Wanderpaddeln in Südwestfrankreich

Reisezeit: August / September 2007  |  von Stefan Beyer

Vov Fluss zu Fluss

Wir wollen heute noch zum Aveyron umsetzen und am frühen Abend erreichen wir unser Ziel: Saint Antonin Noble Val. Übernachtet wird im Stadtpark, direkt am Fluss gelegen. Da Tische und Bänke vorhanden sind ist es auch recht bequem und Chefkoch Nils läuft zur Höchstleistung auf. Spaghetti mit gebratener Wurst und Cremesoße, dezent abgeschmeckt mit Knoblauch, dazu herrliches frisches Weißbrot, natürlich Käse. Je nach Geschmack Elsässer Bier, Pastis oder Vin du Pays Rouge. Sven war am Abend in der Stadt, Studien treiben. Wir anderen diskutierten inzwischen die Welt ( wie immer) besser. Nach Svens Bericht hat sich in Saint Antonin Noble Val eine kleine Künstlerkolonie angesiedelt die, nachdem die Stadt lange stagniert und ihrer besseren Zeit als exklusives Kurbad nachgetrauert hat, einen neuen Aufschwung ankurbeln möchte. Es ist mittlerweile fast dunkel geworden. Die Einheimischen, die den Sonntagnachmittag mit einem ausgiebigen Picknick am Lagerfeuer, Boulespiel und Angeln zelebrierten, verlassen nach und nach den Stadtpark. Zeit für uns langsam unser Nachtlager aufzuschlagen. Lieber Leser stell dir mal eine deutsche Kleinstadt vor, wo im Stadtpark 6 stoppelbärtige Fremde zufrieden und ohne das Gefühl etwas schlimmes zu tun, aus Ihren Schlafsäcken heraus den klaren Sternenhimmel betrachten! Nach dem obligatorischen Morgenkaffee geht es die paar Meter bis zum Bootsverleih. Monsieur empfängt uns mit strahlendem Gesicht. Kein Wunder, denn pünktlich zum 31. August ist für die allermeisten Franzosen die Urlaubszeit vorbei und da sind natürlich 6 deutsche Touristen die 6 Kanus mieten wollen sehr willkommen. Übrigens ein ganz gewichtiger Grund warum unsere alljährliche "Männerfahrt" seit über 10 Jahren Anfang September stattfindet. Es ist schon recht einsam auf den Flüssen ( außer Ardeche!), im Juli oder August würde ich niemandem empfehlen in Frankreich zu paddeln, es sei denn er ist Masochist oder ein ausgesprochenes "Herdentier". Ein weiterer Vorteil: die meisten städtischen Zeltplätze (Camping munizipal) schließen Ende August, lassen aus unerfindlichen, uns aber sehr gelegenen Gründen ihre Infrastruktur, also Sanitäranlagen etc. noch bis Mitte September an. Geradezu ein Paradebeispiel haben wir einmal, 2001 am Allier erlebt. Bei Chilhac einem kleinem Dörfchen hoch auf einem Felsen gelegen und mit einem sehenswerten Naturdenkmal ausgestattet, einem versteinertem Basaltstrom, der an eine riesige, überdimensionale Orgel erinnert, hatten wir uns unten am Fluss auf dem städtischen Zeltplatz bequem gemacht.

Genossen die Annehmlichkeiten einer heißen Dusche und warteten auf besseres Wetter, was mit Tagesausflügen nach Le Puy on Velay (sehr empfehlenswert, mitten in der Stadt erheben sich 2 hohe Gesteinssäulen, die von einem Vulkanausbruch herrühren.

Die Kuppen dieser Säulen sind mit einer Burg bzw. einem Denkmal das die Marianne darstellt und von der Größe der "Grand Nation" künden soll überbaut) und zum Puy de Sancy, dem mit 1855m höchsten Gipfel des Mont Dore Gebietes ausgefüllt. Aus Zeitgründen sind wir allerdings mit der Seilbahn hochgefahren, was ich niemals gemacht hätte, wenn ich mir dieses Wunder der Technik vorher genau angesehen hätte, sie sah nämlich aus, wie gebraucht auf einem Basar in Turkmenistan gekauft. Also, wir sitzen gerade gemütlich beim Kaffee als ein Pickup auf den Zeltplatz rollt, 2 Arbeiter im Blaumann aussteigen höflich grüßen und uns irgendwas erzählen. Nach ein paar Minuten war klar, die wollten uns nicht vertreiben oder Geld kassieren, sondern den Platz schließen und fragten, wie lange wir noch zu bleiben gedenken und haben dann tatsächlich mit dem Schließen gewartet bis wir nach 2 Tagen abreisten. Weitere Pluspunkte für den Septemberanfang, es ist meistens noch angenehm warm, bis richtig heiß. Früchte, Beeren und Pilze gibt's gratis. Die Strassen sind fast leer und die meisten Bootsverleiher gewähren Rabatte. Kurz es ist einfach entspannter. Einen Nachteil gibt es natürlich auch, die Flüsse führen naturgemäß im Herbst wenig Wasser, aber um den optimalen Wasserstand zu haben müsste man im zeitigen Frühjahr fahren und das ist mir zu kalt, ich bin Genusspaddler und Mensch, kein Freak der sich quälen muss, um Punkte von einer Liste der noch zu erreichenden Ziele abzuhaken . Manch einer fragt sich sicherlich auch, was das für komische Paddler sind, die ohne ein eigenes Boot losziehen. Ich finde dagegen unsere Art zu reisen ist optimal. Eigene Boote mitzunehmen hat so viele Nachteile, man muss irgendwie zum Ausgangspunkt der Paddeltouren und damit zum Auto, das sich inzwischen ganz allein vor Räubern fürchtet zurückkommen, was verkehrstechnisch oft schwer bis unmöglich ist, zumindest aber nicht gerade billig. Bei einer Tagesgebühr von 15 € pro Boot finde ich es wesentlich gemütlicher sich vom Vermieter zum Ausgangspunkt zurückfahren zulassen. Das Auto steht inzwischen sicher beim Bootsverleiher und man darf (fast immer) dort kostenlos übernachten.
Ich denke es ist an der Zeit, die diesjährige Mannschaft vorzustellen. Hasso, mein ältester Freund, Werkzeugmacher und mit allen Eigenschaften ausgestattet, die dieser Beruf mit sich bringt, Pünktlichkeit, Ordnung, absolute Genauigkeit, darüber hinaus Junggeselle aus Überzeugung (?). Einmal, 1994 an der Isere zu den guten alten Raftingzeiten, da hab ich ihn völlig losgelöst erlebt, als wir nach einem phantastischen Abendessen in einer urigen Bergkneipe zum Fluss zurückfuhren und Hasso als Chauffeur bei heruntergelassener Scheibe, den Ellenbogen im Wind. Schlangenlinien fahrend ( kein Alkohol!) aus vollem Halse französische Chansons sang.

Eine Woche Raften auf Isere, Durance und Ubaye. Das war wirklich extrem hart, aber wunderschön

Eine Woche Raften auf Isere, Durance und Ubaye. Das war wirklich extrem hart, aber wunderschön

Nils, Feuerwehrmann, Exmatrose, Hektiker, Bluesfreak und aktiver Kampfsportler. Außerdem auf unseren Fahrten Koch ehrenhalber mit nur einem Nachteil, er bereitet fast alles praktisch fettfrei, dafür aber, sagen wir mal, knoblauchmäßig zu. Im übrigen einer der besten Freunde, die man haben kann. Fips unser Bergfex, der bedingt durch seinen Job im Schichtsystem viel Freizeit in der Woche hat, die er ausnahmslos in der Sächsischen Schweiz verbringt. Klettert noch immer im oberen Bereich, alle Achtung.. Manchmal ist er mir einfach zu schnell, schaut nie nach rechts oder links und trotzdem, ich mag ihn, zumal er mich schon öfters mit "sanftem Druck", wenn ich aufgeben wollte die Felsen raufgezogen hat.Ein Beispiel dafür ist die sogenannte "Stefanklemme", ich verrate aber nicht wo die ist. Jochen, das genaue Gegenteil, der ruhende Pol der Gruppe. Sein Lieblingssatz: "Jetzt kochen wir erst mal 'nen Kaffee". Hochspannungsmonteur, seit Ewigkeiten auf Montage, ihm würde ich mich jederzeit anvertrauen. Schließlich Sven, mein ältester Sohn, zu dem ich in den letzten Jahren leider wenig Kontakt hatte. Ich glaube die Woche war für uns beide eine ungeheure Bereicherung. Danke dafür. Ja und ich selber? Das sollten eigentlich andere beantworten, nur soviel, ich bin Zwilling und glaube, das die Charakteristika dieses Sternbildes nach mir geschrieben worden sind. An dieser Stelle einen herzlichen Gruß an Dr. Tomaschewski aus Freital, der mich letztes Jahr nach meiner Rückenwirbelfraktur operiert hat und dem ich es verdanke, das ich überhaupt wieder im Boot sitzen darf.

Und auch die anderen, die dieses Jahr aus den verschiedensten Gründen nicht dabeisein konnten, seien hiermit gegrüßt, als da wären: Holm unser Gerechtigkeitsfanatiker, der seinen sicheren Job als Beamter aufgegeben hat und sich lieber mühsam, doch ehrlich durchs Leben schlägt. Lothar, auch Feuerwehrmann, Hobbyjäger und "Nilsaufpasser", den dieses Jahr sein Grundstück gefangenhält. Franz unser "Rheinländer", Trucker aus Leidenschaft und diesmal unabkömmlich in der Firma. Henri, der gerade Urlaub mit Familie macht und natürlich Andreas, Lebenskünstler und "Schwejk". Tim unser Berufssoldat ist zur Zeit durch sein Studium verhindert. Einer oder besser gesagt eine fehlt noch, meine Frau, die nun wirklich nicht alle meine Hobby teilt und mich dennoch jedes Jahr für einige Wochen ziehen lässt. Danke und ich liebe Dich auch deshalb. Für mich bist Du sowieso die Größte, das hast Du vor kurzem erst, in unserem Anschlussurlaub ( nach Frankreich) in Norddänemark, wieder bewiesen, als Du das erste mal mit ins Kanu gestiegen bist. Es war auf der Uggerby, einem schönen, verträumtem Wiesenfluss mit teilweise urwaldähnlichen Ufern, einer grandiosen Fischtreppe in Bindslev und einer schneidigen Mündung in die Nordsee. Übrigens ist Jütland zum entspannen ein ideales Urlaubsziel.
Aber nun zurück zum Aveyron. Gleich hinter der Stadt ein Rundbogenwehr mit nur einer kleinen Durchfahrt, auch mehr schlecht als recht, in der Flussmitte. Aber genau dort hat sich ein Angler mit mürrischem Gesichtsausdruck postiert. Also schieben wir die Boote über die Wehrkrone und rutschen hinunter. Etwa 2 km ruhige Fahrt ohne große Strömung liegen hinter uns als das nächste Wehr auftaucht. Ganz links eine schöne lange und steile Bootsrutsche, danach eine kleine Slalomstrecke. Der Fluss gibt sich nun lebhafter, das bis dahin breite Tal verengt sich zur Schlucht. Die Ufer sind übersät mit riesigen, vom Wasser glattgeschliffenen Steinplatten, die zum Sonnenbaden einladen, dazwischen feiner Sandstrand und Wiesen. Und dann sehe ich vor mir die hohen Felsen aufragen und weiß, dort macht der Aveyron einen Bogen nach rechts. Wir sind bei "Robinsons" angekommen. Letztes Jahr hatte Fips ein Foto gemacht auf dem wir drei zusammen mit Madame "Robinson", also "Freitag" zu sehen sind. Er hat T-Shirts mit diesem Foto bedruckt, die wir natürlich an diesem Tage getragen hatten. Ankommen, die Boote an Land ziehen und die Stufen zur Felsengrotte, pardon zur "Touristic Bar Robinson" emporsteigen sind eins. Als Madame "Freitag" uns sieht stutzt Sie, aber nach ungefähr 10 Sekunden ist die Erinnerung da. Wir werden herzlich begrüßt und verbringen den Nachmittag mit faulenzen, Kaffee und Bier trinken, von Madame zubereiteten Crepes essen und tollkühnen Sprüngen von einem Felsen, der mitten im Fluss liegt und immerhin etwa 8 m aus dem Wasser ragt, verbracht werden.

Nebenbei bemerkt, an diesem Felsen kann man auch prima bouldern. Er hat halt den Vorteil, wenn man abrutscht und fällt, tut es nicht weh. Weil man liegt im Wasser. Das einzige Negative an diesem Nachmittag passiert natürlich mir. Ich will mit meinen neuen Schwimmflossen ins Wasser und irgendwie schaff ich es doch, die linke total umzuknicken. Ist natürlich hinüber das Ding. Dummheit muss halt bestraft werden. Zum Abschied wird das obligatorische Gruppenfoto gemacht, diesmal lassen wir uns aber die Adresse geben und werden den netten Gastgebern einen Abzug schicken.

Weiter geht's durch eine Traumkulisse nach Cazals und dort wartet ja das bereits erwähnte Wehr.

Optimale Durchfahrt

Optimale Durchfahrt

Ich hab die letzten Kilometer schön gebummelt, die anderen sind alle schon durch. Fips steht mit der Kamera am Wehrrand und ruft": Du musst ganz rechts fahren" Ja, ja denke ich und fahre von links kommend schräg nach rechts hinüber ins Wehr. Schönen Dank übrigens an Jochen und Nils die mein führerloses Boot an Land brachten.

Hinter der Flussbiegung liegt "Robinsons Touristic Bar"

Hinter der Flussbiegung liegt "Robinsons Touristic Bar"

Wir sind an dem Abend noch mit den Autos bis Penne gefahren an die vorjährige Ausstiegsstelle, was folgte war ein wunderschöner Abend. Wer das selber einmal erlebt hat, weiß von was ich spreche. Dieses Gefühl, es wird dunkel, die Sterne leuchten, das Feuer prasselt, die Freunde sitzen Seite an Seite und alles erscheint einfach und unkompliziert, Probleme gibt's nicht. Zumindest nicht bis zum nächsten Morgen. Jähes Erwachen, Regentropfen im Gesicht, natürlich hatten wir wieder mal keine Zelte aufgebaut. Sah ja auch absolut nicht nach Wetteränderung aus. Also, schnell alles im Auto verstaut und ein Stück weg in Richtung Tarn, unserem nächsten Ziel. Zum Glück war es nur ein kurzer Schauer und auf dem ersten Rastplatz an der Strasse gab es Kaffee und ausgiebiges Frühstück. Viele Rastplätze, gerade in Südfrankreich laden zum längeren Verweilen ein, was von den Franzosen auch gern und ausgiebig in Anspruch genommen wird. Auf der A 75 von Clermont-Ferrand nach Montpellier kenne ich Raststätten auf denen man getrost mit Familie und Kindern einen ganzen Tag Urlaub machen könnte. Es gibt da Parkanlagen, Abenteuerspielplätze, Gastronomie sowieso, Grillplätze, künstlich angelegte Teiche, Picknickecken, kurz alles was man für einen Tag zum Erholen braucht.
Am frühen Nachmittag dann Ankunft im" Camp l' Alternative" am Tarn. Alles noch genau wie im letzten Jahr, Bootsverleih, Klettergarten, Boulderfelsen und Monsieur, der uns gleich wiedererkannte und nichts dagegen hatte, das wir auf seinem Gelände nächtigen. Zum Abendessen gab es eine Delikatesse, selbstgefangene Flusskrebse. Die Tarnkrebse waren außergewöhnlich groß und die Zubereitung ist relativ einfach. In einem ausreichend großen Kessel Wasser zum sieden bringen, die Krebse hineinschütten und einige Minuten kochen lassen bis sie an die Oberfläche treiben. Sie sind dann ganz rot und gar. Bon Appetit.

Der nächste Tag brachte dann Superwetter mit Superspaß auf einem Superfluss. Der Tarn ist einfach nur immer wieder schön.

© Stefan Beyer, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Woche kreuz und quer durch Südwestfrankreich fahren und überall die schönsten Flussabschnitte paddeln. Dazu bißchen Kultur und allgemeines.
Details:
Aufbruch: 30.08.2007
Dauer: 11 Tage
Heimkehr: 09.09.2007
Reiseziele: Frankreich
Der Autor
 
Stefan Beyer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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