Sri Lanka 2009
Mirissa, Ratnapura, Adam's Peak
Mirissa selbst wirkt wie eine ausgestorbe Westernstadt (warte nur noch auf den Sheriff), keine Saison. Unser Häuschen am Strand ist süß, aber feucht, brauchen uns eigentlich nicht mehr abzutrocknen, hat ja auch was. Null Gäste, wir werden großartig umsorgt. Es regnet und das Meer macht Anstalten zum Tsunamie wie in 2004. Apropos Tsunamie.
Vijay, charmanter Guesthouse-Besitzer, erzählt traurige Geschichten. Gebannt und erschreckt lauschen wir. Über 4300 Menschen sterben allein im Distrikt Galle in den Fluten, darunter Freunde und Bekannte von Vijay, 135000 Menschen werden obdachlos, in der Fischerei beklagt man einen Verlust von 100.000 und im Tourismus 27.000 Jobs. Der Tsunami ist ungerecht: die ärmsten der Armen werden noch ärmer, die Reichen wohnen in stabileren Behausungen und retten sich. Bevölkerung von Nord und Ost leidet doppelt, schmerzte sie nicht nur der tobende Bürgerkrieg, nun folgt auch noch die Strafe des Meeres und die Leidenden verlieren das letzte bisschen Habe. Die Bevölkerung leidet auch heute noch unter dem Erlebten, der sozialen Ungerechtigkeit und der Bürokratie. Bedröppelt stochern wir in unserem Dinner. Der "nur" 10-minütige Tsunami tobt in unseren Köpfen.
Beim 2 Wochen späteren Besuch in Nilaveli bei Trinkomalee im Nordosten der Insel erzählt uns ein Fischer vom Nilaveli Beach Hotel, in dem alleine 48 Gäste starben. Das Hotel war über die Weihnachtszeit voll ausgebucht. Die Katastrophe wird Sri Lanka niemals vergessen und mit Angst schaut man von nun an auf Sturm und Regen.
Mein Schwindelgefühl wird nicht besser und ich sitze tagsdrauf mit vielen anderen Patienten an der "Minihaltestelle" und harre auf den Doktor. Mir fällt auf, WIE rücksichtsvoll die Patienten miteinander, speziell mit alten Leuten und Kindern, umgehen. Wartemarke wie im ordentlichen Germany nicht nötig, man beobachtet, es gibt kein Gemotze. Alles wartet geduldig. Eine Mutter mit einem ca. 8-jährigen, weinenden Jungen auf dem Arm wird wie selbstverständlich herangewunken und sofort durchgereicht zum Doktor. Die Gelassenheit der Asiaten beruhigt wie immer mein Gemüt. Irgendwann kommen wir dran: Dem englisch-sprechenden Doktor erkläre ich meine Nöte und er warnt uns, wir sollen meinen Schwindel nicht auf die leichte Schulter nehmen (logo, soll ja fortan nicht auf der Schulter liegen), gibt mir andere Drops und entläßt uns mit dem Hinweis, dass wir ins Krankenhaus müssten, wenn es nicht nach 24 Stunden besser werden würde. Sind ja tolle Aussichten.
Wir besichtigen am nächsten Tag eine Snake Farm in der Nähe. Ist schon ein merkwürdies Gefühl , so eine glitschige, lebendige Kette um den Hals zu haben.
Wir lassen uns von meinem "Zustand" nicht aufhalten und wollen mit Bussen weiter nach Ratnapura. Apropos local busses and trains... Sri Lanka nennt man auch "Little India". Manche Reisende, die sich nicht "trauen", nach Indien zu reisen, entscheiden sich für Sri Lanka, mieten für einen recht kurzen Zeitraum ein Auto mit Fahrer und lassen sich von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit kutschieren, natürlich einschl. vorgebuchter Hotels. Ich hatte bereits vorher über diese Art der Touristen gelesen und der Eindruck schleicht sich auch jetzt tatsächlich ein, dass diese Reisenden auf Sri Lanka überwiegen. In Negombo beobachten wir einen Dickbäuchigen in einem Schweizer Restaurant, neben sich ein Sri-Lanka-Mädchen, deutsches Essen vor sich, bayrische Musik im Hintergrund und glücklich, deutsche Staatsbürger zu treffen. Nadeem erkennt sofort, dass dies eine andere Art des Tourismus ist und ich erkläre ihm, dass es solche und solche Reisenden gibt. Ein junges Pärchen, Kai und Sibille aus dem aufgeräumten, ordentlichen Deutschland sitzt in Kandy neben uns im Restaurant und durchforstet den DEUTSCHEN Lonely Planet, (oho, denke ich, DAS Buch, den Lonely Planet, Bibel aller backpacker), Sibille liest vor, Kai hört mehr oder weniger interessiert zu. Ich vermute, sie suchen ein Zimmer in Nuwara Elya und spreche sie an, um ihnen einen Tipp zu geben. Ich erfahre, dass sie stolze Automieter einschl. Fahrer sind und ihre Hotels alle vorgebucht worden sind. Beide haben Angst vor Krankheiten, sich alleine im Land zu bewegen, sich abends in Kandy in das Einheimischengewimmel zu stürzen, um das größte Fest mitzuerleben, das Esala Perahera. Die ca. 27-jährige Sibille verträgt kein "scharfes" Essen und hat Probleme mit sämtlichen Gerichten. Wenn sie wieder zu Hause sind, wartet "Lebenslänglich" auf sie, d.h. die wundervolle Aussicht, den Rest des Lebens ein stumpfsinniges Büro aufzusuchen, um eine stumpfsinnige Tätigkeit ausüben zu dürfen. Der Ängstliche staunt über unsere "Risikobereitschaft", morgens nicht zu wissen, wohin wir unseren Allerwertesten am Abend legen werden, dass wir uns wenigstens 4 Wochen im Jahr vom ach so schwerwiegenden Los eines Deutschen lösen, der nie aufhören darf zu denken, der nie loslassen kann, den nichts mehr schreckt als ein paar Stunden sinnlosen Glücks (Zitat AA). Ich hege die stille Hoffnung, dass die beiden aus ihrem Asienurlaub lernen und auf zukünftigen Reisen zuversichtiger werden und denke an das AA-Indien-Buch bzw. den amerikanischen Poeten Henry W. Longfellow: "What is life full of care, if there is no time to stand and stare".
Ich vergleiche unwillkürlich die Reisenden hier mit meinem Indien. Dort sind zumindest weniger Touristen auf Achse, die die Ursünde des Reisens begehen, nämlich sich im Rudel durch die Welt zu bewegen (AA). Die Mehrheit der Reisenden bilden unerschrockene, mehr oder weniger erfahrene, lebens- und reisehungrige backpacker, oft auch Freaks (nicht unbedingt nur positiv gemeint), die weder Hitze noch eine 20-stündige Fahrt in katastrophalen Bussen abschreckt, die auch wie wir die Gepflogenheiten eines Landes, Bevölkerung, einheimisches Essen und Transportmittel sowie abgelegene Gegenden kennenlernen wollen.
Dies nur mal ein kurzer Schwenk zum Pauschaltourismus auf Sri Lanka.
Spätere Freude und Balsam für unsere Seele: In unserem kleinen, süßen guesthouse in Kandy treffen wir Tage Gleichgesinnte aus Australien, Amerika, England und Frankreich.
Zurück zur Weiterfahrt. Wir steigen in einen Bus, vorgesehen für vielleicht 50 Reisende, es befindet sich jedoch mindestens die doppelte Anzahl in dem Wrack, davon 5 auf dem Beifahrersitz, darin und wir stehen für eine halbe Stunde im eimheimischen Getümmel, knüpfen Kontakte mit Schulkindern, die sich durch die paar Zentimter im schwankenden, holpernden Gefährt drängeln und spaßen mit ein paar Jungs. Unser Gepäck liegt irgendwo/irgendwie auf dem Schoß des Busfahrers. Der Schweiß rinnt uns so manches Mal über Kopf und Kragen. Den anderen Fahrgästen scheinen alleinreisende Rucksackreisende nicht ganz geheuer zu sein und wir werden unaufhörlich beäugt. Ein asiatisches Lächeln ist jedoch fest in ihrem Gesicht verankert und freundlich "smilen" wir zurück. Welch ein Unterschied zu den morgendlichen, grießgrämigen, dösigen Mehlsäcken hierzulande, die in ihre lebenslänglichen Bürozellen gekarrt werden und ihr Leben im Hier und Jetzt verschlafen (AA).
Wir landen in der Juwelenstadt Ratnapura in einem, kleinen, am Hang gelegenen Guesthouse mit Blick über die grün bewaldeten Hänge. Die Stadt liegt inmitten von Kautschukplantagen, Teehügeln und einer tropischen Berglandschaft. Bummeln am Abend zur Straße der Edelsteine, überall stehen handelnde Männer, die ihre mehr oder weniger echten Edelsteine zum höchsten Preis verschärbeln wollen.
Bus ist mal wieder überfüllt. Unser Gepäck wird irgendwie verstaut und wir stehen für 2 Stunden im rumpelnden Bus rum...
Nun doch Krankenhaus, wieder ein neuer Doktor. The same precedure.... Die hygienischen Verhältnisse sind nicht ganz so prickelnd, aber ich überlebe auch dieses, beschließe ich. Alles Flüssige in meinem Körper wird untersucht. Vielleicht habe ich Denguefieber, Schweinegrippe, Meningitis oder welche Krankheiten gibt es noch? Ergebnis: Null. Geschätzte Diagnose: Virus. Hinein mit neuen bunten Kugeln in meinen tristen Magen, dieses Mal gegen dizziness!! Und - in der Tat - die Bunten scheinen zu helfen. Ich werde wieder zappelig und einfallsreich, ein gutes Zeichen. Nadeem ist das völlige Gegenteil von mir, friedfertig, seeeehr bedächtig mit der typischen Leichtigkeit der Asiaten. Wir lernen stetig voneinander. Ab und an fällt mir ein, dass dieser Urlaub meine knappen Wochen Freigang sind, ich kein Theater spielen muss und einfach sein kann wie ich bin. Wir verstehen uns immer besser, wir lieben die gleiche Art der Fortbewegung, lieben beide das Meer - und na ja - lieben uns überhaupt beide sehr TROTZ unserer extrem unterschiedlichen Kulturen. Dies mal für all diejenigen, die mir "den Untergang" dieser Beziehung seit 2 Jahren predigen und die mich in ihren (Wahn-) Vorstellungen verscharrt in irgendeiner abgelegenen Ecke dieser Welt sehen.
Wir verlassen Ratnapura und auf geht's nach Dalhousie, dem berühmten, heiligen Berg Adam's Peak und Nadeem's geplanter nächtlicher Besteigung. Wir fahren stundenlang durch Teeplantagen, saftiges Grün und betrachten Teepflückerinnen. Ziemlich kaputt erreichen wir das kleine verlassene Örtchen Dalhousie am Fuße des Adam's Peak. Familienanschluss gibt es auch sofort im wunderschönen "lonely planet"-Hostel "Green House", gute Ratschläge für die 5.220 Stufen auf den Berg eingeschlossen.
Der 2243 m hohe Adam`s Peak oder auch Sri Pada genannt, ähnelt einem Zuckerhut, der aus den grünen Hügeln des Hochlandes ragt und bekannt ist für seine spirituelle Bedeutung. Der Grund ist einem Fuss ähnliche Vertiefung auf dem felsigen Gipfel - sie ist vier Religionen heilig: Buddhisten, Hindus, Muslime und Christen.
Kurz zu den Religionen auf Sri Lanka: 69 Prozent der Bevölkerung von Sri Lanka gehören dem buddhistischen Glauben an, 16 Prozent sind Hindus, 8 Prozent Moslems und 7 Prozent Christen. Das Land betrachtet sich als buddhistischen Staat. Besonders gefällt mir das einträchtige Miteinander der einzelnen Religionen. Jeder schätzt die jeder Religion anhaftenden besonderen Eigenschaften.
Ein steiler Anstieg zum Green House ist nach einem langen Trek nicht gerade ein Vergnügen, entschädigt wird man durch einen tollen Ausblick auf den Garten.
Im Juli ist keine Saison und leider auch kein Sonnenaufgang auf dem Adam's Peak zu erwarten, wir haben den Eindruck, die einzigen Gäste im ganzen Örtchen zu sein. Nadeem engagiert einen Guide für seine Pilgerreise und sie machen sich um 2.00 Uhr in der Früh auf den Marsch trotz Nieselwetter und wolkenverhangenen Berghängen. Ich erspare mir die 5220 Stufen (zurück noch mal die gleiche Anzahl von steps) und genieße die Nacht im Bett. Nur wenige Bergerklimmer sind auf dem Top zu sehen, der Sturm lädt nicht zum Verweilen ein, Dunst und Regen umgibt den ganzen Berg. Nadeem staunt über 2 junge Frauen aus Frankreich, die den Aufstieg in kurzer Hose und T-Shirt absolviert haben und sich verständlicherweise halbtot frieren . Ich erspare mir den Kommentar an dieser Stelle (siehe Kapitel Touris auf Sri Lanka...)
Die nette Gastmami bereitet Nadeem nach Rückkehr ein Kräuterbad in einer alten, verrosteten Badewanne, die in die Außendusche gestellt wird. Leidend nach der Besteigung genießt er es in vollen Zügen. Dennoch muss ich grinsen über seinen Muskelkater bzw. seine "Bewegungseinschränkung" in den nächsten 3 Tagen, grins, das nächtliche Stöhnen hatte also andere Gründe .
Ja, so sollte der gewünschte Sonnenaufgang werden, aber Nadeem wurde enttäuscht...
... und auch der ersehnte "footprint" von Buddha blieb ihm verwehrt
Hier gehts hinauf - 5220 Stufen - und na ja, dann auch wieder 5220 Stufen runter. Ich musste hinterher soooo schmunzeln über 3 Tage Muskelkater
ist schon witzig: vielleicht 10 Liter Wasser werden erhitzt, mit Kräutern in die winzige Dusche außen im Hof gestellt und man darf relaxen. Das Wasser bedeckt gerade mal die Beine... also durfte ich kein Foto mit Mann im Bad machen.... schaaade
Aufbruch: | 10.07.2009 |
Dauer: | 5 Wochen |
Heimkehr: | 13.08.2009 |