Albanien 2019 - Roadtrip durch ein kaum bekanntes Fleckchen Europas
Von Tirana nach Berat
Obwohl wir bereits Freitagnachmittag in Tirana im Hotel einchecken und daher am ersten halben Tag schon einiges von der Hauptstadt sehen, möchte ich den Reisebericht direkt mit der Fahrt in Richtung Berat am Samstagmorgen beginnen. Grund hierfür ist, dass wir zum Schluss nochmals in Tirana sind und ich die dortigen Erlebnisse lieber gebündelt im letzten Kapitel vor dem Fazit behandeln möchte.
Unser erster Zwischenstopp ist zum Glück nur wenige Kilometer südlich der Hauptstadt zu finden: Der kleine Ort Petrela inkl. gleichnamiger Burg. Während die heutige Anlage weitestgehend aus dem Mittelalter stammt, reicht das Alter der Fundamente sogar bis in die Spätantike zurück. Mamica, die Schwester des Nationalhelden Skanderbeg (hierzu später mehr), residierte im 15. Jahrhundert n. Chr. in der Burg. Nach einem kurzen Aufstieg findet man oben angekommen u.a. ein Restaurant und kann den wunderschönen Weitblick über die Landschaft bis nach Tirana genießen. Wirklich ein lohnenswerter kleiner Abstecher!
Die nächste Station kann ich mir nicht nehmen lassen! Kurz vor meiner Abreise habe ich erfahren, dass Namik, der Pächter des Restaurants in meinem Tennisverein, eine Schwester hat, die in Albanien lebt und dort zusammen mit ihrem Mann ein Restaurant führt. Der Mann von ihr sei wohl irgendwie in Albanien bekannt oder so...
Da dieses Lokal, das "Bujtina Mera", direkt um die Ecke liegt, halten wir dort auf einen Kaffee. Nachdem wir das Gebäude und die Aussicht bestaunt und uns hingesetzt haben, erscheint eine Frau, die vom Alter her Namiks Schwester sein könnte. Sie lächelt uns an und folgender Dialog entsteht:
"Hello, where are you from?"
"Hi, we are from Germany. I have a question right away: Do you have a brother, who lives in Germany?"
"Ääääähm...yes, I do."
"And is his name Namik?"
".............."
"Well, then greetings from your brother! I play in the tennis club where he has his restaurant."
Haha, ihr Gesicht ist Gold wert! Sie freut sich total und verteilt direkt eine Runde Blaubeersaft aufs Haus. Natürlich wollen wir dann auch noch etwas auf eigene Rechnung trinken. Da es heute 37°C sind, fragen wir, ob es Eiskaffee o.ä. gäbe...falls nicht, nähmen wir natürlich einfach etwas Anderes. Es gibt keinen, aber zusammen mit dem Koch macht sie uns dann tatsächlich trotzdem irgendwie welchen ("my new creation"). So nett, es ist uns ganz unangenehm, danach gefragt zu haben! Auch ein Foto mit ihr mache ich als Erinnerung für den Bruder, aber ungefragt möchte ich es hier natürlich nicht veröffentlichen.
Wie sich später herausstellt, heißt ihr Mann Behar Mera und ist anscheinend wirklich ein sehr bekannter Schauspieler und Comedian in Albanien.
Unser nächstes und letztes Ziel vor Berat ist die Pëllumba-Höhle (auch Schwarze Höhle). Bei ihr war ich im Vorfeld unsicher, ob und wie wir sie besichtigen können. Ich glaube, selbst viele Albaner kennen sie nicht und Internet sowie Reiseführer geben hier meist nur lückenhafte Infos. Dennoch reizte sie mich aus irgendeinem Grund und mit sechs Männern möchte man ja ein bisschen "Abenteuer" zwischendurch.
Klar ist jedenfalls, dass wir mit dem Auto zunächst nach Pëllumbas müssen und von dort noch ein ganzes Stück laufen werden. Tatsächlich stoßen wir im Ort auf eine Person vor einem Gebäude. Das Ganze nennt sich "Pëllumbas Tourism Cluster", wenn ich mich richtig erinnere. Cluster ist ein ziemlich großes Wort für das, was wir hier sehen. Aber uns wird alles erklärt und wir haben die Wahl, einen Führer, Helme und/oder Scheinwerfer mitzunehmen.
Führer, pff! Helme, ach was! Licht...ja gut, Licht wäre vielleicht nicht schlecht in einer dunklen Höhle. So nehmen wir - zusätzlich zu den 3-4 funzeligen Taschenlampen, die wir bereits dabei haben - noch zwei tragbare Scheinwerfer (ca. 3€ Leihgebühr pro Stück) mit auf den Weg. Wie eben erwähnt ist es heute sehr, sehr heiß und der Weg zur Höhle dauert rund eine Stunde...one-way! Hinzu kommt, dass es ziemlich bergig ist und auf dem Hinweg größtenteils nach oben geht. Obwohl die Strecke landschaftlich wunderschön ist, spüre ich nach einer knappen Stunde Hitze und meiner Aussage, dass der Höhleneingang laut meiner Offlinekarte eigentlich schon vor 100 Meter hätte sein müssen und er doch hoffentlich überhaupt noch käme, eine gewisse Abneigung gegen mich und böse Blicke in meinem Rücken.
Doch schließlich tut sich der Höhleneingang wie ein riesiger Schlund vor uns auf. Sofort wird es gefühlt 10°C kälter, als wir in den kühlen Luftstrom treten, der aus der Höhle kommt. Sehr angenehm!
In den meisten anderen Ländern wäre nun irgendwo Personal oder eine Beleuchtung oder Touristen oder ein Gehweg in der Höhle oder Absicherungen... Hier ist: Nichts von alledem! Als man in die stockdunkle Höhle blickt, fühlt es sich tatsächlich nach einem kleinen Abenteuer an!
Die Pëllumba-Höhle ist eine 350m lange Karsthöhle, in der es mehrere große Kammern mit Stalaktiten, Stalagmiten und jeder Menge Fledermäusen gibt. Nach den ersten 100m schalten wir spaßeshalber alle zeitgleich unsere Taschenlampen aus. Man sieht...gaaar nichts! Nicht einmal nach 30 Sekunden auch nur einen Hauch von Konturen. Ich denke an einen Satz aus meinem Reiseführer: "...auch eine Taschenlampe empfiehlt sich." Empfiehlt sich?! Ja, danke, ein eingebautes Nachtsichtgerät haben meine Augen zufälligerweise nicht.
Wir kraxeln weiter und müssen uns konzentrieren, nicht alle zehn Meter hinzufallen. Der Boden ist durch die Feuchtigkeit, den Schlamm und - nach unserer Theorie - den "Fledermaus-Guano" so rutschig, als hätte jemand großzügig Seifenlauge verteilt. Einen Mitreisenden erwischt es direkt drei Mal und nach seinen (glücklicherweise glimpflichen) Stürzen sehen die Klamotten später im Hellen entsprechend aus. Aber sauber kommt niemand von uns heraus, daher sollte man sich entsprechend kleiden und besser nicht alleine gehen. Auch ausreichend Wasser empfiehlt sich gerade im Sommer für den längeren Weg.
Nach jedem Abschalten unserer Lampen erwartet man fast, dass nach dem erneuten Einschalten plötzlich eine siebte Person in der Runde auftaucht. Leider oder zum Glück - das ist jetzt Ansichtssache - bleibt es stets bei sechs Personen.
Der einstündige Rückweg kommt uns allen kürzer vor, da wir noch ziemlich geflasht von der Höhle sind, über das Erlebte lachen und ich bin insgeheim froh, nicht schon am ersten Tag einen Schwerverletzten beklagen zu müssen. Der dicke blaue Fleck am Fuß des gestürzten Kumpels ist noch vertretbar! Selbst jetzt nach der gesamten Reise sticht dieser Ort - zusammen mit einigen anderen - aus all den Dingen, die wir gemacht haben, heraus.
Wir sauen den Fußraum unseres Busses zwangsläufig komplett ein und machen uns auf den Weg nach Berat. Ich habe dort eine Unterkunft in einem traditionellen Haus mitten im Mangalem-Viertel gewählt (Hotel Nasho Vruho).
Berat wird auch die Stadt der 1000 Fenster genannt, das unten angefügte Foto erklärt vielleicht, warum das so ist. Die Stadt wurde 1961 zur Museumsstadt und 2008 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.
Zunächst schauen wir unser muslimisches Viertel an, bevor wir eine Runde über den Fluss Osum und die Goricabrücke von 1780 drehen. Diese siebenbogige Brücke wurde von Ahmed Kurt Pascha gestiftet und es gibt die Sage, dass als Brückenopfer und Fetisch für die Stabilität eine Frau in das Fundament eingemauert worden sei. Die Brücke wurde in beiden Weltkriegen zerstört und 1920 bei der Renovierung fand man das Haupt einer Frau...
...aber nur aus Holz.
Vorbei am Basar geht es schließlich auf den Berg zur Zitadelle. Beim Aufstieg muss ich selbst lachen! Es ging heute erst hoch zur Burg Petrela, dann gab es 2x eine einstündige, bergige Tour zur Höhle und zurück und jetzt das! Der Fitnesstracker eines Mitreisenden zeigt für diesen Tag glaube ich 180 Stockwerke (er zählt nur bergauf!) am Ende an...sorry an dieser Stelle noch einmal!
Die Zitadelle ist tatsächlich noch heute bewohnt - wie die Festung in Kruja. Es gäbe zu den Kirchen, Vorburg, Waffenkammer & Co etliches zu erzählen, was jedoch den Rahmen sprengen würde. Daher gibt es hier lediglich einige (dafür sehr schöne, wie ich finde) Impressionen. Falls man in Berat ist, stellt die Zitadelle jedenfalls ein Pflichtprogramm dar!
Nach dem Abstieg geht es zum wohlverdienten Abendessen und wir beginnen hier ein Muster, welches wir fast ausnahmslos für die kompletten Tage so durchziehen:
Anstelle, dass jeder etwas eigenes bestellt, gibt es einfach mehrere Platten mit sämtlichen traditionellen Spezialitäten des Restaurants. Zum einen war dies selbst ohne Albanischkenntnisse (bzw. Englischkenntnisse auf der anderen Seite - wobei die meisten Englisch sprachen!) am einfachsten umsetzbar, zum anderen ist es natürlich super, alles probieren zu können: Gefüllte Paprikaschoten, Reis- und Fleischbällchen, Käse, Oliven, Byrek, kalte Gurkensuppe, Lammschulter, frisch gebackenes Brot, usw. usw.! Nach einem Essen bekommt man meistens noch einen Teller mit Obst, was einen guten Abschluss bildet.
Der Verdauungsspaziergang führt uns schließlich noch einmal zu ein paar schönen Punkten, bevor es in unser kleines, aber feines Domizil für die Nacht geht.
Berat ist definitiv einen Besuch wert! Für mich ist der Ort zusammen mit Gjirokastra der schönste - wobei man ihn größentechnisch natürlich nicht mit Tirana oder so vergleichen kann.
Aufbruch: | 05.07.2019 |
Dauer: | 10 Tage |
Heimkehr: | 14.07.2019 |