Durchs wilde Yucatan
In Bizarrien
Zapatalott!
Im Süden werden die Straßen wieder breit und ich komme nach Salina Cruz am Isthmus, wo man auch einmal einen Kanal durchziehen wollte.
Unmengen von Windrädern gibt es hier, aber die Stadt ist mäßig attraktiv. Auf den Hügeln westlich von Santo Domingo de Tehuantepec bekomme ich dann einen Blick auf den Pazifik. Das kann man so lassen!! Ich fühle mich wie in Tahiti.
Es soll nun nach Acapulco gehen, aber seltsame Dinge geschehen.
Ich gerate in einen Stau, einen langen, es gibt keine Umleitung.
Ich habe Lektüre dabei, das E-Book „The Box“ über die faszinierende Wirtschaftsgeschichte des Containers, und übe mich in Geduld.
Nach fünf (!) Stunden will ich aber doch wissen, was das wohl für ein entsetzlicher Unfall ist, und mache mich auf, die Kolonne entlang nach vorne.
Seltsamerweise ist nämlich weder Polizei noch Feuerwehr vorbeigerauscht, nur ein Militär-Lkw mit Rekruten, der kann aber auch zufällig da sein.
Es sitzen Leute auf der Straße unter einem Sonnenschirm, Baumstücke als Barrikaden quer über die Straße. Ich finde einen Soldaten, der englisch versteht, und befrage ihn.
Es ist eine friedliche kleine Demonstration. Unklar, worum es geht, irgendwer ist im Krankenhaus.
Mich verblüfft, mit welcher Ruhe das hingenommen wird, kein Hupkonzert, keine Wortgefechte oder so. Strasse blockiert. Ja mei. Is so. Lange Nachmittagspause, na und?
Um neun Uhr abends beginnt es zu regnen, und damit endet auch die Demo.
Die Kolonne setzt sich in Bewegung und bei der Blockade halten nun Leute Büchsen auf, erwarten eine kleine Spende. Stattdessen schimpfe ich nach Herzenslust.
Nach acht Stunden in der Hitze muss man auch mal Dampf ablassen.
Prompt schieben sie wieder Holzstücke vors Auto, aber ich sage ihnen, dass es mir auf ein paar mehr Stunden nun auch nicht mehr ankommt. Ich Sturschädel darf weiterfahren. Mein Humor ist für diese Wegelagerei leider nicht ausreichend.
Es stellt sich heraus, dass das nur der Auftakt ähnlicher Ereignisse war.
Am nächsten Morgen treffe ich auf zwei Gestalten mit umgehängter Flinte, die auch eine Abgabe von den Autofahrern erbitten.
Bei diesen beiden entrichte ich den Obulus. Denn erstens haben sie mich nicht stundenlang in der Hitze brüten lassen, und zweitens ist ein Gewehrlauf das stärkere Argument. Die Polizei steht hundert Meter weiter und ignoriert das.
Not macht erfinderisch, und die Leute hier erfinden eben die Privatmaut.
Denn das Ritual wiederholt sich alle paar Kilometer.
Nur: Je näher ich Acapulco komme, desto moderner werden die Knarren. Ich fange an, mir Sorgen zu machen, verräume iPad und so, mache möglichst auf arme Sau.
Schon ein wenig seltsam, wie sie das Zapata-Lokalkolorit touristisch verwerten.
Aber es kommt noch seltsamer:
An einer offiziellen Autobahn-Mautstelle lungern ein paar junge Burschen herum, das Gesicht hinter Baclavas, und kassieren.
Nominell wären 140 Pesos fällig, ich habe einen 200-Schein und sie würden mir 100 Pesos herausgeben, ohne Quittung. Der Beamte in seiner Zelle ignoriert das Ganze.
Ich verstehe nicht recht und weigere mich, an die Knaben zu zahlen. Sie öffnen den Schranken und ich darf auch so weiterfahren.
Dummer Ausländer, interkulturell inkompetent, werden sie sich gedacht haben.
Was ist das, was ich hier sehe? Die Abdankung des Staates? Robin Hood, der einen Maut-Rabatt herausschindet? Ich weiß es nicht. Jedenfalls wird das Reisen schon ein bisschen mulmig, wenn man die sozialen Konventionen nicht mehr versteht.
Später finde ich in Reiseberichten, dass das eben wirklich ein harmloser lokaler Jux ist.
Apropos: An den meisten Mautstellen gilt: Nur Bares ist Wahres.
Einmal musste ich meine Gopro hinterlegen und zur nächsten Bank fahren, wozu ich durch einen Mautstelle musste, die Bares wollte, das ich nicht hatte.
Es ist mein Geburtstag und am Strand von Acapulco lasse ich ein paar Schluck warmes Corona-Bier einlaufen. Falls es jemanden interessiert: Die Damen hier sind tendenziell eher rundlich und die Herren eher ältlich. Aber den Charme des Ortes erfasse ich.
So war mein grober Plan gewesen, und beim Rest ging es nun nur mehr darum, zu verhindern, dass eine ulkige Überraschung den pünktlichen Rückflug verhindert.
Aufbruch: | 21.06.2021 |
Dauer: | 14 Tage |
Heimkehr: | 04.07.2021 |