Frühlingserwachen 2017
Mit dem Wetter umgehen lernen
Wir werden freundlich empfangen, bekommen ein schönes Zimmer in einer Ferienwohnung mit warmer Dusche. Dort tauen wir wieder auf und haben nur 20 Meter von der Wohnung zum zugehörigen Restaurant zurückzulegen.
Die Begrüßungsgesellschaft fürs Frühlingserwachen sitzt dort schon beim zweiten Bier und begrüßt uns stürmisch. Es stellt sich heraus, dass die andern bis hierher mit dem Auto gekommen sind mit ihren Rädern im Huckepack. Offenbar haben wir also schon eine anerkannte sportliche Leistung vollbracht, die den Beifall rechtfertigt. 26 Leute, teils Österreicher, teils Tschechen, die sich seit langem kennen, alle haben eins gemeinsam: sie sind Erichs Freunde.
Beim Abendessen wird die Planung für morgen besprochen. Der Schneeregen soll nachlassen, Radeln könnte gehen, nur wie hoch der Schnee oben auf dem Radhost sein wird, das wird man morgen früh telefonisch erfragen.
Entschlossenheit ist allenhalben zu spüren, nur wozu, ist schwer zu sagen.
Ein erster Blick morgens aus dem Fenster offenbart immerhin, wir sind im Gebirge, rund herum sind dampfende Abhänge zu sehen. 20 Minuten Spaziergang rund ums Haus sind auch möglich, ohne dabei naß zu werden, allerdings vermeiden wir Wege, die in die schneebedeckten Wiesen führen.
Obwohl wir wenig Wienerisch und kein Tschechisch verstehen, merken wir, dass allenthaben nach dem Frühstück die Räder startklar gemacht werden, ohne Gepäck dieses Mal, weil wir ja abends zum Quartier zurückkehren werden.
Also starten wir mit und lassen uns von Joschka, dem Leithammel der Gruppe führen. Wir fahren zunächst zur Talstation des Sessellifts, dort soll es Informationen über den Radweg rauf zum Radhost geben. Schon kurz vor der Talstation kommt kurz die Sonne heraus.
Das scheint die meisten zu bewegen, gleich links abzubiegen, um sich auf den Anstiegsweg zu begeben. Mir als Ältestem rät man, lieber den Lift zu benutzen, zumal ich 5 Monate nach meinem Oberschenkelhalsbruch beim Absteigen an der Steigung etwas zu unsicher bin. Im übrigen könne ich für ein geringes Aufgeld mein Rad auch mit dem Lift mitnehmen.
Ich habe nichts dagegen und treffe mit zwei weiteren Österreichern unserer Gruppe an der Talstation ein. Man zeigt mir das Einsteigen in den Sessel, den man vorher von den Eiszapfen befreit hat, und schon geht’s los. Mein Rad hängt man am folgendem Sessel an einem Haken auf, schon geht es weiter rauf.
Mit jedem Meter des Aufstiegs wird die Landschaft winterlicher, zeitweise geht es durch Nebel oder Wolken und die gegenüber abwärtsfahrenden Sessel sind alle leer, aber mit bis zu meterlangen Eiszapfen behängt. Dann schweben wir auf Winterwald zu, der herrlich von der Sonne beschienen wird. Bei näherem Hinsehen ist es aber kein Schnee, der auf den Bäumen liegt, sondern Eis. Da muß Regen auf die Bäume gefallen und sofort gefroren sein. Ab und zu lösen sich lawinenartig Eisstücke von den Ästen und fallen krachend in die Tiefe, ein Geräusch, das ständig zu hören ist, mal nah, mal weiter weg.
Aus dem Liftsessel schön anzusehen, nur schade, dass ich meine Kamera in der Lenkertasche am Fahrrad gelassen habe, da komme ich jetzt nicht heran. Über Skipisten geht es insgesamt 400 Höhenmeter bis zur Bergstation auf 1040 m üM.
Man hilft jedem Fahrgast elegant aus dem Sessel und führt ihn fest an der Hand bis zu einer Stelle ohne Glatteis. Dann kommt mein Fahrrad, wird abgehängt und mir übergeben.
Doch da fehlt doch was! Meine Lenkertasche ist unterwegs abgefallen. Ja, sagt man mir, bei Stütze 9, genau auf halber Höhe, sei etwas runtergefallen, meine Lenkertasche könnte das gewesen sein.
Und wie kann ich da hinkommen ?
Tja, das ginge nur zu Fuß.
Oben liegt der Schnee 30 cm hoch auf der Piste, mit meinen Turnschuhen unmöglich zu machen. Mit meinem Oberschenkel steil abwärts zu gehen – gar nicht daran zu denken.
Bestandsaufnahme: Was war in der Tasche? Geld, Kamera, Rückreiseticket, Ausweispapiere? Genau weiß ich es nicht einmal, denn gestern abend hatte ich noch umgepackt, aber die Kamera ist auf alle Fälle dort drin.
Die übrigen Radfahrer, die sich irgendwo auf der Straße den Berg heraufquälen, sind noch lange nicht oben.
Ich stelle mein Rad auf einen Parkplatz und versuche zu genießen, was es zu sehen gibt. Das ist sicher einmalig, und das Ende April ! Rundherum alle Bäume, Häuser Kirchen, Denkmäler mit Eiskuppen oben drauf und langen Eiszapfen.Von der Ostseite kommen Autos mit Touristen herauf, alle zücken ihre Kameras, bevor das einmalige Schauspiel vorbei sein könnte.
Von den Touristen hören wir, dass sie 10 km von Süden, von Roznov pod Radhostem gekommen sind und dort unten fast 20 Grd Wärme hatten. Umso erstaunter sind sie über das winterliche Schauspiel hier. Sind wir also doch so nahe dran am Frühlingserwachen ? Es ist fast windstill, die sonnenbeschienen Flächen tauen schnell ab und allenthalben lösen sich wieder Eislawinen. Unter die Bäume zu gehen, kann gefährlich sein. Wie kommen die andern da auf dem Nordhang nur durch den Wald herauf?
Da kommt der erste, ein junger sportlicher Tscheche mit Mountainbike. Er hätte die Spur gefahren, soviel verstehen wir.
Spur ?
Nach 40 Minuten kommen die andern, der letzte nach 100 Minuten. Alle naß von unten bis zu den Knien, ziemlich erschöpft, aber dennoch überwältigt von dem Zauber hier oben. Wie war der Aufstieg ? 12 bis 15 % Steigung auf einem asphaltierten Holzabfuhrweg, eigentlich ganz gut zu befahren, aber der letzte Kilometer, als der Schneematsch immer höher wurde, hat jedem wohl das Letzte abverlangt.
Fahr mal steil bergauf in einer Spurbreite von höchstens 20 Zentimetern, in der Schneematsch festgefahren ist! Sobald Du aus der Spur ausbrichst, ist Absteigen angesagt, dann landet man mit den Schuhen in 30 cm tiefem Schnee, im unteren Drittel davon Matsch, man rutscht zur Seite, versucht das Rad zu halten, das rutscht auch weg..... dann ist keine Chance zum wieder Aufsteigen, dann muß man schieben, entweder mit dem Reifen im tiefen Schnee und den Füßen auf der Spur oder mit den Füßen im Schneematsch und dem Reifen auf der Spur – egal wie, man rutschte dauernd aus, bis man oben war.
Aber oben angekommen findet es jeder ganz toll.
Nur auf der selben Strecke zurückfahren, bei dem Gefälle, das will keiner riskieren. Also trennt sich die Gruppe nach der gewählten Rückfahrstrecke: Entweder Sessellift – den ich nehmen muß, oder Autostraße zurück über Roznov pod Radhostem mit 25 km Umweg oder eine andere, eigentlich gesperrte Straße mit 17 % Gefälle nach Norden, die ganz mutige Mountainbiker riskieren.
Doch vorher wird noch beratschlagt, wie man meine Tasche bergen könnte. Da sind zwei Bergsteiger in unserer Gruppe, für die das eine Herausforderung ist. Sie lassen ihre Räder auf dem Lift nach unten bringen und machen sich zu Fuß auf den Weg genau unter dem Lift steil bergab.
Als ich abends in unserer Unterkunft zurück bin, finde ich meine Tasche unversehrt am Gardeobehaken und als ich sie freudig hoch halte, freuen sich alle mit mir, es gibt einen rauschenden Beifall für die beiden Bergsteiger.
Ende gut, alles gut – in unseren Zimmern trocknen inzwischen die Klamotten.
Aufbruch: | 27.04.2017 |
Dauer: | 9 Tage |
Heimkehr: | 05.05.2017 |