Unterwegs in der Bergwelt Norgriechenlands und Südalbaniens

Reisezeit: Juli / August 2011  |  von Angelika Gutsche

Das Dorf Polidroso und seine Bewohner

Nachdem wir den ersten großen Pass überwunden haben, machen wir Rast bei einem Kirchlein, vor dem sich unter einer schattigen Platane ein Brunnen mit einer aus Baumstämmen gezimmerten Sitzgruppe befindet. Wir finden auf der Bank einen kleinen Plastikelefanten und beschließen, ihn als Glücksbringer zu adoptieren. Warum nicht gleich hier die Nacht verbringen?

Gegen Abend machen wir einen Spaziergang hinunter ins Dorf Polidroso. Zwei junge Mädchen und deren kleiner Bruder sprechen uns auf Englisch an. Die Unterhaltung mit Fremden macht ihnen sichtlich Freude. Der Pope des Ortes ist ihr Vater und so werden wir gleich zu einer Kirchenbesichtigung eingeladen. Im Kircheninnern finden sich schöne Ikonostasen und Wandmalereien. Das Bild des heiligen Haralabos weist eine Besonderheit auf: Betrachtet man es von vorne, zeigt sich das Gesicht eines alten Mannes mit Bart, doch von der Seite sieht man ein kleines, weißes Gesicht, das an eine Totenmaske erinnert. Wir sind beeindruckt und spenden eine Kerze.

Nun machen uns die Mädchen auch das Dorfmuseum zugänglich. Es finden sich alte Kirchenschätze, Trachten, Küchengeräte, Werkzeuge. Besonders eindrucksvoll ist eine Abteilung im ersten Stock, die ausschließlich den Emigranten des Dorfes gewidmet ist, die schon Anfang des 20. Jahrhunderts bis nach Kairo auswanderten.

Beim Besuch des kleinen Dorf-Kafenions wird uns klar, dass Emigration auch heute noch das bestimmende Thema des Dorfes ist. Während die Wirtin uns ein Kotelett brät, füllt sich das Kafenion mit immer mehr Gästen. Jeder Neuankömmling grüßt uns. Die Alten schauen fern, die jüngeren spielen Karten und die Frauen sitzen auf Stühlen vor dem Kafenion und unterhalten sich lebhaft. Ein 80-jähriger kommt an unseren Tisch und erzählt, er habe dreißig Jahre in Deutschland bei Miele gearbeitet. An der Presse. Im Akkord. Ein klein wenig Bitterkeit schwingt in seinen Erinnerungen mit. Heute zwingt ihn seine Parkinsonerkrankung, die Bierflasche vorsichtig mit beiden Händen zum Mund zu führen.

Ein weiterer, etwas untersetzter Mann mittleren Alters gesellt sich zu uns. Er komme gerade aus Johannisburg, wo er im Baugewerbe tätig sei, lässt er uns wissen. Jedes Jahr um diese Zeit sei er hier, wie so viele Emigranten des Dorfes. Aus der ganzen Welt kämen sie, bis aus Australien. Denn in zwei Wochen werde der Dorfheilige gefeiert und diesen Festtag wollen sie gemeinsam mit ihren hier zurückgebliebenen Familien begehen. So sind wir in diesem kleinen griechischen Bergdorf, in diesem einfachen Kafenion, plötzlich mittendrin in einem internationalen Dorftreffen, das sich nach Wärme, Vertrautheit und Heimat anfühlt. Neben Stolz tragen diese weitgereisten Griechen auch Schwermut im Herzen.

Morgens bei der Weiterfahrt Richtung Zitza erinnern die Kriegerdenkmäler daran, wie schwer dieser Pass, auf dessen Sattel wir die Nacht verbrachten, im Zweiten Weltkrieg umkämpft war und wie viele Griechen hier den Tod durch die deutsche Wehrmacht fanden.

© Angelika Gutsche, 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Diese Reise führt in das in Nordgriechenland und Südalbanien gelegene Pindos-Gebirge. Daneben besuchen wir die Stadt Ioannina, die Meteora-Klöster und antike Ausgrabungsstätten wie Dodona in Griechenland und Amantia in Albanien.
Details:
Aufbruch: 20.07.2011
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 09.08.2011
Reiseziele: Griechenland
Albanien
Der Autor
 
Angelika Gutsche berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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