Die Slowakei bei Regen kennenlernen
Slalom entlang der Grenze
Das Kurhaus von Ciz hat sich zu einem teuren Sanatorium entwickelt, für mich hat man nur noch ein Zimmer in einem entfernt stehenden Nebenhaus frei, zum stolzen Preis von 33 Euro. Aber inclusive unbegrenztem Badbesuch ! Also nichts wie hin! Doch zunächst muß ich wieder meine nassen Sachen zum Trocknen hängen. Fenstergriffe und Schrankschlüssel bieten Befestigungsmöglichkeiten für die Wäscheleine und den nötigen Durchzug im Zimmer stelle ich durch Offenlassen der Tür sicher.
Damit vertreibe ich zumindest zeitweise auch den penetranten Zigarettenrauchdunst und den Duft des Teppichreinigungsmittels in meiner Unterkunft.
Doch das größte Problem nach dem Umziehen: Wie bleibe ich auf dem Weg zurück zum Haupthaus und dem Bad trocken ? Es bleibt nur der Weg in Badehose und Handtuch quer durch den Kurpark.
Dann endlich tummele ich mich im Wasser. Aber das erste Becken hat nur schlappe 19 Grad, da hält man es nicht lange aus. Weiter oben dampft ein anderes Becken mit Whirlpool, dort kann ich anschließend wieder auftauen. Fast 4 Stunden wechsele ich im 20-Minutenrhythmus zwischen 19 und 34 Grad und fühle ich mich pudelwohl, zumal sogar der Regen aufhört. Als ich schon gegen 20 Uhr im Bett liege, durchdenke ich meine Strategie für die kommenden Tage:
1) verkehrsreiche Straßen meiden
2) Weiterfahren bei Regen unterlassen
3) in der Nähe einer Bahnstrecke bleiben, um notfalls auf die Bahn umsteigen zu können
4) Nach dem nächsten Ort mit warmer Quelle Ausschau halten
Der nächste Tag ist Sonntag, da ist ohnehin kein Lastwagenverkehr.
Der Nieselregen geht in Nebel über, der sich gegen 10 Uhr auflöst und den Blick auf die Bahnstrecke freigibt. Bei Sonnenschein !
Da macht es sogar Spaß, mir an Hand meiner Fahrradkarte einen Tourenplan für heute zu machen. Schnell kommen da 100 km zusammen und die schönsten Wege führen weg von der Bahnstrecke in die Nähe der ungarisch-slowakischen Grenze.
Ich werde so mutig, den Plan umzusetzen und trete kräftig in die Pedalen, Radeln macht wieder Spaß!
Und es gibt endlich auch eine vorzeigbare Fotoausbeute!
Eigentlich eine Landschaft ohne herausragende Höhepunkte, aber allein der Anblick grüner Auen und Wälder animiert zum Weiterfahren. Es geht nördlich der Grenze zu Ungarn über Bauernland nach Fil'akovo und weiter Richtung Lucenec. Touristisch überhaupt noch nicht erschlossen, aber die vom slowakischen Fahrradclub empfohlene Route ist ein Geheimtipp.
Doch dessen Empfehlungen reichen nicht über die Grenze hinaus. Ich möchte aber den Weg abkürzen und nicht erst bis Lucenec fahren.
Dabei komme ich bei Kalonda erneut über die Grenze nach Ungarn und bin von nun an auf das Tal des Grenzflussses Iper festgelegt. Der führt Hochwasser und hat weite Landstriche in Seen umgewandelt. Grenzübergänge zur Slowakei gibt es hier auf 60 km Länge nicht. Obwohl es keine Grenzkontrollen mehr gibt, dieses Flüsschen trennt heute noch die beiden Staaten, irgendwann einmal wird hier mit Geldern der EU eine Brücke gebaut werden, das Schild steht schon da.... Aber das Flußtal ist auch eine unberührte Landschaft, wie wir sie bei uns nicht mehr kennen.
Hier auf den Dörfern ein Nachtquartier zu finden, ist unmöglich, so muss ich bin in die nächste Stadt Szecseny weiterfahren, ein alter ungarischer Adelssitz mit einem großen Kloster. Heute bleibt mir sogar Zeit für eine Stadtbesichtigung, weil ich keine nassen Sachen zum Trocknen hängen muss.
Kirche und Kirchturm stehen in Ungarn oft weit auseinander, zu diesem Kirchturm fand ich überhaupt keine Kirche !
Auf ungarischer Seite, aber dicht südlich der Grenze, geht es am nächsten Tag weiter, nach 20 km komme ich in der Stadt Balassagyarmat über den Iper nach Slovenske Darmoty, von dort weiter talabwärts nach Westen auf dem slowakischen Ufer bis nach Sahy.
Hier führt die Europastraße 77 nach Budapest. Mitten durch den Ort donnern Lastzüge - gut, dass ich der Iper weiter folgen will. Da der kürzeste Weg zu meinem heutigen Tagesziel Sturovo an der Donau über Ungarn führt, suche ich mir einen Pfad auf ungarischer Seite.
Dabei erwische ich scheinbar wieder einen früheren Weg der Grenzpatroullien zur Zeit des Eisernen Vorhangs: Gut ausgebaut für eine Autobreite, aber seit 20 Jahren nicht mehr gepflegt. Der Pfad wird nur von Anliegern genutzt, die ihn offenbar genau kennen und dort mit ihren Geländewagen durchpreschen.
Wie reagieren die hier wohl auf Gegenverkehr ? Ich bekomme keine Gelegenheit, so ein Ausweichmanöver zu beobachten, komme selbst aber auch ungeschoren davon, bis ich die Straße erreiche. Und die ist mit Schildern des ungarischen Fahrradclubs gekennzeichnet, sie soll an die Donau nach Szob führen.
In Letkes ist die nächste Gelegenheit, wieder in die Slowakei nach Selka zu wechseln, um von dort die letzten 10 km bis Sturovo zu schaffen.
Doch dieser Endspurt wird noch eine Herausforderung, denn ich muss aus dem Tal der Iper ins Tal des Hron wechseln. Dazwischen liegen leider ein paar hohe Hügel.
Ziemlich verschwitzt erreiche ich nach erneut 115 Kilometern Sturovo und steuere sofort auf das große Freibad zu, in das man die letzte Stunde vor Geschäftsschluss für einen Euro hineinkommt.
Verschwenderisch wird hier mit dem Wasser der heißen Quelle umgegangen, 6 Becken stehen zur Auswahl, aber in allen ist das Wasser 33 Grad warm. Zunächst zwar ein Genuß, aber wenn man wieder herauskommt, fröstelt es einen.
Da muss zum Abendessen statt Bier ein warmer Tee herhalten.
Aufbruch: | 30.08.2010 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 19.09.2010 |
Slowakei
Ungarn