Raus. Denise im Scheichtum

Reisezeit: September 2010 - September 2013  |  von Dienice Denise

Birgit: und endlich mal Tourikram :-): Ein Thriller in Hatta.

Hallo Ihr Lieben!
Auch, wenn ich jetzt in "Unchronologie" verfalle - manche Geschichten müssen erzählt werden, solange sie noch frisch sind.
Gerade gehen die Eid-Feiertage zu Ende, was hieß, dass nach dem Wochenende (Freitag und Samstag) noch einmal 3 Tage frei waren. Da ein Kollege und ich zwischendurch ins Büro und zu einem Meeting mussten, konnten wir nicht alle Tage planen, aber für mich war klar, dass ich an einem dieser 5 Tage endlich mal wieder etwas von der Welt um Dubai erkunden wollte. Ich hatte also mit Rodeina, einer Kollegin besprochen, zu den Hatta Pools zu fahren. Einer Ansammlung natürlicher Pools, die mit Süßwasser gefüllt sind. Am Abend zuvor erfuhr ich allerdings von besagtem Kollegen, dass man dort nur mit Vierradantrieb hinkomme und auch der Weg nicht klar ausgeschildert sei. Kurz und gut: der Kollege wurde - samt Auto (überflüssig zu sagen, dass 4WD)- eingeladen, mitzukommen. Dummerweise waren wir alle aber vor besagtem Abend lange unterwegs, so dass ich die einzig Disziplinierte war, die um 10 Uhr abfahrbereit war. Letztlich ist 12.30 Uhr draus geworden.
Kaum aus Dubai heraus ließ die unendliche Wüste mit Kamelen hier und da unsere Gesichter erhellen

und irgendwie war schon der Weg das Ziel. Herrlich.

Klar war, dass wir verschiedene Passkontrollen passieren mussten, da wir auf einer 15minütigen Strecke aus UAE über den Oman wieder nach UAE und wiederum nach Hatta reisen mussten (ich sag dazu nichts).
Als wir uns auf der Autobahn in eine riesige Autoschlange einreihen mussten, war uns nicht ganz klar, warum. Straßensperre? Unfall?

Nach über 30minütigem Warten und kaum Vorankommen, haben Rodeina und ich uns entschieden, der Sache auf den Grund zu gehen und sind die Autobahn entlanggegangen. Natürlich unter dauerndem Hupen und Geifern aus den Labourer-Bussen. Nun ja. Nach 10minütigem Walk fuhr ein Polizeiwagen an uns vorbei und stoppte einige Meter vor uns (nicht ohne uns haufenweise Sand in die Augen zu treiben). Wir nahmen die Verfolgung auf. Fast angekommen, fuhr er - sehr zur Belustigung bereits erwähnter Labourerbusse- weiter. Nicht, ohne uns einmal einzusanden. Haha.
Wir also wieder hinterher. Das Spielchen ging noch ein wenig, bis er anhielt und wir nach dem Grund des Staus fragen konnten. Bzw. Rodeina. Die spricht nämlich arabisch. Macht natürlich Eindruck.
Hat uns aber leider auch nicht dazu verholfen, die Schlange passieren zu dürfen.
Immerhin den Grund hat Zweizahn (hups, komme ich jetzt ins Gefängnis?) uns verraten: Passkontrolle.
Wir also wieder zurück zum Auto - natürlich nicht, ohne andere Touris mit dieser Info zu versorgen.
Eine weitere halbe Stunde später waren wir durch Passkontrolle Nr. 1. Hat mit europäischen Gesichtern und dt. Pässen nicht lange gedauert. Auf uns hatten sie es nicht abgesehen.
Derweil hatte sich auch das Landschaftsbild geändert: es wurde hügelig.

An der nächsten Kontrolle ging es etwas fixer. Es war derweil 14.30. Was ja nicht so schlimm gewesen wäre, wenn es hier nicht bereits um 17.30 dunkel würde. Ich hatte also schon das Gefühl, ein wenig gegen die Zeit zu fahren.
Hatte sich an der letzten Passkontrolle aber eh erledigt, denn man hatte sich mal spontan überlegt, an diesem Tag nur Personen mit gültigem Omanvisum einreisen zu lassen. Für Christian, der die Tour schon öfter gemacht hatte völlig neu. Davon war auch in keinem Reiseführer zu lesen... Naja. UAE hat seine eigenen ungeschriebenen Gesetze. Also sind wir traurig wieder umgedreht und haben uns auf dem Weg durch Hatta entschieden, doch zumindest das Heritage Village zu besuchen.
Wer hätte gedacht, dass die Passkontrolle den Tag (und fast das ganze Leben) verändern könnte.
Das Heritage Village war eine ganz liebevoll und informativ nachgebaut Stadt, die das Leben im Hatta der 70er zeigte.
Relativ schnell hatte Rodeina uns einen Privatführer organisiert, der uns alles genau erklärte. Bzw. Rodeina und ihrer Freundin. Die können ja arabisch. Und haben dann ins Englische oder Deutsche weiter übersetzt.

Ich - als alte Pauschaltouristin - habe mich dann gefragt, was wir ihm denn nun für seine Bemühungen geben.

Daraufhin musste ich mir erklären lassen, dass das für die Locals eine Selbstverständlichkeit wäre, gastfreundlich zu sein, wenn Ausländer sich für ihre Kultur interessieren und eine Frechheit, dafür Geld zu nehmen. Kapiert. Also haben wir uns entschieden, zumindest im Touri-Shop etwas zu kaufen - übrigens gar nicht so einfach, wenn man durch selbigen geht und gezwungenermaßen zuschlagen muss. Nun ja. Ihr könnt an Weihnachten alle mal überlegen, wen es getroffen hat 
Danach haben wir noch eine Localgruppe gesehen, die sich scheinbar für irgendein Fest eingesungen hat.

Wir waren natürlich völlig Feuer und Flamme und Rodeina hat dann gleich mal klargemacht, dass wir mitsingen dürfen. Einmalig. Ich glaube, ich muss arabisch lernen.
Also das war wirklich ein witziges Erlebnis, wie wir da auf diesem vorsintflutlichen Platz standen und mit Männer in Kleidern (wie meine Mutter sagen würde) mit Stöcken singen und tanzen durften. Da wurden so einige Kameras gezückt, nicht nur meine...

Jetzt startet der eigentlich spannende Teil der Geschichte.
Als wir zu Christian zurückkamen, stand dieser mit einem Local da. Die Unterhaltung wurde dann durch Rodeinas Übersetzung vertieft und kaum, dass ich mich versah (ehrlich!) saßen wir in seinem Auto. Er wolle uns sein Haus zeigen. Oder sein Restaurant. Das war irgendwie nicht so ganz klar. Kaum losgefahren, hat er uns mit Fotos versorgt, die ihn bei der Jagd zeigten.

Stolz erzählte er, dass er selbst jage und die Rehe dann auch grille und zubereite. Als wir nach wenigen Minuten scheinbar immer noch nicht am Ziel waren, fiel einem von uns auf, dass unsere Pässe im Auto seien. Der Local meinte, das sei kein Problem, er bringe uns durch jede Passkontrolle. Auf deutsch (und somit für ihn ja unverständlich) fragten wir uns nur, wie wir durch den Pass zurückkommen würden, sollten wir das Land wieder ohne ihn betreten wollen... Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen... Wir saßen im Auto mit einem Local, den wir keine 5 Minuten kannte, auf dem Weg zu seiner "Farm" und wenige Sekunden vorher hatte er uns stolz gezeigt, wie er Tiere tötet und schlachtet. Oh Gottogottogott. So eine Dummheit hatte ich in Australien schon einmal begangen und mir geschworen, dass nicht wieder zu tun. Immerhin waren wir zu viert. Aber den anderen war auch mulmig zumute... Gottogottogott.
Ich habe hysterisch gelacht und mich wirklich gefragt, wie man so bescheuert sein kann.
Während die Sonne langsam unterging,

insistierte er, uns seine "Farm" zeigen zu wollen.
Gottogottogott.
Was ich erst nachher erfuhr: Rodeinas Freudin hatte längst unauffällig den Anhänger ihrer Kette (ein Kreuz) nach hinten gedreht, wo er unter ihren Haaren verschwand. Sie dachte, Christen wären zuerst dran.
Herrje.
Kurz vor der Grenze fuhr er ein Restaurant an und so schnell war ich noch aus keinem Auto raus.
Gut... das Restaurant wäre nicht meine erste Wahl gewesen, aber Magen-Darm war mir lieber, als seine "Farm".
Wie sich herausstellte, war es gar nicht sein Restaurant. War aber auch nicht schlimm, denn er bestand trotzdem darauf, uns einzuladen.
Widerspruch zwecklos. So sind locals, wurde mir gesagt. Nach dem Bestellen kam der Vorschlag auf, er wolle mit Christian zum Auto zurückfahren, um unseren Wagen schon einmal zu holen. Würde ja Zeit sparen. Dann könnten wir noch in Ruhe mit zu seiner ... Farm.
Ah!
Haben wir dann aber erfolgreich abgeschmettert. Wie weiß ich nicht. Hat aber geklappt. Zwischendurch hat er noch Jagdgeschichten erzählt, dass er die Scheichfamilie kennt etc. Auf Christian hatte er es besonders abgesehen. Die haben dann auch Telefonnummern getauscht. Macht ja Sinn, wenn man sich noch nicht mal live verständigen kann.

Essen war ganz okay.
Dann ging allerdings die Diskussion mit seiner "Farm" wieder los.
Zwischendurch wurde das Essen serviert und er hat sich kurz entschuldigt, um beten zu gehen. Hat aber außerdem vor der Tür telefoniert. Die schlimmsten Thriller fuhren an meinem geistigen Auge vorbei. Die ganze Stadt weiss, dass er ein Schlachter ist, es bringt nichts, dass so viele Leute uns mit ihm gesehen haben, denn schließlich wollen alle einen Knochen (oder Schenkel) abhaben und... und.. Und.... Jetzt telefoniert er, um schon mal kundzutun, dass er Frischfleisch organisiert hat...

Gut wir sind ja smart und haben uns entschieden, es ganz tricky zu machen. Wir würden nun erst einmal zurückfahren, um unser Auto zu holen und dann eben nicht hinter ihm her, sondern heim fahren.
Gesagt, getan.
Auf dem Weg hat er dann aber angefangen zu erzählen, dass es auf seiner "Farm" ja auch Obstbäume gebe. Und da Rodeina so krank war (Grippe) sollten wir unbedingt ein paar Orangen mitnehmen. Von wegen Vitamin C und so.
Vom Gedanken her sinnvoll.
Danach erwähnte er aber noch, dass er ja auch verstehen könnte, wenn wir Angst hätten, mit ihm zu fahren.
Hätte er auch.
Schluck.
Als wir schon auf dem Parkplatz standen, kam die Diskussion auf, dass einer von uns doch mit ihm fahren solle. Ich stand zum Glück nicht zur Debatte - hätte eh Kommunikationsschwierigkeiten gegeben.
Wir sind ihm dann im Auto gefolgt mit gemischten Gefühlen. Ich war nicht sicher, was wir tun sollten, denn den Eindruck eines Meuchelmörders machte er eigentlich nicht. Aber wie erkennt man die, wenn man ihnen begegnet? Und wenn man ihnen begegnet und weiss, wie man sie erkennt, bringt das ja meist wenig, weil man kaum Chancen hat, dieses Wissen künftig anzuwenden.

Aber warum bestand er so unbedingt darauf, uns seine "Farm" zu zeigen? Christian sagte, er sei unglaublich stolz auf sein Anwesen und wolle es uns deswegen zeigen. So seien die Locals. Dass es für uns aber auch eine Ehre sei, dorthin gehen zu dürfen, weil sich Locals Europäern sonst nicht so öffnen und schon gar nicht nach Hause einladen.
Wir waren noch mitten in der Diskussion, ob wir diese Chance ergreifen oder weglaufen sollten, da habe ich erst einmal eine SMS an eine Kollegin abgesetzt. Sein Kennzeichen und Namen durchgegeben und sie gebeten, ab 20 Uhr die Polizei zu verständigen, wenn ich mich bis dahin nicht mehr melde. Denn natürlich haben wir uns darauf eingelassen. Aber so bescheuert, wie damals in Australien bin ich nicht mehr. Gut gelernt.
Wir passierten also ein Tor, dass das Gebiet als Privatanwesen auswies und fuhren über dieses Riiiiiiiiisenanwesen auf einen Berg.
Oben angekommen, ging es ins riiiiiiiisigen Wohnzimmer, in dem ein Billardtisch stand, auf dem 10 Leute hätten schlafen können.
Dann wurden uns die Jagdtrophäen und die Frau gezeigt. Ist ja irgendwie auch eine.
Nett. Aishe.
Zur Genesung gab es dann homemade Honig. In Trinkflaschen. Roch aber köstlich.
Dann sollten wir auf der riiiiiiiiiisien Couch Platz nehmen, die locker für 15 gereicht hätte und es wurde Tee und Gebäck gereicht.
Ich habe fast aufgeatmet, bis Rodeina übersetzte, er wolle, dass nun EINE Person ihn zu der Obstplantage begleite... EINE?! Davon war ja nie die Rede. Erneute Panik.
Christian war aber auf einer Endorphinwelle und hat sich der Gefahr freiwillig gestellt. Er fand das toll und interessant. Er ist seit 3 Jahren in Dubai, aber man kommt halt nicht wirklich oft in Kontakt mit Locals.
Rodeina durfte dann auch noch mit. Sie sind mit so einem offenen Geländewagen weggefahren.
Wir durften im Wohnzimmer weiter Tee schlürfen. Ich wollte die Gunst der Stunde nutzen, um zur Toilette zu gehen.
Zugeschlossen und stellte fest: Waschbecken, eine eckige Vertiefung im Boden als Duschecke und eine ovale Vertiefung im Boden für... Urgh... schüttel.
Keine weitere Erläuterung. Jetzt weiß ich, wofür diese Duschschläuche neben den Toiletten da sind...
Und auf einmal ging alles ganz schnell: der Wagen kam zurück mit einer freudestrahlenden Rodeina, einem grinsenden Christian. Und einigen undefinierbaren grünen Früchten, die zwar nicht nach "Orange" aussahen, aber doch zumindest sehr nach "gesund" rochen.
Es gab noch einen kurzen Rundgang auf einen Aussichtspunkt, am überdachten Pool vorbei und dann waren wir schon auf dem Heimweg.
Und nicht nur, dass ich gerade meinen Fotoapparat zückte, um eine grüne "Orange" zu fotografieren,

sondern auch die einhellige Meinung sagt, dass das wirklich ein einmaliges Erlebnis war und sicherlich einen guten Sinn hatte, dass wir nie bei den Hatta Pools ankamen.
Davon abgesehen, glaube ich, dass Christian der Ziehsohn von Khalifa (so hieß der Gute) wird, denn selbst haben sie keine Kinder und wer soll das denn alles erben?
Schon interessant, wie spannend, aufregend und auch beängstigend es sein kann, wenn unterschiedlichste Kulturen aufeinander treffen.
Am Ende kann sich, glaube ich, jeder etwas von so viel Gastfreundschaft und Herzlichkeit abschneiden.
Und ich schäme mich auch ein wenig, dass ich so schlimme Gedanken hatte. Naja..., ich bin Thrillerjunkie.

Und die Moral von der Geschicht: ohne Risiko kein Abenteuer.

© Dienice Denise, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Wie packt man sein ganzes Leben in 30 kg? Ist es eine gute Idee, einen Neuanfang an einem Ort zu starten, den man gar nicht kennt? Was habe ich zu verlieren? Adios, muchachos.
Details:
Aufbruch: 02.09.2010
Dauer: 3 Jahre
Heimkehr: September 2013
Reiseziele: Vereinigte Arabische Emirate
Der Autor
 
Dienice Denise berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.