Die Slowakei bei Regen kennenlernen
donauaufwärts
Heute will ich es sachter angehen lassen. Das muss ich schon deswegen, weil meine Gangschaltung Ärger macht und ich hier keine Ersatzteile bekomme. So muss ich die 53 km bis Komarno im 4. oder im dritten Gang fahren.
Dabei macht mir das bisschen Gegenwind schwer zu schaffen und selbst kleine Hügel werden zur Strapaze.
Nur gut, dass ich nicht mehr im Gebirge bin - dennoch bin ich geschafft, als ich Komarno erreiche. Vielleicht habe ich gestern auch zu heiß und zu lange gebadet.
Komarno hat sich zu einer Touristenattraktion herausgemacht. Durch die Altstadt kann man auf Fußgängerstraßen flanieren, viele Cafes und Kneipen locken zur Einkehr. Die spektakuläre Einmündung des Vah in die Donau, von der aus man den schönsten Blick donauabwärts haben könnte, ist aber immer noch gesperrt - dort befindet sich ein Tanklager !
Auch heute sieht es nicht nach Regen aus. Ich starte schon früh von einer Donauinsel aus auf dem Donauradweg Richtung Bratislava, 100 Kilometer sind es bis dort, und ich habe noch 4 Tage Zeit.
Meistens führt der Weg auf dem Deich, der aber nicht immer dicht an der Donau entlang führt .
Abseits von jedem Verkehr ist dieser Trip reine Erholung, obwohl der Weg nicht durchgehend gepflastert ist und man stellenweise über Gras fahren muss. Aber es ist windstill und immer bieten sich neue Blicke in die grüne Flusslandschaft.
Zwei stillgelegte Donauschleifen bilden ein Sumpf- und Seengebiet, das hier zum Nationalpark erklärt wurde. Leider auch ein Dorado für Mücken.
Hier endet die naturbelassene Donau: Rechts beginnt die 10 km lange Zufahrt zur Schleuse und zum Wasserkraftwerk Gabcikovo, geradeaus blickt man auf ungarisches Gebiet, in dem die Donau sich in viele kleine Rinnsale verzweigt.
In Gabcikovo ist die Donau 12 Meter hoch aufgestaut, dadurch ist ein See entstanden, der fast bis Bratislava reicht.
Ursprünglich ein Gemeinschaftsvorhaben von damals zwei sozialistischen Staaten, der Tschechoslowakei und Ungarns. Mitten in der Planungsphase machte Ungarn nicht mehr mit, weil man angeblich auf der ungarischen Seite die schönen Donauauen nicht unter Wasser setzen wollte.
Plötzlich spielte Naturschutz auch eine Rolle. Das Ergebnis: Die Slowakei baute auf ihrem Staatsgebiet weiter, in Ungarn blieb der alte Zustand weitgehend erhalten.
Das Ergebnis kann man in Gabcicovo bewundern: Eine Schleuse mit 12 Meter Hub, ein 720 MW Stromkraftwerk und Deiche gewaltigen Ausmaßes, soweit das Auge reicht. Der aufgestaute Donauwasserspiegel liegt an der Staustufe 8 Meter höher als das Land auf beiden Seiten, die Deiche haben also auch bei Normalwasserstand zu verhindern, dass es Überschwemmungen dahinter gibt.
Dazu hat man im Abstand von 200 Metern Grundwassermeßstationen gebaut und einen Graben parallel zum Deich, der etwaiges Sickerwasser aufzunehmen hat. Das Bett der aufgestauten Donau ist mit Beton und Asphalt abgedichtet bis fast zur Deichkrone, um ein Durchfeuchten des Deiches und ein Abgleiten zu verhindern.
30 Kilometer lang führt der Deich parallel über dem alten Donaubett, das zugleich die Grenze zu Ungarn bildet.
Dazwischen und auch dahinter auf ungarischem Gebiet schlängeln sich unzählige Wasserläufe, alles tote oder bei Hochwasser noch durchflossene Arme der Donau, ein einzigartiges Biotop für Sumpftiere und -pflanzen.
Für die Menschen, die unterhalb der Abdämmung wohnen aber doch ein mulmiges Gefühl, ständig weit unter dem Donauspiegel leben zu müssen.
Meine Gastgeber boten mir deshalb eine vielleicht hochwassersichere Unterkunft an, wenigstens für die eine Nacht !
Meine Unterkunft in Vojka: Ein Dreibettzimmer mit Bad im Giebel eines Gartenhauses - für 9 Euro/Nacht
Heute hat die Donau ungefähr Normalwasserstand, und da steht das Wasser schon 1 m unter der Deichkrone.
Was passiert denn aber, wenn die Donau Hochwasser hat? Der Wasserstand auf dem Stausee darf keinesfalls höher werden. Dazu hat man regulierbare Überläufe gebaut, die ich weitere 18 km stromauf bei Cunovo bewundern kann.
Hier kann kontrolliert das überflüssige Wasser ins alte Donaubett abgelassen werden, und das kann leicht ein Mehrfaches der normalen Wasserführung der Donau sein.
Weil das dahinterliegende Sumpfgebiet nur wenig Gefälle hat, kann es ungeheure Wassermassen aufnehmen - wie es schon früher vor dem Bau der Stauanlagen der Fall war.
Wie man damit allerdings einen wirksameren Hochwasserschutz als vormals erzielt hat, ist mir nicht klargeworden.
Sollte der gesamte Stau dieser Art ein gewagter politischer Kompromiß sein ?
Dass auch Siedler in diesem Gebiet, die sich dort Wochendhäuser bauen, skeptisch sind, sehe ich daran, dass einige Häuser auf hohen Pfählen oder Warften errichtet werden, andere dagegen -das müssen die Optimisten sein - haben zu ebener Erde gebaut.
Cunovo wird von der Betreibergesellschaft ebenso wie die Schleuse und das Kraftwerk in Gabcicovo - 30 km stromab - in der Öffentlichkeit vorgestellt. In Cunovo gibt es sogar ein Kunstmuseum und ein großes künstlich angelegtes Wassersport- und Erholungsgebiet. Und eine Grundstücksgesellschaft vermarktet Feriengrundstücke - Wien, Bratislava sind nicht weit, auch an ungarische Investoren aus Budapest wendet man sich.
Platz gibt es hier genug, wäre da nicht die Grenze zu Ungarn, die unberührte und künstlich gemachte Natur trennt.
Und eine dritte Grenze ist nicht weit, die einmal Europa trennte. Die will ich auf direktem Wege überschreiten, leider wieder in strömendem Regen. Auch diese Grenze wird inzwischen vermarktet, wie man sieht:
Zum Dreiländereck Ungarn-Slowakei-Österreich soll dieser Weg führen, die Wegweiser sind leichter zu finden als der Weg selbst
Naturbelassen ist eine Umschreibung für eine totale Matschroute, auf der das Wasser von oben und von unten kommt!
Proper sieht's in Österreich aus. In einer überdachten Bushaltestelle kann ich wenigstens picknicken. Aber der Regen läßt nicht nach, irgendwann muß ich durch!
Der östlichste Zipfel des österreichischen Burgenlandes hat tadellose Straßen zu bieten und der Verkehr hält sich in Grenzen, weil inzwischen durchs Dreiländereck Autobahnen gebaut wurden.
In Kittsee fahre ich an einen Grenzstein, an dem ich als Student 1958 am Eisernen Vorhang gestanden hatte. Heute kann ich ungehindert geradeaus weiterfahren und komme nach Petrzalka, einem Plattenbaustadtteil von Bratislava.
Immer neben einer neu gebauten S-Bahnstrecke von Wien komme ich sogar in eine fahrradfreundliche Stadt, mit einem Fahrradfahrstuhl über die Stadtautobahn!
Nur an der neuen Donaubrücke hört die Fahrradfreundlichkeit auf, ich muß schieben, aber wenigstens im Schutz der darüberverlaufenden Fahrbahn. Und schon liegt rechts unter mir die Altstadt von Bratislava!
Aufbruch: | 30.08.2010 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 19.09.2010 |
Slowakei
Ungarn