Apulien mit dem Motorrad entdecken

Reisezeit: Juli / August 2009  |  von Angelika Gutsche

An den Golf von Taranto und durch den Salento

Tour 3: An den Golf von Taranto und durch den Salento

Tour 3: An den Golf von Taranto und durch den Salento

Nach dieser Tour genehmigen wir uns erst mal wieder Stranderholung, bevor sich unser Unternehmungsgeist zurück meldet. Schon sehr früh morgens verlassen wir Ostuni in Richtung Ceglie mit seiner romantischen Altstadt, fahren weiter nach Grottaglie, ein Ort berühmt für seine Keramiken, die - mit Ausnahme des sehr hübschen, bäuerlichen Geschirrs zumindest nach meinem Dafürhalten nicht besonders künstlerisch scheinen - und erreichen endlich Taranto.

Zuerst geht es durch das geschäftige, moderne Taranto, bevor wir über eine Brücke die auf einer Insel gelegene, dem Verfall preisgegebene und düstere wirkende Altstadt erreichen. Den Gegensatz dazu bietet der Goldschatz aus der Zeit der Magna Graecia, der im hiesigen Archäologischen Museum, eines der bedeutendsten in ganz Italien, ausgestellt ist. Nach dem Museumsbesuch kurven wir mit unserem Motorrad kreuz und quer durch die Stadt, besuchen das Mar Piccolo und das Mar Grande mit ihren Muschelbänken, fahren zum Hafen, der nur noch als Industriehafen für die hier vorherrschende Petrochemie genutzt wird und von dem ansonsten keine Schiffe nirgendwohin auslaufen. Rostige Industrieanlagen bestimmen diesen Küstenabschnitt.

Otranto: Muschelbänke

Otranto: Muschelbänke

Wir verlassen Taranto nicht entlang der Ionischen Küste Richtung Südost, sondern fahren mitten hinein in das Weinanbaugebiet des Salento. Jeder größere Ort verfügt über Weinkellereien, so genannte cantine. In Sava bereuen wir es zum ersten Mal heftig, mit dem Motorrad unterwegs zu sein. Weder kann man eine kleine Weinprobe einlegen, noch auch nur ein noch so winziges Weinkartönchen verstauen. Dieses Gefühl steigert sich noch in Manduria. Auch hier gibt es den berühmten Primitivo-Wein, genannt nach einer Traube, die vor allen anderen reif wird (primo). Weitere leckere Rebsorten sind Malvasia und Negroamaro. Was soll's! Wir verlassen die Weingegenden und fahren zurück an die Küste.

Doch vorher machen wir noch in der Altstadt des Städtchens Avetrana, umgeben von süditalienischen Senioren, eine Einkehr auf der alten Piazza neben dem Dom. In der Masseria Bosco decke ich mich mit wunderbarer Naturkosmetik auf der Basis von Olivenöl ein, dann folgen wir der Straße hinunter nach Torre Colimena. Hier gibt es wenige, aber urige Fischrestaurants - die Fische garantiert frisch vom morgendlichen Fang. Weiter geht's entlang der litoranea zum Punto Prosciutto. Von hier zieht sich nach Südosten ein lang gestreckter Sandstrand, der eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf uns ausübt und wir legen eine kleine Badepause ein. Doch hat inzwischen der Wind aufgefrischt und das Meer ist recht bewegt. Als ich etwas zu weit hinaus schwimme, schaffe ich es kaum noch, aus eigener Kraft wieder Boden unter den Füßen zu bekommen. Ziemlich erschöpft erreiche ich den Strand.

Sandstrand von Punto Prosciutto

Sandstrand von Punto Prosciutto

Weiter geht's entlang der recht touristischen Küste mit Hotels und Campingplätzen in das charmante Porto Cesareo. Bei einem gelati lassen wir den Blick über die bunten Fischerboote hinweg auf das vorgelagerte Inselchen, Isola Grande, schweifen.

Hafen von Porto Cesareo

Hafen von Porto Cesareo

Über San Isidoro geht es nun entlang der Küste nach Porto Selvaggio. Ein Freund hatte uns darauf aufmerksam gemacht, dass es dort einen wildromantischen Küstenabschnitt gäbe. Wir biegen rechts in eine kleine Sandstraße ein (GPS: N 40°09' 20'' O 17°58'42''), parken unsere Motorräder an deren Ende und folgen durch ein Wäldchen dem antiken, einst befestigten Weg hinunter zur Küste (Einstieg: N 40°09'14" O 17°58'36"). Hier ist alles archäologisches Gelände, es finden sich noch Überreste von antiken Gebäuden und unten an der Küste die alte Stadtmauer. Wir vermuten, es handelt sich um einen antiken Hafen aus den Zeiten der Magna Graecia, der im Meer versunken ist. Der Blick gleitet über diesen beschaulichen, vom Tourismus gänzlich unberührten Küstenabschnitt mit dem glasklaren Wasser, an dem man sich in längst vergangene Zeiten zurück versetzt fühlt, bis er einem wuchtigen torre hängen bleibt, einer von vielen Wachtürmen, die hier an der Küste im 16. Jahrhundert zum Schutz gegen Eroberer gebaut wurden.

Wachturm aus dem 16. Jahrhundert bei Porto Selvaggio

Wachturm aus dem 16. Jahrhundert bei Porto Selvaggio

Dann geht es über S. Catarina mit seinen luxuriösen alten Villen in den noblen Badeort S. Maria al Bagno und weiter nach Gallipoli, deren Altstadt man schon aus der Ferne auf ihrer Insel thronen sieht. Wir parken vor der Brücke, die hinüber in die Altstadt führt, und erkunden die schmalen, verschlungenen Gässchen zu Fuß. Viele Türen stehen offen, Frauen sitzen auf Stühlen vor ihren Häusern, Männer unterhalten sich auf der Piazza, und so hat man das Gefühl, nicht durch öffentliche Räume, sondern durch private Wohnzimmer zu spazieren. Interessant ist hier auch der Besuch der Frantoio Ipogeo, eine unterirdisch in den Fels gehauene Ölmühle.

Blick auf die Altstadt von Gallipoli

Blick auf die Altstadt von Gallipoli

Gallipoli: Ölmühle Frantoio Ipogeo

Gallipoli: Ölmühle Frantoio Ipogeo

Der Rückweg führt wieder durch das Weingebiet des Salento. So schön sich die Fahrt entlang der kleinen Landstraßen gestaltet, so ist es immer wieder schwierig, den rechten Weg zu finden. Manchmal fehlen die Hinweisschilder ganz und oft ist dem Pfeil nicht zu entnehmen, ob er nach rechts oder geradeaus zeigen will. Besonders bei Ortsdurchfahrten - viel Verkehr durch enge Sträßchen - müssen wir immer wieder fragen. Doch dann sind wir in Galatina. Hier machen wir nur einen kurzen Halt, um in der Franziskanerkirche Santa Caterina den unglaublich farbenprächtigen Freskenzyklus aus dem 15. Jahrhundert zu bewundern. Besonders beeindrucken uns die sehr anschaulich abgebildeten Wasserleichen, Opfer der biblischen Sintflut. Eigentlich wollten wir auch noch nach Nardo, doch das schaffen wir nicht mehr und so geht es gleich weiter nach Copertino. Das neu restaurierte castello mit dem wunderbaren Innenhof mit Freitreppe, umlaufenden Tonnengewölbe und Begräbniskapelle kann man besichtigen. Doch berühmt gemacht hat Copertino der heilige hier geborene Guiseppe (1603-63), ein wundertätiger Pater, der sich in die Lüfte erheben konnte und so zum Schutzpatron der Flieger erklärt wurde.

Copertino: Innenhof des Kastells

Copertino: Innenhof des Kastells

Über Salice Salentino und Campi erreichen wir Squinzano. Überall bestimmen Weinanbau, Weingüter und Kellereien das Bild. In Squinzano werden wir dann doch schwach und besuchen die am Bahnhof gelegene Cantina de Ventura Vencinco. In den überaus geschmackvoll eingerichteten Verkaufsräumen lassen wir uns zu einer kleinen Weinprobe überreden, den Wein spucken wir nach alter Kennermanier allerdings wieder aus, obwohl er vorzüglich schmeckt. Und es findet sich zu guter Letzt doch in unserem Rucksack ein Platz für zwei Fläschchen salento rosso.

Cantina de Ventura Vencinco in Squinzano

Cantina de Ventura Vencinco in Squinzano

So versorgt, kommen wir nicht mehr in Versuchung, kurz nach dem Ort Cellino S. Marco in der wunderbar angelegten Winzerei Tenute Carrisi zu halten. Diese ist in Besitz des berühmten italienischen Stars Al Bano, bekannt durch seine im Duett mit Gattin Romina Power gesungenen Lieder und vor einigen Jahren in die Schlagzeilen geraten wegen des mysteriösen und Gerüchte umrankten Verschwindens der gemeinsamen Tochter.

Auf der Heimfahrt über Land werden wir von einem bösen Gewitter überrascht, das sich unterwegs schon mit dunklen Wolken angekündigt hatte. Der Himmel öffnet seine Schleusen und wahre Wolkenbrüche stürzen auf uns nieder. Schnell verwandeln sich die Straßen in reißende Sturzbäche. In kürzester Zeit sind wir total durchnässt, denn Regenkleidung hatten wir heute natürlich nicht dabei. Doch glücklicher Weise ist der nasse Spuk schon nach kurzer Zeit wieder vorbei und vor uns wölbt sich ein wunderbarer, bunter Regenbogen über die wieder Sonnen beschienenen, nun feucht glitzernden Felder.

© Angelika Gutsche, 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Apulien, das ist der Absatz des italienischen Stiefels, begrenzt von der Adria und dem Ionischen Meer. Entlang einsamer Landstraßen sind wir unterwegs im Land der Olivenbäume und Trulli, bewundern die Naturschönheiten und die kulturellen Sehenswürdigkeiten wie das berühmte Castel del Monte von Friedrich II., besuchen mittelalterliche Städte und genießen die köstliche apulische Küche mit ihren berühmten Antipasti und wunderbaren Weinen.
Details:
Aufbruch: Juli 2009
Dauer: circa 5 Wochen
Heimkehr: August 2009
Reiseziele: Italien
Der Autor
 
Angelika Gutsche berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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