Andalusien - Mai 2012
Dann noch was mit Tieren…
Andalusien - Reisetipp #10:
"...nicht immer endet ein Spiel im Glück."
(nicht von mir sondern eine Weisheit des großartigen Sängers und Philosophen Roberto Blanco)
Da wir nun endlich in Sevilla waren hatten wir an unserem ersten Tag nichts Eiligeres zu tun als ... nach Jerez de la Frontera zu fahren!
Warum?
Weil der letzte Tag der Feria ist, es soll eine der schönsten in Andalusien sein.
So war zumindest unser Vorhaben - wenn nicht meine beiden Begleiterinnen andere Pläne gehabt hätten...
Eine halbe Stunde für einen kurzen Einkaufsbummel in unserer Gasse lässt man sie alleine - Nein, es muss gleich halb Sevilla ausgekundschaftet werden - geht sich alles locker aus.
Kathedrale, Giralda und Christoph Kolumbus Grab? In einer halben Stunde kein Problem! Und das alles ohne zu wissen wo man zu Hause ist...
Na ja, im Barrio Santa Cruz sind in jüngerer Zeit nur wenige Menschen verloren gegangen und deshalb sind die beiden tüchtigen Entdecker irgendwann wieder aufgetaucht. (Dafür habe ich ihnen das Frühstück gestrichen!)
Es sind an die 100km zu fahren nach Jerez, mittags waren wir dort. Viel war zu dieser Zeit noch nicht los.
Das änderte sich aber ab 13:00 als die "Manege" freigegeben wurde. Großteils waren es prächtige Kutschen, die auf der Suche nach Passagieren auf den Sandwegen der Fería ihre Runden drehten.
Ach so, ich muss ja noch übersetzen: Feria de Caballo heißt soviel wie Fest der Pferde. In der Gegend um Jerez dreht sich alles um Stiere, Sherry und Pferde und deshalb ist das eine ganz große Sache hier.
Auf einem riesigen Festgelände stehen aufgereiht mehr als 200 Casetas, kleine Beisln (der Deutsche würde wahrscheinlich Kneipe sagen).
Das eigentliche Highlight aber sind die Andalusier selbst, die sich hier präsentieren.
Es wird stolziert und paradiert was das Zeug hält.
Nicht umsonst heißt es dass sich die Einwohner von Jerez sogar zum Brotholen in Schale schmeissen...
Also, hier ein paar Eindrücke von der Fería:
Auf unserer Heimfahrt wird dann noch ganz flink in Sevilla unser Urlaubs-Temperaturrekord gebrochen:
Wieder ist an der Ampel genau beim Fotografieren die Temperatur um ein Grad umgesprungen... 45°C um 16:50 in Sevilla!
Jetzt aber zu etwas komplett anderem.
Andalusien, das ist nicht nur Sonne, weiße Dörfer, Sherry und Pferde. Auch die Stiere und damit der traditionelle Stierkampf gehört hierher wie der Eiffelturm zu Paris.
Die Stierkampfarena von Sevilla, die Real Maestranza, ist für den Stierkampf so etwas wie Nou Camp oder Old Trafford für den Fußball.
Es ist gerade Saison, es ist gerade Sonntag und deshalb findet um 19:00 ein Stierkampf statt. Für uns eine gute Gelegenheit uns eine derartige Veranstaltung anzusehen.
Draußen stehen eine handvoll Demonstranten gegen den Stierkampf. Hier in Andalusien sind sie wohl - zumindest derzeit - auf verlorenem Posten.
Im großartigen Stadion ist die Stimmung von Anfang an sehr spanisch, andalusisch. Die Arena ist recht gut gefüllt, obwohl heute Novilladas (Neulinge) zu Werke gehen, auch die Machos nehmen ihre Plätze ein ehe es losgeht und nachdem sie sich die fettesten Zigarren angezündet haben.
(Folgende Bilder sind für die empfindsameren Gemüter unter euch eher weniger geeignet. Vielleicht gleich zum nächsten Kapitel weiterblättern?)
Dann erfolgt bei Musik der Einmarsch der Gladiatoren, der Protagonisten des Abends. Alles und jedes hat seine strengen Regeln. Wer wo geht, ob vorne oder hinten, ob links oder rechts.
Im Fokus stehen selbstverständlich die 3 Matadores, jeder von ihnen muss 2 Stiere zur Strecke bringen. Da kann es doch nicht schaden vor dem Kampf noch um Hilfe von oben zu bitten!
Dann werden die Tore geöffnet, der Stier stürmt ins weite Rund des Stadions. Solange das Tier noch bei Kräften ist erscheint es ratsam eine Bande in der Nähe zu haben hinter der man sich verstecken kann...
Im ersten Abschnitt des Kampfes versucht der Matador den Stier kennenzulernen um seine Eigenheiten einschätzen zu können. Dass dabei der erste Torero gleich in hohem Bogen durch die Luft geschleudert wurde hatte er sich wohl selbst zuzuschreiben...
Dabei können auch Mensch und Material leiden, das kann passieren!
Spätestens jetzt aber ist es vorbei mit dem schönen Leben, das der Stier auf den weiten Feldern Andalusiens bis dahin hatte.
Denn jetzt folgt der Auftritt der Picadores auf ihren schwer gepanzerten Pferden.
Ihre Aufgabe ist es den Stier mit ihren schweren Lanzen im Nackenmuskelbereich zu traktieren um so seine Kampffähigkeit zu reduzieren.
Um dem Matador zu helfen kann er seinen Job auch mal übertreiben. Übereifrige Picadores sind beim Publikum gar nicht gern gesehen!
Danach folgt der Auftritt der Banderilleros, die ihre kurzen, geschmückten Stechlanzen, die Banderillos, im Vorbeilaufen im Nacken des Stieres verankern müssen.
Gelingt dies nicht, so sinkt auch jener Banderillero in der Gunst des Publikums.
Nun ist die Zeit reif für den letzten Akt: Die Tötung des Stieres durch den Matador!
Zuerst wird der Stier noch durch einige Aktionen endgültig ans Ende seiner Kraft gebracht.
Bis der Torero zum finalen Akt, zum Todesstoß ansetzt
(O-Ton Christa: Bis er ihn "schwertet").
Dabei sollte das Schwert mit voller Kraft bis zum Heft hinter den Nacken in den Körper des Tieres gestossen werden. Durch den Stich in die Aorta stirbt der Stier sofort.
Dies gelingt mal besser...
...und (zum Leidwesen des Stieres) mal weniger gut.
Der "Weisse", die Lusche des Abends!
Jener Matador, der den Stier gut trifft, damit rasch tötet und auch vorher eine mutige Darbietung gezeigt hat, der ist sich der Gunst des Publikums sicher. Eine besondere Leistung wird mit stehenden Ovationen, lauten "Olé"-Rufen und wehenden Taschentüchern gefeiert.
Der siegreiche Matador lässt sich feiern.
Als besonderen Preis für seinen Heldenmut bekommt der Torero manchmal noch ein Ohr des getöteten Stieres sowie Blumen aus dem Publikum für für seinen Heldenmut!
Ungefähr so läuft (aus meiner naiven Sicht) ein Stierkampf ab. Es gibt aber noch eine Menge anderer Regeln und Rituale. Zum Beispiel lief mitten unter einem der 6 Kämpfe eine Ochsenherde ins Stadion. Gemeinsam mit den Ochsen hat der zuvor bekämpfte Stier dann das Stadion verlassen. Warum blieb mir verborgen, trotzdem war der Stier scheinbar der Glückspilz des Abends!
Oder der Matador, der zuvor so frenetisch gefeiert wurde und dem diese Ovationen scheinbar zu Kopf gestiegen sind.
Hat er sich doch vor dem Einlauf seines 2. Stieres unmittelbar vor dem Tor hingekniet um sein neues Opfer willkommen zu heißen!
Selten traf das Sprichwort "Wenn dem Esel zu wohl ist, dann geht er aufs Eis tanzen." besser zu!
Alles in allem ein schaurig-blutiges Spektakel, das beinahe 3 Stunden gedauert hat.
An alle jene, die ich oben gewarnt habe und die es sich trotzdem angesehen haben: Das habt ihr nun davon!
Und an alle die laut aufschreien und rufen "Wie können sie nur sich sowas anzusehen, die armen Stiere!"
Hier könnt ihr euch beschweren: SALZAMT
"Es gibt Dinge, die man nicht sagen kann,
weil es keine Worte gibt, um sie zu sagen."
Federico Garcia Lorca, (1898 - 1936), andalusischer Schriftsteller
Aufbruch: | 05.05.2012 |
Dauer: | 14 Tage |
Heimkehr: | 18.05.2012 |