Der Berg ruft: mit Polarausrüstung in die Tropen
7 Vulkanbesteigungen: #4 | Illiniza Norte (5.126m)
Heute ist der große Tag: mein erster 5.000er. Doch worauf ich mich da eingelassen habe, soll mir erst im Laufe der nächsten 6 Stunden klar werden.
Der Illiniza ist ein "ehemaliger" Vulkan, den es schon lange vor unserer Zeit gewaltig zerissen hat: statt eines normalen Kraterrandes ist dabei nicht viel übrig geblieben - außer zweier Gipfel.
Im Foto sieht man den südlichen (höheren) Gipfel, der den nördlichen Gipfel (Illiniza Norte) unwesentlich überragt: 5.263 Meter stechen durch die Wolken nördlich von Latacunga.
Der Illiniza Norte soll heute unser Ziel sein. Er gilt als verhältnismäßig einfach zu besteigen (anders als der sehr viel schwerere Südgipfel), trotzdem sind bei dem Unterfangen Führer nötig, weil man sich in der Höhe ausgesprochen leicht verlaufen kann - vor allem, bei unserem Glück mit schlechtem Wetter.
Glück? Bei der Anfahrt glauben wir alle noch, dass uns das beschert sein sollte. Der Himmel ist großteils blau, nur da, wo angeblich der Gipfel ist, sind stattdessen schwarze Wolken. Aber es ist ja auch noch sehr früh.
Dummerweise wird unser Optimismus nicht erst irgendwann erschüttert, sondern direkt beim Verlassen der Autos auf 4.200 Metern Höhe: die Luft ist rein und klar, aber nur solange alle stillhalten. Der kleinste Schritt jedoch sättigt die windige Luft mit Vulkanasche des gerade mal wieder speienden Cotopaxi. Alle Pflanzen, alle Steine sind damit bedeckt. Es gibt kein Entkommen.
Nach kurzer (aber heftiger) Diskussion entscheiden sich alle, die Besteigung anzugehen, aber mit Staubmaske - ein kraftraubendes Unterfangen, bei der dünnen Luft noch nicht mal freie Atemwege zu haben.
Um es kurz zu machen: für mich ist es von Anfang an eine Qual, die Atmung ständig am Limit. Immerhin 5 von ursprüngliche 7 schaffen es bis zur Hütte auf 4.700 Metern. Halbzeit! Dort trägt niemand mehr normale Klamotten: es ist eisig kalt und ein übler Wind pfeifft.
Ich find's lustig und wärme meine Finger für das, was kommt.
Zum Glück weiß ich ja nicht, was kommt!
Mmmh, also der deutsche Rettungsdienst würde mich bei einer Sauerstoffsättigung von nur 85% wohl erstmal flach hinlegen und dann wahrscheinlich Reanimationsmaßnahmen einleiten...
Vom Refugio Nuevos Horizontes zum Gipfel
Dick verpackt und halbwegs aufgewärmt machen wir uns auf die letzten 400 Höhenmeter. Das Gelände ist anfangs etwas anspruchsvoller als unten am Berg, aber machbar. Sehr langsam geht es - wie es scheint - um den Berg herum. Wir frieren, aber leiden noch nicht.
Auf den letzten 200 Höhenmetern ändert sich das: der Illiniza Norte ist eben nur "technisch" ein einfacher Berg, von Luftdichte ist da keine Rede. Während also der Weg steiler wird, geht uns immer mehr die Luft aus. Der Berg erkennt unsere Schwäche und beginnt damit, uns Felsen in den Weg zu schmeißen, die zunehmend anstrengender zu bewältigen sind. Und als ob das nicht reicht, geht es hinter uns senkrecht runter. Keiner sagt es uns, aber ich weiß: hier muss ich höllisch auf meine Atmung aufpassen. Denn nicht der Abgrund ist die eigentliche Gefahr, sondern mein eigenes Herz-Kreislauf-System. Einen Aussetzer mit Schwindel wie Tage zuvor am Pichincha kann ich mir hier nicht leisten. Dementsprechend geht es nun deutlich langsamer.
Immerhin entscheiden die 3 Guides, dass unsere gesamte 5er-Gruppe fit genug ist, um nicht angeseilt zu werden. Wir tragen aber Helme, so kann man sich hin und wieder mal den Kopf stoßen, ohne gleich zu weinen
Im Hintergrund sieht man Eisskulpturen, die offenbar dadurch zustande kommen, dass die unglaublich feuchte Luft am Felsen auskondensiert. Es entstehen sehr seltsame, beinahe horizontale Eiszapfen.
Leider waren mangels guter Sicht keine besseren Bilder möglich. Immerhin gibt es Bilder: ein Zeichen dafür, dass noch Energie übrig war - anders als 2 Tage später am Cayambe.
Am Gipfel halten wir es geschätzte 2 Mintuten aus. Seit einer halben Stunde hagelt es, extremer Wind macht uns allen sehr zu schaffen. Es war hart.
Der Abstieg ist nicht weiter tragisch, wenn man mal vom Kampf mit der Asche in den tieferen Lagen absieht.
Fazit Illiniza Norte
Insgesamt waren wir 6 Stunden, 10 Minuten unterwegs. Ganz ordentlich eigentlich (vor allem bei den harten Bedingungen), denn das ist die Zeit, die man offiziell nur für den Aufstieg braucht. Und die Guides fanden's auch super, unerwartet einen freien Nachmittag zu haben!
Ich selbst hatte das Gefühl, dass ich mehr kämpfen musste als die anderen. Insbesondere zum Gipfel hoch wär's fast soweit gekommen, dass ich einen eigenen Guide als Betreuung und Schlusslicht bekommen hätte. Habe mich dann aber ganz gewaltig am Riemen gerissen und die Gruppe 10 Meter vor'm Gipfel wieder eingeholt. Puh!
Erstaunlich fand ich, in welchem Tempo die 3 verblienen Mädels in unserer Gruppe unterwegs waren: nach eigener Aussage alle drei nicht super trainiert und auch permanent am Limit - aber eisern und immer schneller als wir beiden Jungs. Die Guides haben das später nochmal unterstrichen: ihrer Erfahrung nach machen Frauen in dieser Höhe häufig eine deutlich bessere Figur als Männer! Tja...
Aufbruch: | 06.08.2015 |
Dauer: | 5 Wochen |
Heimkehr: | 10.09.2015 |
Original Meerschweinchen-Rezept