Die Slowakei bei Regen kennenlernen

Reisezeit: August / September 2010  |  von Manfred Sürig

.Augen zu und durch!

Mit der Bahn von Neumünster und von Bünde ging es zunächst über Kattowitz-Bielsko Biala bis nach Rajcza in den Beskiden im Süden Polens. Statt wie 2002 bei strahlender Morgensonne kommen wir dieses Mal abends an. Und es regnet in Strömen. Mit Mühe finden wir unser Quartier in Ujsoly und schlafen uns erst einmal aus.

Aber am nächsten Morgen fällt schon das Frühstück aus.
Es regnet so stark, dass der Bäcker seinen Laden gar nicht erst öffnet - die Kunden kommen sowieso nicht.
Für uns aber kein Anlass, nicht dennoch zu starten, schließlich haben wir eine Schlechtwetterausrüstung, die sich nun bewähren muss.

Ich ziehe mir die Strümpfe aus und radle mit nackten Füßen, um die Strümpfe trocken zu behalten, aber an den Händen wird's mir bald so kalt, dass ich die Handschuhe überziehe- Domi sieht es mit Neid - an Handschuhe hatte er gar nicht gedacht.
Zunächst verlangt uns die Steigung auf den Pass bis zur Grenze zur Slowakei einiges ab, so dass wir sogar in Schwitzen kommen. Oben angekommen, freuen wir uns auf das Herabrollen.

Aber das erfordert höchste Konzentration, denn die Sicht ist schlecht, kleine Bäche von Regenwasser fließen diagonal über die Straße, die zunächst erstklassig ist, dann aber in Schlaglöchern weiterführt, deren Tiefe man nicht sehen, sondern nur spüren kann, wenn man durchgefahren ist.
An der Einmündung in die Hauptstraße in Zakamenne sind wir frühstücksreif, will sagen, wir brauchen dringend ein paar warme Tassen Tee. Die bekommen wir auch, nur das Frühstück müssen wir uns erst besorgen, dazu müssten wir uns aber die Regensachen wieder überziehen, um gegenüber im Supermarkt einzukaufen. Da lassen wirs dann lieber bei einer weiteren Tasse Tee bis zum Aufbruch gegen 10.30 Uhr.

Eigentlich kommt jetzt der leichtere Teil der Tour, es geht an der Biela Orava stetig bergab, man braucht nur sanft mitzutreten.
Aber leider sind die überholenden Autos noch schneller und überschütten uns jedes Mal mit einer Bug- und einer Heckwelle. Am Oravastausee mündet eine weitere Hauptstraße ein und der Verkehr wird noch stressiger.
Aber da entdecken wir einen Radweg, der diesen Namen jedoch nicht verdient: Baumwurzeln haben ihn hochgedrückt und die regenschweren Äste hängen so tief, dass wir nicht immer darunter durchschlüpfen können.
Bei Domi machen sich erste Schwächeerscheinungen bemerkbar, er bleibt öfter zurück, an der Staumauer warte ich auf ihn und erzähle ihm, wie schön das hier bei Sonnenschein alles aussieht.
Jetzt hätten wir die Möglichkeit, auf einer Radroute am See entlang nach Trstena zu fahren, aber auf der Hauptstrasse nach Tvordosin sind es zwei km weniger bis zum nächsten Bahnhof.

Nur das zählt jetzt noch, also ab nach Tvordosin, im Bahnhof ist es wahrscheinlich trocken.

Es gibt ein paar trockene Stellen in der Bahnhofshalle, aber nach dem Kauf unserer Fahrkarten nach Strbske Pleso ist so viel Wasser aus unseren Klamotten gelaufen, dass andere Bahnkunden uns schon misstrauisch beäugen.
Im Zug bittet uns der Schaffner, unsere Klamotten über die Räder zu hängen und die Räder in der Gepäckecke abzustellen - zum weiteren Abtropfen.
Domi hängt sich die trockenen Zipfel seiner Decke um und erträgt die 2 Stunden Bahnfahrt bis Kra'lovani geduldig. Ich meine, mitleidige Blicke von den Mitreisenden wahrzunehmen, aber wenn man schon kein Gefühl in den Füßen mehr hat, fühlt man im Kopf vielleicht umso mehr....

In Kral'ovani müssen wir umsteigen. Wir nutzen die Zeit für einen Imbiss im Bahnhofsrestaurant, da brauchen wir nämlich nicht über die Straße durch den Regen.
Das Preisniveau, besonders das für Bier, gefällt uns außerordentlich, so dass wir uns jeder einen Liter Zlaty Basant gönnen.
Dann kommt der Anschlusszug, in dem Freund Tony aus München anreist, wir wuchten die Räder und das Gepäck in den Gepäckwagen und begrüßen uns im Abteil, das Tony schon wohlig vorgewärmt hat.

Sogar warme Füße habe ich, als wir nach einer weiteren Stunde in Strba aussteigen.

Trocken ist hier der Bahnsteig ! Wir können in aller Ruhe in die Zahnradbahn nach Strbske Pleso einsteigen, und ein paar Minuten später geht's steil bergauf in die Hohe Tatra. Doch schon unterwegs regnet es wieder und die Bahn fährt durch Wolken. Berge soll es hier geben ? Sehen kann man nichts davon.
Als wir in Tatranski Lieskovec aussteigen, schüttet es schon wieder. 80 Meter soll es bis zu einer Pension Ingrid sein. Aber rechts der Gleise oder links ?
Fragen können wir niemand, denn die wenigen Mitreisenden sind schon verschwunden.
Ich fahre blindlings den Weg, der besser ausgebaut ist und tatsächlich nach 80 Metern taucht ein gelbes Haus vor mir auf, das die Pension Ingrid sein muss!
Wir werden gastlich aufgenommen, unser Zimmer ist wie das gesamte Haus nagelneu und alles ist trocken und warm! Hier fühlen wir uns wohl und buchen gleich zwei Nächte.
Denn morgen wollen wir in der Hohen Tatra wandern und abends hierher zurückkommen.
Beim Auspacken unserer Sachen finden wir einen zweiten Grund, einen Tag hierzubleiben:
Erst einmal müssen wir alle unsere Sachen trocknen, Portmonnaie, Ausweise, Landkarten werden auf die Heizung gelegt, Unterwäsche ins Fensterkreuz gehängt, eine Hose in die Duschraumtür gehängt. All das verbreitet während unseres Gangs zum Abendessen einen eigentümlichen Schweissgeruch im Zimmer, den wir erst einmal auslüften müssen.

Wäscheleinen müsste man spannen können, aber dazu fehlen die Nägel an der Wand des Hotelzimmers........

Wäscheleinen müsste man spannen können, aber dazu fehlen die Nägel an der Wand des Hotelzimmers........

Aber wir schlafen bestens und was morgen sein wird, ist uns egal.

© Manfred Sürig, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zehn Jahre nach meiner ersten Radtour in die Slowakei wollte ich diese Tour möglichst exakt genauso noch einmal erleben. Dass sich das Land seitdem stark verändert hat, wusste ich, auch, dass mit deutlich mehr Verkehr zu rechnen sein würde, nur dass das Wetter auch mal nicht mitspielt, das hatte ich nicht einkalkuliert
Details:
Aufbruch: 30.08.2010
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 19.09.2010
Reiseziele: Polen
Slowakei
Ungarn
Der Autor
 
Manfred Sürig berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.