Der Berg ruft: mit Polarausrüstung in die Tropen
Auf nach Ecuador!: Cotopaxi: Vorbereitungen
Nun ist es eine Sache, von einer (gescheiterten) Cotopaxi-Besteigung zu lesen. Das dann auch noch selbst zu versuchen, ist schon relativ verrückt.
Warum zur Hölle sollte man sich das selbst antun?
Das werde ich häufiger gefragt, denn in meinem Freundeskreis war ich bisher nicht gerade als Extremsportler bekannt. Eine wirklich zufriedenstellende Antwort auf diese Frage zu geben, fällt mir aber schwer:
- Klar, da ist die große Faszination, die die Höhenbergsteigerei ausübt. Bilder von dick vermummten Menschen mit kleinen Eiszapfen im Gesicht, Legenden wie Tensing Norgay oder Reinhold Messner, die wirklich Grenzen überwunden haben. Das ist aber keine wirkliche Motivation für mich, mir ist ja klar, dass ich Ähnliches nicht leisten werde.
- Auch die Lage des Berges ist kein wirklicher Motivationsgrund für mich. Dass der Cotopaxi - vom Erdmittelpunkt gemessen - der zweithöchste Berg der Erde ist (und damit der Sonne minimalst näher kommt als der Mount Everest...) - geschenkt. Oder dass es sich um den zweithöchsten aktiven Vulkan der Erde handelt. Oder dass er fast direkt auf dem Äquator steht. Und man 2 Meter höher muss als bei einer Kilimandscharo-Besteigung? Warum sollte das auch eine Rolle spielen? Hat es doch zur Folge, dass viele dieser hohen Berge ziemliche Massenziele sind. Und letztlich sind es ohnehin nur Zahlen. So sehe ich das jedenfalls. Zugegebenermaßen habe ich trotzdem Spaß daran, die Zahlen zu nennen. Sie helfen doch ein bisschen bei der Motivation
- Ganz sicher ist ein wichtiger Grund die Schönheit der Natur: in der Gletscherzone des Cotopaxi erwarten den Reisenden offenbar hochhaushohe Eisskulpturen, Gletscherspalten, und ganz oben ein faszinierender Blick in den rauchenden Schlot, während im Hintergrund die Sonne hinter dem gebogenen Horizont auftaucht. Aber werde ich davon überhaupt viel mitbekommen? Der Aufstieg erfolgt nachts, aller Voraussicht nach, werde ich so fertig sein, wie nie zuvor in meinem Leben. Mein kleines Hirn hat ja schon beim normalen Joggen mitunter Erinnerungsschwiergigkeiten...
- Womit wir beim eigentlichen Thema wären. Denn wenn ich ganz, ganz tief in mich hineinhorche, nachdem ich erst ganz, ganz laut "Was zur Hölle machst Du da???" in mich hineingebrüllt habe, dann kommt eine Antwort aus meiner längst vergessenen (besser: verdrängten) Schulzeit. Eine in langen Jahren des verhassten Sportunterrichts erlernte und nur sehr langsam wieder abgelegte Abneigung gegen sportliche Betätigung und damit einhergehend die Überzeugung: "Sonderlich sportliche biste nicht." Ich hab's sogar Schwarz auf Weiß (s.u.). Vielleicht ist das der eigentliche Ansporn, der hinter meinen Cotopaxi-Plänen steht. Natürlich macht mir aber Bewegung durchaus Spaß, ich werde mich also nicht freudlos den Berg hochquälen. Aber immer mit dem Hintergedanken: "Ihr habt mir das nicht zugetraut mit Euren Vierern? Ihr könnt mich mal!" Bei jedem Schritt, als Mantra
Mein Gott, habe ich den Sportunterricht gehasst! Vielen Dank nachträglich für den Ansporn, den Sie, liebe Herren Thoma, Klages und Pörtner (meine Sportlehrer), mir ohne jegliche Absicht oder erkennbaren Willen mit auf den Weg gegeben haben! Dank Ihres "Unterrichts" erfreue ich mich paradoxerweise bester Gesundheit
Vorbereitung auf den Berg
Ich bin nicht so naiv, zu glauben, dass ich den Gipfel ohne Vorbereitung erreichen könnte. Folglich war ich im letzten halben Jahr vor der Reise reichlich laufen, auf diversen Bergen unterwegs (auch gerne mal joggenderweise) und gefühlt so aktiv wie seit Jahren nicht mehr.
Und ich habe auf den Rat einer befreundeten Ärztin gehört, die mir dringend empfohlen hat, mich komplett durchchecken zu lassen. So habe ich also vor ein paar Wochen fünf Stunden bei ihr in der Sportmedizin der TU München verbracht und Versuchskaninchen gespielt. Ich habe jetzt praktisch die "offizielle" Erlaubnis, so einen Schabernack zu machen, inkl. 8000ern, wenn's denn unbedingt sein muss
Am erfreulichsten war aber die Anmerkung der Ärztin, meine Ergebnisse beim Belastungs-EKG seien aus ihrer Sicht in keinster Weise kompatibel mit der Meinung meiner Sportlehrer. Und das habe sie leider häufiger... Da hab ich mich gescheit drüber gefreut!
Nichtsdestotrotz: auch Training und Komplettcheck sind keine Garantie, dass nicht die Höhenkrankheit massiv zuschlägt und alle Pläne schlagartig zunichte macht. Die ersten 24 Stunden in der Nähe des Berges - dort bereits auf ca. 3.000 Metern Höhe - werden darum sehr, sehr spannend für mich.
Durchführung der Tour
Wegen der großen Höhe empfiehlt es sich dringend, vor dem Aufstieg einige Tage der Höhenanpassung ("Akklimatisierung") zu absolvieren. Zu viele Touristen scheitern, weil ihr Körper einfach die Reißleine zieht. Ich habe also vor, mir einige Tage Zeit zu nehmen, und in der Umgebung des Cotopaxi-Nationalparks ein paar kleinere Vulkane zu besteigen - nur um zum Schlafen wieder auf 3.200 Höhenmeter abzusteigen, das empfohlene Verhalten bei Höhenanpassung.
Als ziemlicher Neuling hielt ich es aber für angeraten, das mehrtägige Abenteuer nicht allein anzugehen. Abgesehen davon darf man zumindest den Cotopaxi seit 2012 (nach einem tödlichen Unfall an einem anderen Berg, mehr dazu später) ohnehin nicht mehr ohne Bergführer besteigen, die Frage stellt sich also garnicht.
Stattdessen begebe ich mich auf eine 7-tägige Akklimatisierungstour mit einem der örtlichen Anbieter: Gulliver Expeditions haben einen sehr guten Ruf, und nach den Bewertungen, die ich bei langer Recherche im Internet gelesen habe, sind sie für meinen Plan genau die Richtigen.
Ihre "Akklimatisierungspackages" klingen überzeugend und durchdacht. Nachdem sich dann eine der Ärztinnen beim Besuch in der Sportuni auch noch als Höhenexpertin rausgestellt hat und mich praktisch genötigt hat, ihr das Programm samt Tageshöhenmetern vorzulegen, wurde nicht nur mein Plan, sondern auch Gulliver's 7-Tages-Package für gut befunden. Also nichts wie gebucht!
Untypisch für mich: ich habe auch tatsächlich Wochen vorher gebucht, weil offenbar gerade die Sommermonate absolute Hochsaison sind. Und die Plätze in der Unterkunft am Fuß der Vulkane sind begrenzt. Genauso wie auch die Anzahl verfügbarer Führer.
Jetzt kann's also los gehen, noch 5 Wochen, Hals- und Beinbruch!
Aufbruch: | 06.08.2015 |
Dauer: | 5 Wochen |
Heimkehr: | 10.09.2015 |
Original Meerschweinchen-Rezept