Las Vegas

Reisezeit: Februar / März 2009  |  von Beatrice Feldbauer

Eldorado

Heute werde ich nicht ganz so früh geweckt, wie an den anderen Tagen. Es ist Samstag und ich habe schon gestern die Telefonumleitung herausgenommen. Horacio ruft aus Peru an. Da ist es jetzt schon neun Uhr, aber hier in Las Vegas ist es erst sechs Uhr morgens. Er will mir etwas Wichtiges mitteilen und darum sind wir schon bald im Chat. Internationale Telefonkosten sind teuer, aber der Chat per Internet kostet nichts.

Und jetzt will ich endlich wissen, wie das Hotel von ganz oben aussieht. Dazu fahre ich mit dem Lift in den obersten Stock. Das ist der 15. Als ich aussteige merke ich, dass das noch lange nicht der oberste Stock ist. Der Lift aber zeigt keinen höheren Stock an, wie also komme ich weiter hinauf. Ich frage ein Zimmermädchen, das seinen Wagen mit den Putzutensilien durch den Gang stösst. Wie komme ich höher hinauf? Sie versteht kein Wort, will weitergehen.

"Cómo puedo subir más alla?" frage ich auf spanisch. Da leuchten ihre Augen und sie erklärt mir, dass es einen speziellen Lift gibt, der von unten direkt in den 16. Stock und weiter hinauf fährt. Allerdings kommt man nur mit dem speziellen Zimmerschlüssel so weit hinauf. "Und wie komme ich ohne diesen Schlüssel da hinauf?" will ich wissen. "Nimm die Feuerleiter, da beim Notausgang". Guter Tipp. Ich schlüpfe also hinaus zum Notausgang und steige da hinauf. Immer höher. Ich bin etwas unsicher. Darf ich das überhaupt? Was, wenn mich jemand entdeckt. Aber was solls, nachdem ich jetzt schon mal so weit bin, bringe ich die Sache bis ans Ende, resp. steige ich bis ganz hinauf.

auf der Feuerleiter bis ganz nach oben

auf der Feuerleiter bis ganz nach oben

Ob da überhaupt noch Zimmer sind? Im 27. Stock ist Ende, es gibt nichts Höheres mehr. Ich komme also zurück in den Gang und ein schwarzes Zimmermädchen schaut mich etwas erstaunt an. Egal, ich bin ganz oben. Hier oben, wo der Gang nur noch eine schmale Lücke zum Innenraum aufweist. Tief unten erkenne ich die Lobby, die Rezeption, die pseudo-antiken Pyramiden, die Passage zum Mandalay Bay.

Die Aussicht von oben

Die Aussicht von oben

Zum Glück bin ich schwindelfrei, der Blick von dieser Höhe in dieser überhängenden Konstruktion ist doch sehr speziell. Zwar sind alle Casinos sehr extravagant gebaut, aber diese Architektur mit dem riesigen Innenraum scheint mir die extremste zu sein. Kommt mir vor wie die futuristischen Häuser die wir früher mit Legosteinen gebaut haben. Zurück geht es einfach. Für die Talfahrt bracht es keinen Schlüssel. Die Lifte fahren übrigens schräg nach oben, das bemerke ich erst jetzt, wo ich die ganze Konstruktion in der Übersicht betrachte.

Die eigenwillige Konstruktion

Die eigenwillige Konstruktion

Nach einem späten Frühstück mache ich mich bereit für den Ausflug in die Wüste. Ich merke, ich muss endlich raus aus diesem künstlichen Vakuum, in dem ich hier seit meiner Ankunft bin. Mit dem Pink Jeep ins Eldorado, so steht es im Prospekt.

"Hi, I'am Robert, and I'am your Guide today", so stellt sich mir der Typ mit dem Cowboyhut vor. Im grossen umgebauten Jeep sitzen bereits ein paar Leute. Ich bin die einzige Europäerin, die anderen sind von Kanada und den USA.

unterwegs mit Robert und seinem Pink-Jeep
www.pinkjeep.com

unterwegs mit Robert und seinem Pink-Jeep
www.pinkjeep.com

Ein paar Kilometer ausserhalb der Stadt fängt sie an, die Wüste. "Diese ganze Ebene war früher ein See", erklärt Robert. Heute werden die Pisten vor allem von Kids benutzt, die hier ihre motorisierten Dreiräder ausprobieren, aber auch Erwachsene haben ihren Spass mit den 4-Weel-Drivers.

Man findet da noch Versteinerungen von Muscheln und ausserdem gibt es hier noch lebende Fische. Alle paar Jahre gibt es soviel Regen, dass sich ein See oder wenigstens grosse Tümpel bilden können. Fischlaich, der beim letzten Wasser gelegt wurde, entwickelt sich dann zu Fischen, die sich innert 50 Tagen zur Geschlechtsreife entwickeln und ihrerseits wieder ihre Eier in das zurückgehende Wasser abgeben müssen. Im Moment hat es noch ein paar kleine Tümpel und Robert erklärt, dass in den letzten vier Monaten hier soviel Regen gefallen ist, wie in den letzten vier Jahren nicht. "It's crazy, the weather", meint er.

Wir kommen am ersten Casino der Stadt vorbei. Spielen, trinken und Hurerei waren früher in der Stadt verboten, wurden aber selbstverständlich trotzdem gemacht. Vor allem weil sehr viele Arbeiter hier wohnten, die am Hoover-Damm arbeiteten. Irgendwann in den 30er Jahrn wurde das Spielen legalisiert, 20 km ausserhalb der Stadt und später wurde es auch in Las Vegas erlaubt. Wann die anderen Laster dazu kamen, erklärt Robert nicht.

Weiter geht die Fahrt. Wir steigen stetig an. Draussen wachsen grüne Büsche und wollig weich aussehende Kakteen. Robert nennt sie Teddybär-Kaktus, aber er warnt, sie seien extrem stachelig. Ausserdem weist er uns an, Ausschau zu halten, man könnte grosshornige Schafe sehen. Leider sehen wir keines dieser Bergschafe, aber wenigstens können wir später im Museum der Goldmine die Hörner davon bewundern.

das skurile Wohnhaus und Museum von der Gold- und Silbermine Eldorado

das skurile Wohnhaus und Museum von der Gold- und Silbermine Eldorado

Ja diese alte Mine ist unser Ziel. Hier leben sie wieder auf, die Geschichten aus dem Wilden Westen und die Goldgräberstimmung. 56 Männer, 3 Frauen und vier Kinder haben hier einmal gelebt. Es waren harte Zeiten, Kämpfe gegen Indianer gehörten zum Leben und der Tod in der Mine konnte jederzeit zuschlagen. "Da hinten", erklärt die Museumsleiterin, "da hinten wurde sie von 100 Indianern überfallen und getötet, die letzte Frau dieser Siedlung".

Es gibt unzählige Fotos und Artikel aus der Zeit in der die Mine noch in Betrieb war. Aber auch andere Kuriositäten werden ausgestellt. Die Besitzer haben eine spezielle Sicht auf die Dinge und sammeln sozusagen alles, was ihnen zwischen die Finger kommt. Zwischen den Schädeln von Bergschafen, Ziegen, Schiffsmotoren, Petroleumslampen, schaut ein alter Bison auf mich herunter. "It's the white old Buffalo, never heard of him?" will Robert wissen. Ich erkläre ihm, dass ich zu diesen wilden noramerikanischen Rindern eine ganz spezielle Beziehung habe.

Ich entdecke ein altes Foto mit Schnee und frage, ob das hier eine Ausnahme wäre. "Nein, es kommt immer wieder vor, dass es hier in den Bergen schneit. Beim letzten Schneesturm vor zwei Wochen gab es sogar knapp 30 cm Schnee hier und der ist vier Tage geblieben. Nevada kommt vom spanischen 'Schneien'. Wüste heisst nicht automatisch Hitze, Wüste kann auch einfach nur eine Einöde sein. Aber eine wunderbare", betont Robert noch.

In den letzten Jahren wurden in der pittoresken Szenerie um die Häuser und vor der Mine verschiedene Hollywoodfilme gedreht. Stolz werden uns Fotos von Kevin Kostner und anderen Filmstars gezeigt. Eines der alten Gebäude wurde für einen speziellen Stunt geopfert und die Reste des Flugzeugs, das damals in die Luft geschleudert und zerstört wurde, liegen noch immer am Weg zur Mine. Gold und Silber wurden hier gefördert. Das Material wurde herausgebracht und in eisernen Mühlen zu feinem Sand gemahlen. Die Sandhaufen sind geblieben, das Metall ist wohl alles ausgesiebt worden.

Eindrücklich sind die Gänge, die in den Stein getrieben wurden. Vor allem als Jim ganz hinten das Licht ausschaltet. Absolute Schwärze umhüllt uns, wir sind froh, als er wenigstens die Kerze wieder anzündet, die in einer Halterung an der Wand angebracht ist. Eine Kerze pro Arbeiter wurde damals ausgegeben. Ich hoffe nur, dass genügend Zündhölzer vorhanden waren, denn irgendwie geht immer ein frischer Luftzug durch die Höhle.

Es ist schier unglaublich, wie hier mit Hilfe von Dynamit, das in die von Hand geschlagenen Löcher gestopft wurde, der Fels ausgehöhlt wurde. Um die Steine heraus zu holen, wurden Maultiere eingesetzt. Da diese nicht über Leitern gehen konnten, wurden sie in einen Sack gesteckt und mit einer Seilwinde in die Stollen abgeseilt. Man band ihnen die Augen zu, denn durch den ständigen Wechsel von Dunkelheit und Tageslicht wären sie innert kürzester Zeit blind geworden.

Robert hat alle Hände voll zu tun

Robert hat alle Hände voll zu tun

Jim fördert noch manchmal etwas Gold. "Ja, meint er, es macht Spass, sein eigenes Gold zu haben, aber lohnen würde sich ein solcher Abbau heute nicht mehr". Zuviel Arbeit zu viel Mühe für wenig Ertrag.

Wir fahren weiter zu einem wunderschönen Aussichtspunkt, hoch über dem Lake Mahove. Hier fliesst der Colorado-River, der vorher durch den Grand Canyon und den Hoover Damm geflossen ist. Und hier ist die Grenze zu Kalifornien. Hier, am schönsten Punkt mit Aussicht auf See und Berge gibt es einen einsamen Friedhof. Robert hat eine rote Rose mitgenommen und die bringt er beim Tor an. Er liebt die Wüste, ist hier aufgewachsen und kann sich nicht vorstellen, irgendwo anders auf der Welt zu leben.

der einsame Mormonen-Friedhof

der einsame Mormonen-Friedhof

Wir fahren zurück durch die Einöde, hinunter von den Bergen in die weite Ebene des temporären Sees. Bald erkennt man die Hochhäuser von Las Vegas. Wir sind zurück. In der Abendsonne spiegeln sich die glänzenden Goldfassaden der grossen Casinos. Ich bin froh, dass ich den Ausflug heute gemacht habe, es hat mir eine ganz andere Sicht aufgezeigt.

der Lake Mahove

der Lake Mahove

Am Abend besuche ich die Show 'Believe' von Criss Angel. Er ist ein Illusionist und scheint in die Fussstapfen von David Copperfield zu treten. Er lässt sich in einer grossartigen Show in Stücke reissen, verbrennen, von 6 Millionen Volt erschlagen und erscheint blitzartig in immer wieder neuen Kostümen. Es ist eine Show mit Feuer und Blitz, mit Videoeinspielungen und fantastischen Kostümen. Typisch Las Vegas eben.

Danach gibt es nur noch eines. Koffer packen und schlafen gehen. Der Wecker wird früh in Aktion kommen.

Abendstimmung in Las Vegas

Abendstimmung in Las Vegas

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine kurze Reise in eine verrückte Stadt. Die Reise ist ein Wettbewerbspreis der Firma Digicomp Academy AG und daher nicht wirklich mein typisches Reiseziel. Das macht sie aber umso spannender. Ich bedanke mich hiermit bei der Digicomp nochmals ganz herzlich für den tollen Preis aus ihrem Jubiläumswettbewerb 2008 30 Jahre Digicomp
Details:
Aufbruch: 25.02.2009
Dauer: 5 Tage
Heimkehr: 01.03.2009
Reiseziele: Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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