Im herbstlichen Bosnien und der Herzegowina
Die Tour startete zur goldenen Herbsteszeit von München aus per Flugzeug nach Dubrovnik an der dalmatinischen Küste. Von dort aus ging es weiter per Überlandbus in die Hauptstadt der Herzegowina, nach Mostar. Nach zweitägigem Aufenthalt setzte ich die Reise per Busfahrt fort über die schneebedeckten Pässe Mittelbosniens ins bereits verschneite Sarajevo. Von dort ging es zwei Tage später in einer abenteuerlichen Busfahrt durch Bosnien, Kroatien, Slowenien und Österreich heim nach München.
Die abenteuerliche Anreise nach Mostar
Am Freitag, den 19. Oktober 2007, sollte mich meine innerste Sehnsucht, Bosnien-Herzegowina, dieses kriegsgeschundene Balkanland zwölf Jahre nach Beendigung der Kampfhandlungen im Rahmen des im Herbst 1995 geschlossenen Dayton-Abkommens zu besuchen, endgültig übermannen und so startete ich zu dieser für manchen sicher ungewöhnlich anmutenden Jahreszeit nur mit Rucksack "bewaffnet" von Deutschland aus, um dieses Land quasi auf eigene Faust nur mit Überlandbussen und zu Fuß zu erkunden.
Mangels adäquater Zuganbindung musste ich den letzten Zug von Regensburg aus bereits am Vorabend nehmen, um meinen Flug mit tuifly von München in die kroatische Hafenstadt Dubrovnik am nächsten Morgen nicht zu verpassen. So stand mir eine überwiegend unspektakuläre Nacht am Münchener Flughafen bevor.
Nach absolviertem Check-In startete der Flug, der knapp über eine Stunde dauern sollte, um ca. 8 Uhr bei herrlichem Sonnenschein über süddeutschen Gefilden. Während des Sinkvorgangs der Maschine über der azurblauen Adria machte uns der Kapitän auf eine möglicherweise ruppige Landung gefasst, da Scher- und Fallwinde - der Flughafen Dubrovnik-Cilipi liegt ca. 30 Kilometer südlich der eigentlichen Stadt oberhalb zwischen dem Meer und einem Hochplateau - den Landevorgang behindern könnten. Just so kam es dann auch. Nachdem die erste Landung wegen zu starker Winde im letzten Moment abgebrochen wurde, zog der Captain die Maschine wieder hoch und versuchte es ein zweites Mal - leider mit dem gleichen enttäuschenden Ergebnis. So musste der Flug ins ca. 200 Kilometer weiter nördlich gelegene Split ausweichen, welches wir rund eine halbe Stunde später problemlos anflogen, nachdem zwischenzeitlich bereits erhebliche Unruhe an Bord unter den Passagieren entstanden war.
Von dort aus charterte die Airline zwei Busse, die uns nach Dubrovnik bringen sollten; nach schlafloser Nacht auf dem Flughafen im Grunde genommen eine willkommene Gelegenheit, sich im Bus die Herbstonne auf den Pelz scheinen zu lassen, den Ausblick auf die dalmatinische Küste und das karstige Hochland zu genießen und nebenbei zu schlummern. Allein das Schlummern fiel mir in dem Moment schwer, war doch meine restliche Tagesplanung erstmal und das gleich am allerersten Tag gehörig durcheinander geraten...
Die Überführung von Split in südliche Richtung entlang der dalmatinischen Küste über Makarska, Gradac, Ploce und Neum (BiH) nach Dubrovnik dauerte mit einer kurzen Verpflegungspause über vier Stunden, was mir genügend Zeit gab, über die weitere Tagesplanung nachzudenken.
Ursprünglich hatte ich geplant, nach der früher geplanten Ankunft im Laufe des Tages Dubrovnik zu besichtigen, vielleicht in einem Altstadtcafé mit Blick auf das Seekastell die Ruhe zu genießen, um dann am späten Nachmittag Viertel nach fünf mit dem Überlandbus nach Mostar in die Herzegowina aufzubrechen. Besagter Bus war gleichzeitig der letzte, der an diesem Tag von Dubrovnik aus in mein ursprüngliches Ziel abfuhr; glücklicherweise erreichten wir den Busbahnhof von Dubrovnik um fünf nach fünf, was mir in aller gebotenen Eile die Gelegenheit gab, ein paar Euro in kroatische Kuna umzuwechseln, und einen Schalter weiter die Fahrkarte für den Bus nach Mostar zu besorgen. Umgerechnet betrug der Ticketpreis knapp über 12€, die Fahrt selber über Neum, Metkovic, Capljina und Buna sollte ca. 3 Stunden in Anspruch nehmen.
Im Busbahnhof der Stadt wuselte es zu dieser Zeit von Menschen aller Couleur, die es kaum erwarten konnten, nach absolvierter Arbeitswoche von Kroatien aus in die Heimat aufzubrechen. Gleichzeitig boten etliche Frauen ankommenden Touristen eine Bleibe für die Nacht an, was ich aber in diesem Fall nicht in Anspruch nahm.
Nun begann Teil zwei einer abenteuerlichen Reise, die tags zuvor um elf Uhr nachts im Bahnhof von Regensburg ihren Anfang nahm. Bei herrlichem spätherbstlichem Wetter brach der Bus auf wieder in Richtung Norden entlang der Küste. Bei Neum überquert man für wenige Kilometer die bosnische Grenze, doch weder bei der Ein- noch bei der Ausreise kontrollieren hier die Zöllner die Ausweise. Neum selber ist ein kleiner Badeort, und gleichzeitig der einzige Seezugang des Staates Bosnien-Herzegowina. Der mediterrane Ort unterscheidet sich nicht von anderen ehemaligen Fischerorten entlang der Adria, die in den letzten 40 Jahren immer mehr zu Touristenzentren umgebaut wurden.
Wieder zurück auf kroatischem Gebiet machte der Bus an der Neretva-Mündung einen Rechtsschwenk nach Norden ins Landesinnere Bosniens. Die eigentliche bosnische Grenze erreicht man nach wenigen Kilometern. Rund 500 Meter vor der Grenze kam unser Bus in einem Stau zum Stehen, was mich annehmen ließ, die Grenzabfertigung könne wohl etwas länger dauern. Unglücklicherweise stand unmittelbar vor unserem Bus ein protziger LKW, der jegliche Sicht nach vorne verhinderte. Von Ferne erkannte man in der abendlichen Dunkelheit, es war mittlerweile bereits 20 Uhr, die Lichter von mehreren Polizeiwagen, ein gespentischer Anblick. Nach rund zwei Stunden dann ging es weiter, und rechts der Fahrbahn lag ein ungarischer Reisebus im Straßengraben, womit die Ursache des Verkehrsstaus geklärt war.
Dummerweise hatte ich zu dieser Zeit für Mostar noch kein Quartier für die Nacht, doch dank glücklicher Fügung löste sich dieses Problem quasi von selbst. Für die nächsten beiden Nächte hatte ich per Internetbuchung ein Einzelzimmer im Hostel Nina reserviert und wie zufällig nahm die Vermieterin just in dem Moment, als wir im Unfallstau standen Kontakt zu mir auf (ob sie mich am nächsten Tag abholen solle, wann ich denn komme, alles sehr nett). Nach ein paar SMS hatte ich erklärt, dass ich bereits heute Nacht in Mostar eintreffen würde, es aber noch länger dauern würde und ob ich eventuell das Zimmer bereits heute haben könne. Kein Problem meinte sie, ich solle einfach Bescheid geben, wann ich in Mostar ankäme, sie sei zu der Zeit sicher noch auf und würde mich dann vom Busbahnhof abholen. Ein Service, der mir fast die Sprache verschlug! Die eigentliche Abfertigung an der Grenze vollzog sich dann problemlos binnen fünf Minuten, mein deutscher Pass wurde kaum mehr gemustert als der der Einheimischen.
In Capljina musste ich dann noch kurzfristig in einen anderen Bus umsteigen; der Busfahrer erklärte mir, dass sein Bus nun aufgrund der späten Zeit nicht mehr nach Mostar, sondern gleich nach Siroki Brijeg fahre, wo offenbar fast alle der Businsassen wohnten. Nach einer Wartezeit von wenigen Minuten erreichte ein Ecolines-Bus pünktlich Capljina und dieser nahm mich dann mit nach Mostar (kostete nochmal 1,50€, aber sei´s drum, damit muss man auf dem Balkan als Rucksacktourist rechnen). Erwähnenswert ist sicher noch die Ortschaft Pocitelj, die direkt an der Straße nach Mostar liegt. Der malerische Ort, der sich am Gebirgshang anschmiegt, war des Nachts beleuchtet und sein malerisch, osmanischer Charme machte mir in diesem Moment bewusst im mehrheitlich moslemisch besiedelten Teil der Herzegowina angekommen zu sein.
Wenige Kilometer vor Mostar hatte sich ein schrecklicher Unfall an einer Kreuzung ereignet, bei dem es offenbar Tote zu beklagen gab. Zumindest sprach ein moslemischer Geistlicher neben einem völlig zerstörten Auto ein Gebet. Eine weitere gespenstische Szene zu Beginn meiner Reise! Ansonsten ist zu bemerken, dass gerade die abendliche Reise in die Herzegowina bei mir ein Gefühl der Befreiung, des Abenteuers und des Sich-Treiben-Lassens hervorrief. Die osmanisch geprägten Dörfer entlang der Straße nach Mostar sind abends meist mit Scheinwerfern angestrahlt und vermitteln einen Charme, wie man ihn nur auf dem Balkan findet. Die baustrukturelle Divergenz zwischen dem agrarisch und touristisch geprägten Leben an der dalmatinischen Küste Kroatiens und dem wenige Kilometer entfernten herzegowinisch-osmanischem Dorfleben hätte größer nicht sein können. Um kurz vor 23 Uhr in Mostar am Busbahnhof angekommen, holte mich die Dame von Hostel Nina ab und brachte mich mit dem Auto in die Unterkunft auf der kroatischen Seite der Stadt, wo ich anschließend noch die Gelegenheit nutzte, um mich bei einem nahe gelegenen Straßenshop, der zu dieser Stunde noch offen hatte, mit ein wenig Essen und Getränken einzudecken.
Für 10€ pro Nacht war das Zimmer zwar spärlich eingerichtet, es bestand im Grunde genommen zwar nur aus einem Bett, aber dafür ließ es in Sachen Sauberkeit auch der sanitären Anlagen nichts zu wünschen übrig. Nachts hatte es ca. 8° Celsius, was einem aber durch den kühlen Wind, der die ganze Zeit über wehte, kühler vorkam. Da es im Zimmer keine Heizung gab, blieb mir nichts anderes übrig, als die vielen Decken nachts auch zu nutzen. Die Doppelglasfenster konnten eine gewisse Zugluft nicht verhindern, und die Tatsache dass meine Unterkunft unmittelbar am Eingang zum Vergnügungsviertel des kroatischen Teils der Stadt lag, sorgte dafür, dass ich die ganze Nacht "unterhalten" wurde. Nun gut, immerhin war es der erste Abend des Wochenendes und die Jugend in Bosnien versteht es offenbar, ausgelassen bis in die Nacht hinein zu feiern.
Aufbruch: | 19.10.2007 |
Dauer: | 7 Tage |
Heimkehr: | 25.10.2007 |