¡hola catira! - ein halbes Jahr Venezuela
Meine Güte ist der Atlantik groß....
Am 01.11.2006 wurde ich von meiner Mama, meinem Papa und meiner Schwester morgens viel zu früh zum Flughafen Münster-Osnabrück gebracht, von wo aus mein Flug nach Frankfurt um 06.00 Uhr gehen sollte. Als wir ankamen, war natürlich der Lufthansa-Schalter noch nicht besetzt, man sollte sich einfach nicht an die Vorgaben der Lufthansa halten.
Also haben wir gewartet und ich bin langsam wirklich nervös geworden. Aber noch nicht, weil ich nicht wusste, was mich in Venezuela erwarten würde, sonder viel mehr vor dem ganzen Sachen, die man auf einem Flughafen machen muss. Denn ich war erst zwei Mal zuvor geflogen und daher mit dem Check In, Boarding, etc. nicht wirklich vertraut und musste das in Frankfurt schließlich alles alleine machen. Außerdem war es einfach ein wirklich eigenartiges Gefühl zu wissen, dass man sich bald für 6 Monate von seiner Familie verabschieden soll. Mir wird jetzt noch ganz anders bei dem Gedanken daran. Obwohl ich eigentlich aufgehört hatte, habe ich mir dann erst einmal Zigaretten besorgen müssen, die brauchte ich in dem Moment einfach.
Wir haben dann noch einen Kaffee zusammen getrunken und dann wurde es Zeit für mich in den Terminal zu gehen. Das werde ich NIE vergessen. Wie ich mich dort an der Schlange angestellt habe und meine Mutter mich nur ansah und sagte: "Du möchtest keinen langen Abschied, oder?" und ich nicht viel mehr als ein "Nein" mit gleichzeitigem Kopfschütteln hervorgebracht habe. So habe ich noch kurz alle umarmt und die drei sind dann zur Aussichtsplattform gegangen, von wo aus sie meinen Start beobachten wollten. Vom Terminal selber weiß ich nichts mehr, da war ich wohl wie in Trance. Die nächste Erinnerung ist im Flugzeug, noch auf dem Flughafen in Münster. Dort saß ich nämlich drin und habe verzweifelt nach dieser Aussichtsplattform Ausschau gehalten. Wahrscheinlich habe ich gehofft meine Familie noch einmal zu sehen, obwohl es draußen völlig dunkel war. Ich sah wohl auch weniger gefasst aus, auch wenn ich nicht geweint habe, denn die freundliche Flugbegleiterin fragte mich relativ schnell, ob alles in Ordnung sei. Aber ich bin ja ein tapferes Mädchen und habe mit einem unsicheren "Ja" geantwortet.
In Frankfurt angekommen, war alles gar nicht so schwer, trotz der wahnsinnigen Größe des Flughafens hatte ich keine Probleme. Lediglich Angst, den Flug zu verpassen. So eine Uhr am Arm macht einen glaube ich nervös, denn das war wohl das erste Mal seit Jahren, dass ich eine getragen habe. Abgesehen davon war ich allerdings nicht mehr wirklich nervös. Ich habe im Flughafen noch kurz was gefrühstückt und dann ging es auch schon bald zum Boarding für 10 Stunden Flug nach Caracas.
Die Maschine war RIESIG, ich war wirklich beeindruckt - ich war ja noch nicht so oft gefolgen. Nur das Begleitungspersonal nicht so recht freundlich und wenn dann auffällig unecht. Der Flug war endlos lange, denn ich hatte niemanden zum Reden. Mein Sitznachbar war ein mürrischer Lateinamerikaner um die 45, der die ganze Zeit "Whiskey on the Rocks" in sich hineinschüttete, was dann auch die einzige Phrase war, die er auf Englisch konnte. Und was kann man in einem Flugzeug schon großartig machen? Lesen, fernsehen, Musik hören, schlafen, "spazieren gehen", essen, trinken, aus dem Fenster schauen und auf Toilette gehen - da hört es dann aber auch schon auf. Aus dem Fenster schauen war relativ uninteressant: Wir haben Frankreich überflogen - ein typischer Flickenteppich, auf die Dauer auch langweilig -, und danach kam NUR NOCH Wasser. Das war vielleicht langweilig. Dieser Ozean ist einfach zu groß. Es ist ja nicht so, dass man dort am laufenden Band große Frachtschiffe oder Tanker in Spielzeugformat entdeckt, eher im Gegenteil: Es passiert einfach gar nichts und ein Schiff ist so was wie die absolute Attraktion. Für ungefähr 8/10 des Fluges viel diese Option also weg. Ich habe mich dann einfach hauptsächlich aufs Schlafen, aber auch auf mein Buch und meine Musik konzentriert. Die Filme in Flugzeugen sind leider meistens auch nur schlecht, wie ich erfahren musste.
Irgendwann waren wir dann über dem karibischen Meer und hier und da tauchte mal eine kleine Insel unter uns auf und eine knappe Stunde später kam die venezolanische Küste in Sicht, natürlich nicht auf meiner Seite. Aber auch durch die gegenüberliegenden Fenster konnte ich die schmalen weißen Strände und die sich direkt anschließenden saftig grün bewaldeten Berge sehen. Ein wunderschönes Bild. So schön, dass ich aus dem Staunen nicht mehr raus kam. Ich habe mich lediglich beglückwünscht in dieses Flugzeug gestiegen zu sein!
Als die Türen dann aufgingen, drang direkt die heiße karibische Luft ins klimatisierte Flugzeug. 30° C, noch relativ kühl für den Küstenstreifen wie mir gesagt wurde.
Der internationale Flughafen Caracas, einer der wichtigsten in Südamerika war dann jedoch überraschend klein, kleiner glaube ich noch als der FMO.
Am Einwanderungsschalter stand ich unsicher mit meinen Papieren in der Hand und habe nur gehofft ich alles richtig ausgefüllt zu haben. Meine Nervosität war jedoch völlig unnötig, den die Frau am Schalter, die im Übrigen kein Wort Englisch sprach oder verstand, schaute sich meine ausgefüllten Zoll- und Aufenthaltspapiere nicht einmal an, gab nur meine Daten aus dem Reisepass in den Computer ein und stempelte dann alles ab. Und schon war ich in Venezuela.
Der nächste Schock kam beim Betreten der Gepäckausgabehalle, denn diese war nur durch eine Glasfront von der wartenden, schreienden, lachenden, durcheinander wuselnden Menschenmasse am Ausgang getrennt. Da sollte ich hinausgehen??!?
Jetzt wurde ich richtig nervös: Was, wenn ich den Padre Carlos Luis gar nicht erkennen würde? Und noch schlimmer: Was, wenn er mich nicht erkennen würde? Schließlich kannten wir jeweils nur ein Foto voneinenader. Trotzdem bewegte ich mich mit meinem Gepäck relativ zielstrebig auf die Menschenmenge zu, und siehe da, direkt auf meinem Weg aus dem Gedränge stand ein sehr großer, die kleinen Venezolaner überragender Mann, der mir irgendwie bekannt vorkam und direkt meinen Namen nannte. Pater Carlos Luis Suarez, mein Kontakt und vorübergehender "Ersatzvater".
Mit ihm bin ich dann schnell aus dem Flughafen raus, in das Auto und auf der Autopista in die Stadt. Ich schreibe Autopista, statt Autobahn, weil es irgendwie falsch wäre, das Wort zu übersetzen. Man darf sich die venezolanische Autopista einfach nicht der deutschen Autobahn ähnlich vorstellen. Im Gegenteil. Die einzigen Gemeinsamkeiten sind das im Vergleich zu anderen Straßen höhere Tempolimit und die Mehrspurigkeit. Venezolanische Straßen sind ein einziges großes Chaos. Die einzige Regel: "Fahre umsichtig!".
Ich war in dem Moment so voll von neuen Eindrücken und hatte so viel zu verarbeiten, dass ich auf die Armut, die ich an der Straße entlang sah, überhaupt nicht mehr reagieren konnte. Ich habe die Bilder einfach nur noch zur Kenntnis genommen und vermutlich irgendwo weiter hinten in meinem Gehirn zur späteren Bearbeitung abgelegt.
Angekommen in Caracas, in dem Stadtviertel "El Cementerio" (der Friedhof) - meinem "neuen Zuhause" (laut Carlos Luis), habe ich mich kurz den Studenten vorstellen lassen (und die Namen direkt wieder vergessen) und hab mich dann auf mein Zimmer verzogen ... Ich glaube im Nachhinein, dass mir das alles irgendwie zu viel auf einmal war, obwohl mir das in dem Moment wirklich nicht bewusst war. Viel später sagte einer der Studenten zu mir, ich wäre sofort abgehauen und hätte überhaupt kein Interesse an ihnen gezeigt. So war das definitiv nicht. Denn außerdem wollte ich mich nach 15 Stunden Reise gerne duschen und umziehen.
Aufbruch: | 01.11.2005 |
Dauer: | 6 Monate |
Heimkehr: | 30.04.2006 |
Peru