Zwischen Heimweh und Fernsucht
Die Krise ist da - eine Reise muss her. Geld mal wieder Mangelware... Zum Glück gibts Eltern und Freunde! Mütterliches Auto, väterliches Navigationssystem, dazu freundschaftliche Reiseutensilien und gutgemeinte Ratschläge. Eine Prise Spontanität, ein Hang zu Italien und zum Extremen, ein Leihwelpe und los geht die Fahrt! Das Ziel: In Berlin losgehen und bei mir ankommen...
Vorwort
Unruhiger Geist
27. Dezember 2008
Momentan stelle ich mich und meine Mitmenschen gleichermaßen auf die Probe. Ist es eine Frage der Winterdepression, des Sternzeichens, des Geschlechts? Ich weiß es nicht. Aber seit zwei Wochen würde ich mich verlassen, wenn ich könnte.
Man kann am ehesten von einer extremen inneren Unruhe oder Aufbruchstimmung sprechen. Ich möchte umgehend kreativ arbeiten - vielleicht schreiben... Reisen... Abhauen! Hauptsache ganz raus und ganz anders!
Nun versuche ich tapfer diese Phase wegzuatmen, weiß aber schon gar nicht mehr, ob ich überhaupt möchte, dass sie vorübergeht. Dem inneren Drängen nachzugeben fehlen mir allerdings Mut, Geld und Perspektiven.
Rennen ist super, aber die Richtung sollte doch zumindest klar sein!?
Reisefieber
15. Januar 2009
Nachdem alles tiefe Durchatmen und die Versuche mich mit meinem Chaos zu arrangieren tendenziell unfruchtbar verliefen, wird das Reisefieber akut.
Wie es aussieht werde ich in den nächsten Tagen meine Lebenszeiturkunde in Händen halten, die mir ein mittel- aber regelmäßiges Einkommen zusichert. Diese, als Ausdruck der maximalen Sicherheit, welche ich im Alter von (dann) 27 Jahren erreicht habe, werde ich zum Anlass nehmen Deutschland den Rücken zu kehren und mir mein Stück Freiheit zu gönnen.
Vierzehn Tage sollen mir gehören. Ich gehe hier los und möchte bei mir ankommen!
Wunsch und Wirklichkeit
22. Januar 2009
Nun nehmen die Dinge Ihren Lauf. Der Termin für die Überreichung der Lebenszeiturkunde steht fest, mein Urlaub ist bewilligt, meine Mutter leiht mir ihr Auto, mein Vater sein Navigationssystem und mein Arbeitskollege hat mich mit einem Elektroschocker ausgestattet - nur für den Notfall. Obwohl ich all das noch gar nicht glauben kann, plane ich vorsorglich meine Wunschreiseroute, die mich über Prag nach Österreich, über Konstanz in die Schweiz und durch die Alpen nach Italien führen soll. Ich bin ausgestattet mit Reiseführern von Wien, Venedig und Rom und dem festen Vorsatz alle diese Städte zu besuchen.
Mit der Aussicht auf meine kleine Auszeit entspanne ich mich, kann mich endlich wieder konzentrieren und genieße jede Sekunde. Furchtbar ist die Zeit der Ungewissheit, wenn das was ist einem bereits zu fad erscheint und sich etwas Neues partout nicht zeigen möchte. Man schwelgt in der eigenen Unzufriedenheit, wird geschüttelt von blindem Aktionismus der zu nichts führt und steckt die Umgebung bald mit seinem Frust darüber an. Wie befreiend da bereits das kleinste Luftschloss wirken kann. Ich genieße es und schmiede Pläne, die vielleicht niemals wahr werden. Auch ein Placebo kann ein hilfreiches Medikament sein...
Reisebegleiter
30. Januar 2009
Wie es aussieht habe ich Begleitung auf meiner Europareise. Einen Jack-Russel-Welpen mit dem treffenden Namen Pepper und der nötigen Portion Begeisterung als Beifahrerin und Weltenbummlerin. Unser Tierpfleger "leiht" sie mir für zwei Wochen und so habe ich eine warme Schulter, an der ich mich in einsamen Stunden ausweinen kann. Ganz nach meiner Mutter kommend erfülle ich mir damit einen Wunsch, dessen Umsetzung mir bisher durch die Männer in meinem Leben verwehrt blieb. Was der Vater begann setzten die Freunde fort und nun möchte ich auch diesen Traum auf meinem Pfad der Wunscherfüllung leben. Entweder ich begrabe den Gedanken danach freiwillig oder ich habe ein neues Diskussionsthema mit meinem Freund.
eight hours
15. Februar 2009
Ich kann es nicht glauben: der Tag, der eben noch unendlich weit entfernt schien, ist tatsächlich da. In wenigen Stunden bin ich unterwegs nach... ja wohin eigentlich? Ich habe keinen Plan - in erster Linie zu mir selbst. Eine Portion Hoffnung im Gepäck, dass es da tatsächlich etwas zu finden gibt, bei dem ich ankommen könnte.
Meine Sachen packe ich erst nachher. Nur die Dinge, die man gewöhnlich nicht bei einer Reise benötigt liegen schon im Wohnzimmer bereit, um das Risiko zu minimeren etwas Lebenswichtiges zu vergessen. Und so türmen sich der Wasserkocher für den Zigarettenanzünder, Hundekuchen für Pepper und ein Berlin-Anstecker für meinen Trekking-Rucksack auf dem Fussboden. So richtig möchte sich das Realitätsgefühl noch nicht einstellen. Das Reisefieber kommt beim Packen und wenn die Räder erst über den Asphalt schnurren, werde ich schon begreifen, dass es wahr ist.
Neuschnee
16. Februar 2009
Ich wache auf und sehe weiß. Viel weiß. Neuschnee! Ungünstiger hätte Frau Holle ihren Einsatz kaum planen können. Ich hasse es auf glatten Straßen fahren zu müssen. Mein Vertrauen in die eigenen Fahrkünste ist beinahe eben so gering, wie die Hoffnung, dass meine Allwetterreifen eine große Unterstützung sein werden. Die Unfallmeldungen im Radio vermögen meine Stimmung auch nicht zu heben und ich bin wenig zuversichtlich heute über Brandenburg hinaus zu kommen. Nun ja, wer kein Ziel hat kann nicht falsch ankommen und niemand drängt mich.
So versuche ich es mit Sonne im Herzen, packe endlich meine Klamotten zusammen, räume die Wohnung auf und fahre los, um Pepper abzuholen. Gerade habe ich meinen Freund zur Arbeit verabschiedet, kann aber keinen Unterschied zu jedem anderen Tag feststellen und muss mich erst an den Gedanken gewöhnen ihn nicht in wenigen Stunden wieder zu sehen. Ich bin gespannt auf alles was kommt, stehe dennoch neben mir - Hauptsache beim Autofahren bin ich wieder dabei...
Aufbruch: | 16.02.2009 |
Dauer: | 11 Tage |
Heimkehr: | 26.02.2009 |
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