Donnerstag, 23.06.2016
Seit 4 Uhr lausche ich den Geräuschen um mich herum. Ein Gecko an der Zimmerdecke schreit wie ein Vogel. Der Hahn ist der Ansicht, es müssten jetzt alle aufwachen. Auf dem Hof wird schon gefegt. Und langsam kommt Leben ins Dorf. Obwohl es noch stockdunkel ist. Viertel vor 6 singt der Chor in der benachbarten Kirche der Siebtentagsadventisten. Halleluja! Und Zeit zum Aufstehen. Michael und Jörg sind auch schon wach. Es gibt wieder das übliche Frühstück: Baguette, Butter, Marmelade, Spiegelei. Was sehne ich mich doch nach einer Wurschtsemmel. Oder Fleischsalat. Oder Camembert. Oder Krabbensalat. Nur noch zwei Tage, dann ist es soweit.

Während der Fahrt wird das Geräusch lauter und es ruckelt immer heftiger. Tsiresys Miene wird immer besorgter. Trotzdem machen wir noch den Abzweig zur Schule. Der Brunnen ist mittlerweile 20 Meter tief, unten schaufelt ein Arbeiter Erde in einen Eimer, der durch einen Rollzug hochgezogen und von einer dritten Arbeiterin ausgekippt wird. Noch 7 Meter und sie hoffen auf Wasser zu stoßen. Die Ränder des Brunnens sind wie mit dem Zirkel gezogen, ich habe einen guten Eindruck von der Arbeit, so mittelalterlich sie auch ausgeführt wird.

Heri kommt dazu und überrascht mich mit der Neuigkeit, dass Schulleiter und Lehrerin ausgetauscht wurden. Der Schulleiter hatte zu intensiv dem Alkohol zugesprochen und die Lehrerin hatte zu große Defizite beim Französischunterricht. Kurzerhand wurde der Schulleiter und eine gute Lehrerin aus der Grundschule Mahitsy abgeworben. Der neue Schulleiter macht einen sehr sympathischen Eindruck und mit gutem Französisch haben die Kinder wesentlich bessere Zukunftschancen. Es ist immerhin die Amtssprache von Madagaskar. Bin ganz zufrieden mit dieser Lösung und vor allem damit, dass Heri jedes Problem sofort löst.

Tsiresy fährt mit uns direkt in die Werkstatt. Es herrscht das absolute Verkehrschaos in Antananarivo. Überall stop and go. Die Infrastruktur ist nicht für diese Automassen gemacht und der Staat investiert nichts, um das zu ändern. So wird das Land nie auf einen grünen Zweig kommen. Ein Freund von Tsiresy bringt uns zum Hotel Sakamanga ins Stadtzentrum. Leider ist es komplett ausgebucht. Im Sole-Hotel um die Ecke kommen wir unter, die Rezeptionistin erkennt mich wieder. Ich hatte hier vor einem halben Jahr mit Michael genächtigt.

Die Prachtstraße "Rue d' Indenpendance" ist schon für die Feierlichkeiten des madagassischen Unabhängigkeitstages gesperrt. 56 Jahre ist es her, dass Frankreich die Kolonie in die Unabhängigkeit entließ. Es hat sich seitdem nicht viel getan, auf das die Madegassen stolz sein können. Gefeiert wird trotzdem und das mit viel Engagement. Überall hängen die weis-grün-roten Fahnen, Bühnen sind aufgebaut, Hüpfburgen, ein Zwergriesenrad, ein Fahrparcour für nostalgische motorisierte Miniautos, Imbißstände und vieles mehr. Wir flanieren durch das bunte Treiben und landen im Le Glacier zum Abendessen. Zebusteak für Jörg, Pizza für Michael und Suppe für mich. Nebenan in der Kneipe läuft Fußball. Wir setzen uns rüber und vernichten einen großen Teil der Bierreserven. Es läuft Deutschland gegen Nordirland. In der 27. Minute erkläre ich Michael, dass gleich Mario Gomez ein Tor schießen wird und wir damit 1:0 gewinnen werden. Er ist völlig aus dem Häuschen, als es tatsächlich so kommt. Bis ich ihn aufkläre, dass es die Wiederholung des Spiels vor 3 Tagen ist. Als wir heimgehen ist die Rue d' Indenpendance wie ausgestorben.

Freitag, 24.06.2016
Zum Frühstück vernichte ich das letzte leckere Vollkornbrot aus Deutschland. Wir gehen auf den Markt, kaufen frischen Grünen Pfeffer, Passionsfrüchte und Stachellitschi. Um 11 kommt Tsiresy ins Hotel zur Abrechnung. Millionen wechseln den Besitzer. Wir fahren mit frisch repariertem Wagen zum Souvenirmarkt am Stadtrand, bzw wir stauen uns über eine Stunde dort hin. Über 260 Verkaufshütten mit Händlern, die alle was verdienen wollen. Und wir die einzigen Touristen. Ich kaufe 130 Weihnachtskarten aus dem Büttenpapier der Antaimoro, 6 aus Holz geschnitzte Engelsfiguren, eine große Krippenfamilie mit 12 Figuren und 10 Holzschachteln. Dann ist mein Budget erschöpft. Zum Glück hat Jörg noch nicht alles ausgegeben, sonst hätten wir uns das Mittagessen im nahegelegenen Restaurant nicht leisten können. Das Chicken Curry ist leider auf madagassische Art zubereitet. Das Huhn wurde mit dem Beil in kleine Teile zerhackt und wir dürfen jetzt die Knochen aus dem Essen raussuchen.

Zurück im Hotel verabschieden wir uns von Tsiresy, zum Flughafen werden wir ein Taxi nehmen. In der Innenstadt werden Touristen ständig von Pfeffer- und Vanilleverkäufern angesprochen. Der Pfeffer ist super Qualität, ich verhandle das Kilopaket von 60000 auf 35000 runter. Aber ich habe Zweifel am Gewicht und erkläre dem Verkäufer, er soll erst mal ne Waage organisieren. Das macht er auch ziemlich flott. Die Digitalwaage zeigt 17.6 an. Ein Kilo 760 Gramm erklärt er mir. Ich gucke mir die Waage genauer an und stelle fest, der Bursche hat sie auf Unzen eingestellt. Ich stelle sie auf Gramm zurück und siehe da - im Beutel sind nur 500 Gramm. Für 17500 will er das halbe Kilo aber nicht verkaufen. So ein Schlawiner. Nach langer und lauter Debatte einigen wir uns auf 20000 Ariary, 5,40 Euro. Mit der Vanille ist es ähnlich. Die Verkäufer wollen einen übers Ohr hauen, wo es nur geht. Angeboten wird erst mal nur die schlechteste Qualität. Das sind fermentierte pralle Schoten, die noch nicht getrocknet wurden und deshalb mehr als doppelt so viel wiegen, wie die schwarzen getrockneten Schoten. Und sie halten sich nur ein paar Tage, wenn sie nicht richtig gelagert werden. Ich habe den Rest des Nachmittags damit verbracht, den Verkäufern klar zu machen, welche Qualität ich möchte. Und dann sind wir zur Waage gegangen und die 500 gr Bündel wogen nur noch 200 gr. Man muss schon verflixt aufpassen bei diesen Burschen. Letztendlich habe ich die beste Qualität zu einem gerade noch akzeptablen Preis bekommen, das Kilo 170 Euro.

Zum Abschluss gehen wir noch ins Sakamanga Abendessen. Die Fischsuppe ist erste Klasse. Um 23 Uhr bringt uns ein Taxi zum Flughafen. Diesmal habe ich keine Steine dabei, das Gepäck wird ohne Beanstandungen verladen. 2:40 geht der Flieger nach Nairobi. Der Anschlußflug hat eine Stunde Verspätung, holt das während des Fluges aber wieder rein. Umsteigen in Amsterdam und um 18 Uhr pünktlich in Berlin gelandet. Regina holt mich vom Flieger ab. Jetzt erst mal Schinkennudeln und ne Scheibe Wurst. Und dann ein paar Tage Erholung. Bis zur nächsten Reise am 21.07. bin ich wieder fit.

Fahrgeschäft zum Unabhängigkeitstag auf der Rue d' Independance

Fahrgeschäft zum Unabhängigkeitstag auf der Rue d' Independance

Der Brunnen der DMG-Schule ist fast fertig.

Der Brunnen der DMG-Schule ist fast fertig.

Fahrgeschäft zum Unabhängigkeitstag

Fahrgeschäft zum Unabhängigkeitstag

Der Hafen von Majunga

Der Hafen von Majunga

Nur aus flachgehämmerten Ölfässern gebaut

Nur aus flachgehämmerten Ölfässern gebaut

© Frank Dittrich, 2017
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Fahrt von Antananarivo über Majunga nach Ambanja, mit der Fähre nach Nosy Be und zurück, Fahrt von Ambilobe nach Sambava. Und natürlich Besuch der DMG-Schule in Anosivola
Details:
Aufbruch: 04.06.2016
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 25.06.2016
Reiseziele: Madagaskar
Der Autor
 
Frank Dittrich berichtet seit 9 Jahren auf umdiewelt.
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