"Shanghai'd in Shanghai" oder "In China wasch´ ich Waschmaschinen"
22.01.2012 High in Shanghai
The colors of the rainbow so pretty in the sky. Are also on the faces of people passing by. I see friends shaking hands. Saying how do you do---Trallalaaaa
"Guten Morgen! Ich habe mir erlaubt, Backwaren zum Frühstück zu holen"
Es ist Dienstagabend, ich hänge in der Minibadewanne ab (total verknotet, die Hütte gehört garantiert einem Liliput der sie momentan noch vermietet um dann später im Alter, wenn er genug Geld im Freizeitpark Yunnan bei den täglichen Aufführungen im "Königreich der Zwerge" verdient hat, seine Restzeit in Shanghai zu verbringen) und taue langsam wieder auf. Es ist bitterkalt draußen, wir drei (Rob, Mario, Fanny) waren den ganzen Tag auf Tour und nun macht jeder was er will. Mir ist das Bad für die nächsten zwei Stunden. Basta Jungs, ihr wisst wo alles steht.
Das Lavender-Räucherstäbchen räuchert und stellt Yin und Yang ins Gleichgewicht damit das Qi die Körpermeridiane vernünftig durchfließen kann, ich fühle mich, als wenn ich mit nem Pony durch Ulan Bator reiten würde...im Hintergrund läuft ne CD mit MaTouQin-Mucke (MaTouQin auch Morin Khur genannt ist DAS Streichinstrument der Mongolen...ne Violine die so wunderschöne Töne erzeugt, das man sterben möchte wohoo), zur Hand ´nen Tsingtao-Bier und ein Buch. Miller´s "Wendekreis des Krebses". Neues, altes Ding aus´m Second-Hand. Will grad starten, klappe den Schinken auf und heraus fällt ein schon gelblicher Zettel mit dem schönen Satz von einem "Lomix" der sich wer weiß wann morgens ausm Bett gequält hat, um seiner Angebeteten was zu Essen zu holen. So stell ich´s mir zumindest grad romantisch vor, könnte natürlich auch ein belesener Straßenbauarbeiterassi sein, der sich bis zum Antritt seiner Ballettausbildung Geld verdienen muß und seinen muskelbepackten Kollegen einmal etwas Anderes als Mettwurststullen und nen Konti Paderborner zum Frühstück servieren möchte. Den Zettel hat er möglicherweise in die Gemeinschaftskasse gelegt um seine Kumpels zu informieren, dass er Kohle entnommen hat. Ich werde es wohl nie erfahren, es sei denn ich bimmel ´mal die Nummer an, die auf der Rückseite steht...
Lieber Gott Looomiiix. Was hast du nur getan? BACKWAREN. Zum Frühstück. Das wäre das Größte. BACKWAREN BACKWAREN BACKWAREN...Fange an zu singen und sinnieren und nuschele es als Mantra: Backwaaannn Backwaaannn Baaaaaaacckkkkk..
Wenn ich lange genug murmele werde ich vielleicht ein gedankenloses, hohles Gefäß werden und dann wird mir Glückseligkeit zuteil. Sagt Herr Bhagwan himself zumindest und ich frage mich, ob er Bernd das Brot erfunden hat und von ihm der Spruch "Das Glück ist mit den Dummen" kommt. Will ich alles nicht sein. Weder Vase noch Gehirn-amputiert. Ich will einfach nur mal wieder ne richtige Schrippe und ein schwarzes Brot essen. Mit katschigem Teig aus dem man Kugeln kneten kann. Und ne Laugenbrezel. Und ein Hörnchen mit Butter vielleicht drauf. Und nen Berliner, Amerikaner und..."Fanny zuviel Bier oder Wasser zu heiß???" höre ich aus der Ferne. "Nööö nööö alles gut. Weitermachen".
Uff. Lasse mich weiter von Lomix´s Gekritzel ablenken. Ist voll krass. Hab vor kurzem gelesen, dass in der Nähe von Shanghai Semmeln vorgebacken, tiefgefroren und dann nach Deutschland geschickt und zu Schnäppchenpreisen verscheuert werden. Die einheimischen Bäckersmänner kotzen natürlich ab, weil sie für 2 Cent nicht mal an das Mehl kommen würden und müssen hinnehmen, dass die Schweineöhrchen aus dem Sinoland ihnen Konkurrenz machen. Über die Qualität wollen wir nicht urteilen, doof sind se jedenfalls nicht immer unsere gelben B-l-ödchen auch wenn sie noch lernen müssen, dass auf Torten keine Petersilie kommt.
Mein Fuß drückt den Hahn nach oben, heißes Wasser läuft nach. Durchlebe bereits die Metamorphose zur schrumpeligen Kaulquappe und an beiden Händen sieht es so aus, als wenn sich Flossen bilden, will aber noch liegen bleiben und meinen Gedanken nachhängen. Kaulquappen also. Die kehren immer wieder an ihren Geburtsort zurück, wenn sie mal erwachsen sind....Das weiß ich schon, seitdem ich als kleines Mädchen in Marzahn die Dinger immer am Springpfuhl eingesammelt und mit heimgeschleppt habe. Mutti hat geschimpft weil bereits Schnecken und Mariechenkäfer in Gläsern sowie ne Schlangenhaut, die wir kids aufm Müll gefunden haben, in meinem Zimmer lagerten. Hm. Was ich nicht so ganz genau wusste war, das ich dreißig Jahre später inner chinesischen Badewanne liege und daran denke, dass es nun bald "Zelte abrechen" heißt, die Rückreise in die Heimat ansteht und ich mich wie ein nachembryonales Entwicklungsstadium eines Froschlurches fühle, das irgendwie aus der Reihe tanzt. Bin sentimental und hoffe, der Nabu hat Fangnetze für die Krötenwanderung vorbereitet.
Brauche noch mehr Wasser. Und ´n zweites Bier "Maaarriooo kannste bitte...?"
"Im Sturz durch Raum und Zeit."
Denke weiter herum. An den letzten paar Tagen und überhaupt an allem, was so in den vergangenen 6 Monaten abging und rase gedanklich durch das Präteritum. Das Leben ist zart wie Pudelfleisch...singt Jan Delay und ich muß lachen. Er meint sicher Putenfleisch aber zart isses es. In jedem Fall, da muss ich ihm Recht geben. Und sehr kurz. "Kurzgebratenes" quasi das genossen werden muss.
"Longhua Temple" - Tempel der Drachenblume. Da waren wir heute. Im südlichen Shanghai (Metro Longcao-Lu), der schönste und größte buddhistische Tempel der Stadt. Friedlich. Viele Tibeter verkaufen vor dem Eingang ihre Waren. Freundliche, bunte Menschen - zutiefst gläubig und Ruhe verströmend. Jeder soll doch so machen, wie er glücklich ist...Zieht mich an, wie ein Magnet diese Einstellung. Ohhmmmm.
Die Riesenkupferglocke im Turm wird am 31.12. - unserem Jahreswechseltag - 108-mal geläutet, um alle Sorgen der Menschheit zu vertreiben. Das ist so schön. Hat nur nicht lange vorgehalten, meine chinesischen Mitmenschen haben schon wieder nen neues Problem. Das liebe Geld. Sie haben noch nicht kapiert, dass es Wichtigeres gibt und wollen immer mehr davon. Dafür gehen sie am Donnerstag auf die Strasse und böllern ein zweites Mal die Stadt in ein rotes Hülsenmeer. Der Gott des Wohlstandes möchte sie bitte erhören. Wir feiern schon wieder "Sylvester" - hier das chinesische Neujahr, das ganze Land flippt seit Samstagnacht komplett eine Woche lang aus, jeden Tag gegen vier Uhr morgens sind nach kurzer Pause bereits wieder Knallraketen zu hören, an Ausschlafen ist nicht zu denken. Anstrengend aber cool - Wer kann das schon einmal erleben? Bin dankbar- Und habe Mario unter der Bedingung, dass alle Arme und Beine dran bleiben erlaubt, mitzuspielen. Tssst.
"Nochn Bia biddeeee".
Das Bier wird geliefert, Mann tastet sich durch den Nebel und entschwindet wieder. Und Frau geht durch die Pforten der Wahrnehmung, die jetzt ganz besonders weit offen stehen - Tsingtao machts möglich. Die mongolischen Pferde galoppieren immer schneller und die Gedanken kreisen weiter um das vergangene halbe Jahr.
Man, fast sechs Monate Chinaexperiment gehen mit großen Schritten dem Ende entgegen und das, wo ich Enden doch gar nicht leiden kann. Aber gibt es so was wie ein Ende überhaupt oder ist es eher eine lange Pause von Allem? Wie war es vorher und was wird kommen? Fragen über Fragen. Freude und Bammel. Aber auch Antworten und Erkenntnisse.
"Leben ist Bewegung und Bewegung ist Wandel. Hast du deinen Traum berührt? Hast du alles gegeben? Hast du dich gespürt? Warst du wirklich am Leben?"
Die Antwort ist JA. Ich bin immer meinen Instinkten gefolgt, habe alles was ging mitgenommen und einfach gemacht, alles bewundert und gefühlt. Viel Leid gesehen aber noch viel mehr Glück. Verschiedenste Menschen getroffen, fremde Kulturen und Lebensmodelle bestaunt, Freundschaften geschlossen, exotisches Essen getestet, hingefallen, aufgestanden, andere Musik gehört, neues Land betreten, Freunde und Familie um mich gehabt, geweint, gelacht, gelebt, geliebt, vermisst.
China mit seinen Menschen ist ein merkwürdiges und großes Land aus dem ich nicht recht schlau werde trotzdem hat es (besonders Shanghai) mich eine Menge gelehrt und um Vieles bereichert. I love!
Ich wurde gezwungen, relaxter zu sein und die Dinge einfach ´mal hinzunehmen wie sie sind. Ich durfte abschalten, alleine sein wenn ich wollte und Tagträumen hinterher laufen.
Ich konnte abtauchen und ein anderes Leben führen, schlafen, morgens im Bett lesen oder nachmittags in einem der unzähligen Kaffees, spinnen, hopsen, Kind und Erwachsene sein, die Sprache lernen - alles machen, wozu ich gerade Lust hatte. Kein Telefon, keine Türklingel, keine Termine, keine Pflichten. War anfangs hart und ungewohnt, kapierte ich aber schnell. Habe erkannt, wer Freund und wer Feind ist, was ich will und was nicht, hatte die Möglichkeit in verschiedenste Rollen zu schlüpfen und konnte erfahren, worauf es wirklich ankommt. Ich bin frei.
Nun will ich DANKE sagen. Ganz an erster Stelle Dir Mario.
Weißte noch, was Du zu mir gesagt hast, als wir geheiratet haben? Du hast versprochen, dass Du mich bis zum Schluss glücklich machen willst. Das ich die Prinzessin bin. Und weißte noch was? Du tust es. Ohne Dich gäbe es Vieles nicht. Du "hältst mich aus" und Du rockst mit mir die Welt weil Du weißt, dass es das ist, was ich so unbedingt will. Ich muss immer lachen, wenn Du sagst, dass ich hoffentlich im Alter ruhiger werde. Das werde ich bestimmt nie aber eines ist sicher - Ich liebe Dich. Für immer.
Weiterhin möchte ich mich bedanken bei meinen Chef´s, die mich ziehen lassen haben und mir meinen Arbeitsplatz (hoffentlich mit der geliebten hässlichen Stachelblume) für ein halbes Jahr frei hielten. Es ist großartig und ich weiß es so sehr zu schätzen. Vielen, vielen Dank auch an alle Kollegen, die meinen Job übernommen haben, ich verspreche, die ersten Kaffee gehen auf mich und ich werde sie persönlich servieren. Meinem Tagmann ein Dankeschön für die Versorgung mit diversen FAZ-Artikeln damit ich nicht doof sterbe - den Kaffe kriegste ja eh und bald auch wieder den Freitagskuchen.
Danke auch an unsere Familien, Nachbarn und alle lieben Freunde. Fürs Besuchen, Haus und Hasen hüten, Email-Schreiben, an uns denken und irgendwie immer da-sein. Für Salami und Schokoladecarepakete, Botengänge etc. auch noch. Ich freu mich auf Euch wie irre. Mama machste mir Bratkartoffeln mit Sülze und Remo?
Ach so warte. Hallo Jimmi wenn de mich vielleicht hörst...Dir auch n Danke...weißt schon wofür so kicher
Abspann
PS: Herrjeee nach mittlerweile 6 Bieren lese ich den Text grad durch und mach jetzt Schluss mit der Laudatio. Fehlt ja nur noch, dass ich anfange zu heulen und beim Abgang auf mein Kleid trete, dass dann reißt und ich nur noch mit ner Unterbuxe auffer Bühne stehe. Es läuft grad "People of Mongolia Grassland" - Meene Jüte schnulziger jehts ja jar nich wa???
Na los, einer noch:
Das Leben ist eine Theaterbühne und jeder spielt seinen Part auf ihr.
Meinen kannte ich schon vorher, China hat ihn mir nur noch einmal bestätigt und um nichts in der Welt würde ich ihn gegen irgendwas eintauschen.
Schluss jetzt. Wiedersehen.
Man Mist, wollte noch was sagen wusste aber nicht, wie ich das hier unterbringen soll. Zum Thema Anagramme.
Ein Anagram ist ein Wort, das sich ergibt, wenn man bei einem anderen Wort Buchstaben oder Silben umstellt. Sowas wie bei "doof" und "food" zum Beispiel. Und jetzt kommts. "The pail-of-rice bunch" ist ein mögliches Anagramm zu "The Republic of China" oder "Oh, my! Tibet's got a chance!" könnte umgebaut werden zu "Boycott the China Games"
Ist das nicht verrückt??
Ja ich weiß, muss nach Hause, Sino macht komisch.
Kann mir mal jemand ausser Wanne helfen, bitte?
Just fly me to Shanghai until we feel so high
So happy together - I'ts now or never
Just fly me to Shanghai - The Limit is the Sky
So let's fly forever...
Hi, ich bin Fanny und immer noch süchtig. Und das ist richtig gut so.
Little Wing
Well she's walking through the clouds
With a circus mind that's running round
Butterflies and zebras
And moonbeams and fairy tales
That's all she ever thinks about
Riding with the wind.
When I'm sad, she comes to me
With a thousand smiles, she gives to me free
It's alright she says it's alright
Take anything you want from me,
Anything.
Fly on little wing.
Aufbruch: | September 2011 |
Dauer: | 6 Monate |
Heimkehr: | März 2012 |