Apulien mit dem Motorrad entdecken

Reisezeit: Juli / August 2009  |  von Angelika Gutsche

Im Land der Olivenbäume und Trulli

Doch angesichts der azurblauen Adria zu unserer Linken, der sattgrünen Ölbaumhaine zur Rechten und dem wolkenlosen Himmel mit einer strahlenden Sonne sind solche Kleinigkeiten kaum der Rede wert. Apulien ist berühmt für seine Ölbäume und das aus deren Oliven gewonnene Öl. Bis zu 700 Jahre alte, knorrige, gespaltene, verwachsene Stämme, deren Äste gekonnt beschnitten sind - der Boden um die Bäume ist feinsäuberlich gekehrt und so vorbereitet für die nächste Ernte - prägen das Landschaftsbild. Die Oliven werden in den regionalen cantine zum "grünen Gold" verarbeitet. Die Kalkböden und das Klima - heiße, trockene Sommer und milde, regennasse Winter - sollen ideale Voraussetzungen für das Gedeihen des Ölbaums sein.

Tour 1: Durch das Land der Olivenbäume und Trulli

Tour 1: Durch das Land der Olivenbäume und Trulli

Und schon leuchten aus dem Grün der Olivenhaine hell die ersten trulli. Ein trullo (singular) ist ein aus dicken Mauern, die bis zu zwei Meter messen, errichteter Rundbau, meist weiß gekalkt, und innen mit einer Feuerstelle und Schlafnischen ausgestattet. Außen führen Stufen zum Kuppeldach, das in einer Spitze ausläuft und mit einem Schlussstein sowie verschiedenen weißen Zeichen - wahrscheinlich magischen Ursprungs - versehen ist. Vieles deutet darauf hin, dass diese Bauweise ursprünglich aus Syrien stammt.

Trullo im Olivenhain

Trullo im Olivenhain

In so einem hübschen trullo, der auf dem Land etwas außerhalb des Städtchens Ostuni liegt, haben wir uns eingemietet. Den Besitzer des "Trullo Bianco", ein liebenswürdiger älterer Schweizer, treffen wir am Bahnhof von Ostuni. Er bringt uns zu unserem urigen, aber komfortabel ausgestatteten Domizil, das der Ausgangspunkt für unsere apulischen Entdeckungsreisen sein wird. Von der Dachterrasse des trullo hat man nicht nur einen wunderbaren Meerblick, sondern auch Ostuni ist in Sichtweite. Die "Weiße Stadt", la città bianca, thront auf einem Höhenzug namens Murge, der Apulien in Nord-Süd-Richtung durchzieht.

Trullo Bianco bei Ostuni (http://www.ferienhaus-apulien.net)

Trullo Bianco bei Ostuni (http://www.ferienhaus-apulien.net)

Ostuni -  la città bianca

Ostuni - la città bianca

Ostuni ist auch gleich unser erstes Ausflugsziel. Wir folgen der Beschreibung zum centro storico, parken unser Motorrad, denn die Altstadt ist für Fahrzeuge gesperrt, und machen uns zu Fuß auf den Weg durch die engen, verschlungenen Gässchen hinauf zur Kathedrale. Hübsch sehen sie aus, die weiß gekalkten, fast kubisch anmutenden Häuser mit den Barock- und Renaissanceportalen und den blumengeschmückten Treppchen und Balkonen. Uns erinnert diese Altstadt sofort an eine maurische Stadt wie Tanger, nur dass sich hier statt Moscheen christliche Kirchen, Kapellen und Klöster finden. Zurück auf der großen Piazza, wo auf einer hohen Säule der Heilige Oronzo über sein Städtchen wacht, stärken wir uns in einer Bar mit einem zweiten Frühstück aus köstlichem cappuccino und mit Vanillecreme gefüllten Hörnchen, cornetto con crema.

Detail aus einem Eingangsportal in der Altstadt von Ostuni

Detail aus einem Eingangsportal in der Altstadt von Ostuni

Gasse in der Altstadt von Ostuni

Gasse in der Altstadt von Ostuni

Als nächstes steht eine Rundtour durch das Land der trulli auf dem Programm. Wir verlassen Ostuni Richtung Cisternino, das sich ebenfalls als ein entzückendes Städtchen entpuppt. Wer wie wir das Glück hat, hier in den Sommermonaten an einem Sonntagmittag vorbeizukommen, kann auf der Piazza der malerischen Altstadt bei einem aperitivo den Sonntagskonzerten mit den schönsten Mozart- oder Puccini-Arien lauschen, die angehende Opernsänger life zum Besten geben. In eine angeregt-heitere Stimmung versetzt, erliege ich sofort den Verlockungen der schicken Boutiquen und erstehe einen aus weißer Wolle gehäkelten Poncho. Wie soll ich den nur zusätzlich in meinem Motorradgepäck unterbringen?

Unterwegs im Land der trulli

Unterwegs im Land der trulli

Egal, wir genießen hier in Cisternino erst einmal den wunderbaren Blick auf das valle d'Itria, das Anbaugebiet für den berühmten und süffigen Locorotondo-Weißwein, bevor wir uns auf den Weg in das gleichnamige Städtchen Locorotondo machen. Es macht Freude, mit dem Motorrad dem Verlauf des Itria-Tals entlang der leicht geschwungenen und wenig befahrenen Straße zu folgen. Die einzelnen Felder, mit Natursteinmäuerchen eingegrenzt, ziehen sich über die leicht hügelige Landschaft.

Apulien ist campagna-Land der

Apulien ist campagna-Land der

Der Spaziergang durch die verwinkelte Altstadt von Locorotondo ist ganz wunderbar, ebenso wie jener durch die barocke Altstadt von Martina Franca, das nächste Städtchen auf unserer Tour durch das valle d'Itria. Dann endlich erreichen wir Alberobello mit seinem ausschließlich aus trulli bestehenden historischen Zentrum, das als Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO steht. Ein Kellner erzählt uns, wie groß die Aufregung war, als vor nicht allzu langer Zeit ein Scheich aus Oman mit seiner Yacht im Hafen von Bari ankerte, sich mit einem Mercedes-Tross nach Alberobello begab und sich dort für den Kauf eines ganzen Straßenzugs interessierte...

Alberobello

Alberobello

Weiter geht es auf den einsamen, wenig befahrenen Landstraßen, die für Motorradfahrer ein echter Genuss sind, nach Putignano. Hier finden sich, wie überall auf unserem Weg, nette Trattorien und Pizzerien. Das Mittagessen (pranzo) findet zwischen 12.30 Uhr und 14.00 Uhr statt, die Restaurants für das Abendessen (cena) öffnen gegen 20 Uhr, wobei wir feststellen, dass der Apulier es vorzieht, erst gegen 21 oder auch 22 Uhr auszugehen.

Von Putignano ist es nicht weit nach Castellana Grotte. Wie der Name schon sagt, können hier Tropfsteinhöhlen von märchenhafter Schönheit besichtigt werden. Man kann zwischen einer Führung von 50 Minuten oder zwei Stunden wählen.

Nun geht es den Höhenzug hinab zur Adriaküste, zu dem aufregend auf Klippen gelegenen Polignano, in dessen Grotten mit offenem Meerzugang feine Fischrestaurants locken. Dem kleinen Küstensträßchen folgend erreichen wir Monopoli, wo wir in der malerischen Altstadt das köstlichste Nuss-Eis (nocciola) aller Zeiten schlecken, für die Fisch- und Muschelgerichte, die in den um den alten Hafen angesiedelten Trattorien angeboten werden, ist es noch zu früh und für eine Besichtigung des großen Kastells schon zu spät. Das ist hier überhaupt etwas schwierig: fast alle Kirchen, Museen, Kastelle schließen mittags und nur einige öffnen noch einmal gegen 17 Uhr.

Brunnen in Copertino

Brunnen in Copertino

Wir folgen der kleinen Küstenstraße, die direkt entlang der Küste führt, zur archäologischen Ausgrabungsstätte Egnatia. Auf dem Ausgrabungsgelände finden sich die beeindruckenden Überreste der griechischen und später römischen Stadt Egnatia, die eine wichtige Station an der von Rom kommenden Via Traiana war, sowie die sehr gut erhaltenen Gräber aus messapischer Zeit. Die Messapier zählen ebenso wie die Peuketier und Daunier zu den Stämmen, die seit dem zweiten Jahrtausend vor Christus Apulien besiedelten.

Überreste der antiken Stadt Egnatia

Überreste der antiken Stadt Egnatia

Natürlich lassen wir uns nicht den Abstecher auf die Selva di Fasano entgehen, wo sich Europas größter Safari-Zoo befindet. Man kann dort mit dem eigenen Auto durch die Freigehege fahren, nur mit dem Motorrad geht das natürlich nicht und so müssen wir in einen Kleinbus umsteigen. Die in den einzelnen Gehegen von bewaffneten Aufsehern bewachten Tiere wie Löwen, Tiger, Zebras, Elefanten, Nilpferde und Strauße sind durch Schleusen getrennt. Es empfiehlt sich wirklich, alle Fenster zu schließen, denn besonders letztere haben es darauf abgesehen, den Kopf ins Wageninnere zu stecken und mit dem kräftigen Schnabel in das, was immer sie erreichen können, kräftig zu zwicken. Und wir haben Glück und werden sogar Zeuge aufregender Paarungsakte zwischen Löwen.

Löwen im Safari-Zoo (Selva di Fasano)

Löwen im Safari-Zoo (Selva di Fasano)

Wir entschließen uns, von Selva di Fasano aus über Laureto und Pezzolla entlang der Murge zurück nach Cisternino zu fahren, dann aber in Cisternino die Straße hinunter nach Torre Canne zu nehmen, um jedoch vorher auf die S 16 Richtung Ostuni abzubiegen. Bei Montalbano wollen wir einen der besterhaltenen Dolmen Apuliens zu besichtigen. Zwar findet sich an der Straße ein Hinweisschild, doch dann irren wir auf Feldwegen umher, bis wir nach circa einem Kilometer nahe einem kleinen Bauernhaus unter Bäumen auf einem Acker die prähistorische Kult- oder Begräbnisstätte finden, deren aufeinander gefügte Steinquader an Stonehenge erinnern. Zurück in unserem Trullo Bianco lassen wir den Tag Revue passieren und schwärmen von der landschaftlich so wunderbaren Route durch das Land der trulli!

Dolmen bei Ostuni

Dolmen bei Ostuni

Nach diesen vielen ersten Eindrücken erholen wir uns die nächsten Tage erst einmal am Strand. Die felsige Adria-Küste, die sich ausgezeichnet zum Schnorcheln eignet, ist durch Badebuchten mit schönen Sandstränden unterbrochen; man kann sich das passende Plätzchen suchen: mit oder ohne Getränke-Kiosk bzw. Sonnenschirmverleih. Richtung Brindisi gibt es auch noch das Naturschutzgebiet Torre Guaceto mit seinem langen, weißen Sandstrand, der in Dünen ausläuft. Doch ist überall Vorsicht vor Langfingern geboten. Unser Motorrad parken wir stets in Sichtweite und Wertsachen lassen wir am Strand auch nicht für einen nur kurzen Moment aus den Augen.

Sandstrand südlich von Ostuni

Sandstrand südlich von Ostuni

Für das Abendessen hat man die Qual der Wahl: Geht man in eines der malerisch am Meer gelegenen Fischrestaurants von Marina di Ostuni oder Santa Sabina? Oder in ein in der sarazenischen Altstadt von Ostuni gelegenes ristorante, von wo sich ein zauberhafter Blick über die Ebene, die sich bis zum Küstensaum erstreckt, bietet? Doch Vorsicht, in der Altstadt von Ostuni hält die Qualität nicht immer, was der Preis verspricht! Wir könnten auch das nahe gelegene Carovigno besuchen, in dessen Altstadt sich sowohl hervorragende als auch preisgünstige Restaurants verbergen.

Doch dann steht der Entschluss: heute Abend besuchen wir eine masseria. Als masseria wird hier ein Gutshof bezeichnet, der von großen, landwirtschaftlich genutzten Flächen umgeben ist und aus Wohngebäuden mit Stallungen besteht, meist von einer hohen, weißen Mauer begrenzt. Heute ist vielen Masserien ein Restaurant angegliedert und einige bieten auch Fremdenzimmer an. In der masseria angekommen, bestellen wir antipasti della casa, als primo ein pasta-Gericht, in diesem Fall orecciete frutti di mari, das sind Öhrchennudeln mit Meeresfrüchten, und als secondo Lamm (agnello). Doch wie staunen wir, als die uns servierten antipasti-Teller überhaupt kein Ende nehmen! Köstliche und fantasievolle warme und kalte Vorspeisenvariationen aus Gemüse, Fisch, Fleisch, Wurst und Käse werden uns kredenzt - wir zählen vierzehn Teller auf unserem Tisch! Wie soll man denn jetzt noch die nachfolgenden Gänge bewältigen? Von dem dolce als Dessert ganz zu schweigen. Da hilft nur eins: alles mit dem gehaltvollen vino rosso della casa hinunter spülen! Vom Preis her kann man sich das allemal leisten, wenn der Liter ganze vier Euro kostet. Doch da wir motorisiert sind, üben wir uns in Zurückhaltung.

Masseria bei San Vito dei Normanni

Masseria bei San Vito dei Normanni

© Angelika Gutsche, 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Apulien, das ist der Absatz des italienischen Stiefels, begrenzt von der Adria und dem Ionischen Meer. Entlang einsamer Landstraßen sind wir unterwegs im Land der Olivenbäume und Trulli, bewundern die Naturschönheiten und die kulturellen Sehenswürdigkeiten wie das berühmte Castel del Monte von Friedrich II., besuchen mittelalterliche Städte und genießen die köstliche apulische Küche mit ihren berühmten Antipasti und wunderbaren Weinen.
Details:
Aufbruch: Juli 2009
Dauer: circa 5 Wochen
Heimkehr: August 2009
Reiseziele: Italien
Der Autor
 
Angelika Gutsche berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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