Indien - oder Hanna allein in der großen Welt...

Reisezeit: Oktober - Dezember 2008  |  von Hanna P.

mein alltag in indien

Noch 4 wochen genau. ich hab schon fast 4 wochen "ueberstanden". mittlerweile gehts mir echt gut. hab schon seit 2 wochen nicht mehr geweint. naja, fast. gestern hab ich vor lauter zorn geweint. mein indisches handy wurde naemlich nach laengeren androhungen kurzerhand abgedreht, weil angeblich irgendwelche dokumente fehlen. kumar, der herr von ashram, hat zu mir schon vor ueber einer woche gesagt, er kuemmert sich darum, aber naja, irgendwas ist da wohl schief gegangen. und so kommts, dass ich nun am Sonntag (mein geburtstag!!!!!!) kein handy hab. sprich: unerreichbar bin, keine anrufe und sms empfangen kann. das hat mich gestern abend so geaergert, dass ich geheult hab. gut, mittlerweile hab ich mich deswegen schon beruhigt. solche dinge sind halt typisch indien... was soll ich mich da jetzt noch aergern und energie reinstecken? es ist wie es ist und ich mach nun das beste draus.

In meinem dorf, wo ich wohne, kennen mittlerweile alle meinen namen. ich fuehl mich ein bisschen wie ein star hir. alle schrein: "hallo. hi" ... sogar vom motorrad runter werd ich gegruesst und alle welt winkt mir zu. ich hab mich dran gewoehnt, wink freundlich zurueck, quatsch ein paar worte mit den leuten, possier fuer handyfotos, lass mich gratis (!!!!) zur hauptstrasse chauffieren... bin echt ein VIP hier. die meiste zeit ist das lustig und ich geniess es auch irgendwie, nur manchmal, wenn ich halt grad mal nicht reden moechte und einfach nur zum strand will, dann kanns schon mal nerven. aber ich bin natuerlich trotzdem freundlich, nur geh ich halt schneller weiter.

Aja, der strand:
der strand ist wunderschoen. ich mach nichts lieber als hier zu sitzen, den wellen zu lauschen, den krebsen zuzusehen und einfach nur zu sein. meistens lassen mich die leute hier auch in ruhe und ich kann entspannen. Bis ploetzlich.... der strand liegt neben einem teil des dorfes, der sehr sehr sehr arm ist. und das bedeutet auch, wie ich spaeter erkannt haben, dass die leute dort in ihren "haeusern" keine toiletten haben. was natuerlich zur folge hat, dass die leute aus dieser siedlung das meer als toilette verwenden. ihhhhhh! aber eigentlich eh klar. alles andere waere noch eckeliger. naja, bin da also erst diese woche drauf gekommen. sass also die letzten wochen immer auf dem klo der anderen.... tzzzz denken darf i net!!! ich hab mittlerweile eine loesung fuer das problem. die is eigentlich ganz simpel: ca. 400 m entfernt vom klo-strand liegt der schickimicki-strand. also dort sind die schoenen villen und die reichen leute mit klo zuhause. dort ist es weniger ekelig zu sitzen. also, problem gleoset, alle sind gluecklich und ich muss nur mehr auf die "hundstruemmerl" aufpassen

Die Schule:
Die schule ist wie sie ist. Kinder die einfach nur kinder sind. Lehrer die das beste fuer ihre schueler wollen, naemlich dass es ihnen mal besser geht als ihren eltern. und eine direktorin, die nur auf ihre schaefchen schaut, nur dass es "westlich betrachtet" oft sehr rude aussieht. jeder will die kinder weiterbringen. das merk ich. mit der direktorin hab ich vor ein paar tagen gereden, dass es fuer sie und die lehrer schwer ist, die kinder zu unterrichten, da sie aus so armen verhaeltnissen kommen und keine foerderung von zuhause erhalten. den einzigen input den die kinder erhalten, ist von der schule. doch der input kommt meiner meinung nach, bei manchen kindern nicht an. nicht weil sie dumm oder faul sind. sondern weil sie nicht motiviert werden. lehrer handeln nach dem lehrplan und sind immer im zeitdruck. die lehrer in indien noch viel mehr als bei uns in oesterreich. jeder lehrer hat ein lernziel vor augen. durch diese fokusierung verlieren fast alle die kinder aus den augen. was hats gebracht, wenn in der stunde ein ganzes maerchen gelesen wurden, wenn es den kindern keine freude gemacht hat? sollen geschichten nicht die fantasie anregen und freude machen? was hilft das lesen, wenn die haelfte der klasse nicht versteht worums geht, weil sie vielleicht zu schlecht englisch sprechen/verstehen oder nicht richtig angesprochen werden? schwierig, schwierig... ich hab die paradeloesung auch nicht in der hand, nur einige sachen werd ich in den naechsten wochen bestimmt noch probieren mit den kindern. wobei ich jedes mal, wenn ich eine klasse betrete bauchweh hab. mittlerweile wirds zwar besser, aber am anfang war ich restlos ueberfordert...

Hanna in der Klasse:
In einem indischen Klassenzimmer sind ca. 35-40 schueler. der klassenraum aber ist meist kleiner als ein oesterreichischer klassenraum. daraus ergibt sich, dass die meisten kinder zu 3. auf einer kleinen schulbank, oder gar am boden sitzen muessen. Komme ich in die klasse herrscht zuerst mal grosser jubel, denn ich mach mit ihnen kein mathe, tamil oder english. ich mach spass mit ihnen. um den spass aber rueber zu bringen und nicht alles in anarchie ausarten zu lassen, muessen mir die kinder aber auch zuhoeren. und das stellt sich meist sehr schwierig heraus. aus oesterreich bin ich es gewoehnt, dass man die kinder nur neugierig machen muss und schon wissen sie, es geht nur weiter, wenn wir die klappe halten (auf gut deutsch). die inder kinder fangen an zu jubeln und fordern lauthals alles ein was sie wollen. ich warte dann und stehe ganz still in erwartungshaltung da. vielleicht checken sie ja, dass es nur weiter geht, wenn ruhe herrscht... es sind schon fast alle leise, faengt ein kind wieder an... blabla bla bla kommt zu mir raus: "what's your favourit color?" dann fangen die anderen kinder wieder an... ich steh nur da. das gibts ja nicht, denk ich mir. werden die irgendwann mal leise. nach minuten des wartens, inzwischen pruegeln sich schon 2 schueler (machen also auch schon die kleinsten - und zwar staendig) hua ich auf den tisch und schreie durch du klasse. ich hasse diese art und wusst nicht, dass so eine strenge lehrerin in mir steckt, aber anders nehmen sie mich anscheinend nicht ernst. ich schrei also durch die klasse, ermahne jedes kind, es soll jetzt ruhig sein. ich bin wirklich boese zum anschaun, aber nach ein paar sekunden, wissen alle, dass es jetzt genug ist. dass ich nicht nur lustig sein kann, und falls es nicht anders geht, dann muss ich halt gaaaanz streng sein.

das essen:
ich hab ja schon mal geschrieben, dass das essen hier nicht sehr abwechlsungsreich ist. mittlerweile bin ich schon so frustriert, dass ich mir jeden tag kekse, chips usw. kauf, damit ich zumindest etwas abwechslung hab. ich drink sogar cola... 1. weil das wasser hier im ashram (obwohl gefiltert) manchal gaga schmeckt und 2. weil ich manchmal einfach ein bisserl koffein brauch. aber ich hab auch schon einen super leckeren mangosaft fuer mich entdeckt. ich schau halt, dass ich so oft wie moeglich brot und so zeug einkauf. 800 m von mir entfernt gibt es eine hot breads filliale. die haben super gute baguettes, sandwiches, burger, croisants, kuchen... da bin ich halt min 2 mal die woche und hau mir den bauch voll. die freuen sich immer wenn ich komme. meistens bin ich der einzige gast hier. dann bedienen mich immer 3 leute gleichzeitig. haha!!! ich zahl dann fuer 3 weckerl, 1baguette, kekse und 1 croisant (alles zum mitnehmen) ca. 1,40 EUR. so arg! und das ist noch echt teuer, denn die leute im dorf koennen sich das nicht leisten. Obst ist leider in meinem umkreis mangelware. ich muss immer einen bus nehmen um mir frisches obst zu goennen.
ihr koennt euch garnicht vorstellen wie ich mich auf eine selbstgemachte lasagne freu (zaunpfahl fuer marcel )...

die leute hier in der schule/ashram bzw. im dorf
auch wenn ich manchmal nur die unguten geschichten erzaehl, hab ich die leute hier wirklich schon gern. es ist nun mal so, dass die mentalitaet eine ganz andere ist, aber hey, was hab ich erwartet? ich hab mich dran gewoehnt, dass ich nicht alles was man mir sagt beim wort nehem darf. wuerde ich das tun, dann wuerde ich schon seit 2 wochen darauf warten, dass ich in ein neues zimmer umziehe. oder ich waere schon min 2 mal mit swami zu einem anderen ashram nach tirumvannamalai gefahren... oder mein handy wuerde noch oder schon laengst wieder funktionieren. so sinds die inder halt. ich kann damit umgehen. ich zieh einfach mein ding durch.

Es gibt einen herrn von den lehrern, den mag ich besonders gern. der war mir von anfang an am sympathischsten. mir kommt vor er ist auch der gebildetste (hat die hoechste ausbildung). er laechelt am nettesten und hat mir schon oft, in busfragen usw., weitergeholfen. er fragt mich immer wies mir geht und hat mir sofort seine nummer gegeben. ich kann ihn also jederzeit anrufen, sollte ich was brauchen. er ist mein indischer ersatz-papi
die lehrerinnen sind auch alle ganz lieb, nur sprechen die weniger gut englisch, so dass wir uns nicht recht verstaendigen koennen. es gibt eine dame, sie ist sowas wie der hausmeister, die bringt mir zur teepause immer tee in mein buero. die hab ich auch lieb. sie ist eine kleine, zerknitterte alte indische dame, die mich nicht versteht, aber immer laechlt. die direktorin ist eher zurueckgezogen. laesst mich einfach machen, informiert mich selten ueber irgendwas (zb morgen schulfrei...), aber sie ist nett. hab in indien gelernt nichts persoenlich zu nehmen. und was noch wichtiger ist: unsere gesellschaftsnormen gelten hier nicht. nicht alles (oder fast nichts), was ich als unfreundlich auffasse ist auch so gemeint.

mein leben als indische hausfrau
nachdem ich also jeden tag von neun bis 4 in der schule bin, ist meine freizeit danach, allein schon durch den fruehen sonnenuntergang, etwas begrenzt. mittlerweile geht um halb 6 die sonne unter und es ist dann echt stockfinster. laternen gibt es ausserhalb des ashrams so gut wie garnicht. groessere unternehmungen zahlen sich nicht aus, denn bis ich einen richtigen bus ergattert hab, ist es meist halb 5 und dann hab ich grad noch eine stunde. ich schau also, dass ich so oft wie moeglich frueher von der schule gehen kann. wenn nicht, dann hau ich mich meistens einfach an den strand. sollte ich fuer alles zu faul sein, bleib ich in meinem zimmer und mach hausfrauenkram: ich wasche die waesche mit der hand, putze, ... den abend verbring ich mit lesen. hab immerhin schon 5 buecher ausgelesen. buecher in indien sind so herrlich billig. leider kann ich nicht alle mit nachhause nehmen, da ich sonst ein reiner buechertransport waere.

die ersten wochen dacht ich mir: das ist jetzt mein leben, mehr nicht? aber jetzt geniesse ich die stille. das nichts tun. das lesen. hey, wer hat sonst so viel zeit zum lesen wie ich?

was ich vermisse
am anfang, also die ersten 2 wochen, hab ich alles vermisst. vor allem den marcel und alle anderen lieben menschen daheim. nun aber gehts. ich vermiss zwar alle noch, aber nicht mehr den ganzen tag. ich hab hier einen alltag, der zwar anders ist als erwartet, aber der mich trotzdem ablenkt. am abend ist das vermissen am staerksten, aber wenn ich ein gutes buch lese gehts. manche buecher, die nicht so fesselnd sind, lassen mich die leute mehr vermissen. wenn ich keinen kontakt zur aussemwelt hab (also kein internet und kein handy) dann fuehl ich mich auch einsam. aber, so banal wie's klingt, man gewoehnt sich an alles.
ich vermisse:
* eine waschmaschine
* einen kuehlschrank wo ich einfach hingehen kann, wenn ich lust auf was zu essen hab
* ein ordentliches kaffeehaus mit freunden
* deutsch sprechen
* einkaufen ohne zu handeln
* wasser von der leitung (insbesondere kathreiner leitungswasser)
* ein gemuetliches wochenende im bett
* manchmal den fernseher (aber den immer seltener)
* einen staubsauger
* die zuverlaessigkeit unseres stromnetzes (6 mal stromausfall am abend ist keine seltenheit...)
* die strassenbahn
* mein rad
* ein auto (obwohl ich in indien nie fahren wuerd)
* mein handy derzeit
* ...
* so kleine dinge, die einfach normal sind
* und natuerlich: meinen SCHATZ (auch wenns jetzt kitschig is...)

Also meine lieben, so gehts dahin in indien. und fluxdiwugs werd ich wieder daheim sein... vollgepackt mit geschenken wie der weihnachtsmann. denn: "I'm driving home for christmas!!!" oder "all i want for christmas is YOU!!!" oder "here comes santa claus, here comes santa claus..."

© Hanna P., 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
In ein paar tagen, genauer gesagt am 20. oktober 2008, gehts für mich für 2 monate ab nach indien. ich werde in der nähe von chennai in einem waisenheim arbeiten... mal sehen was alles passiert... ;)
Details:
Aufbruch: 20.10.2008
Dauer: 9 Wochen
Heimkehr: 19.12.2008
Reiseziele: Indien
Der Autor
 
Hanna P. berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.