middle east - Jordanien und Israel (hm, nicht wirklich)
Petra
Gestern abend irgendwann rief Guide Zaid mich noch an, um die Abholzeit mit mir zu vereinbaren. Er empfahl, so richtig früh aufzubrechen, denn er wusste, dass irgendwann im Laufe des heutigen Tages die volle Ladung Touris von einem Kreuzfahrtschiff, das in Aqaba ankerte, über Petra herfallen würde. Ausserdem sei es frühmorgens in Petra sowieso am schönsten. Das Licht, die Leere usw. Ich habe kein Problem damit, früh aufzustehen, also sagten wir 6.20 Uhr, damit ich ab 6.00 Uhr noch im Hotel frühstücken konnte.
Zaid war superpünktlich da, ich auch. Als Petra-Tourguide scheint man nicht schlecht zu verdienen, denn ich wurde in einer relativ neuen Mercedes E-Klasse durchs menschenleere Wadi Musa gefahren und stieg vor dem Besucherzentrum aus. Es war noch vor 7.00 Uhr morgens und ich konnte die paar anderen Touris am Ticketschalter an einer Hand abzählen. Das Ticket war in meiner Tour inkludiert, daher weiss ich nicht genau, was es kostet. So um die 55 EUR, glaube ich. Aber das ist es sowas von wert ! Im Ticketpreis inbegriffen ist, dass man sich ab Eingang per Pferd die ca. 800 m zum Siq, bewegen darf. Machte ich nicht, ich wollte laufen, denn bereits auf den ersten 800 m gibt es schon was zu gucken und fotografieren. (Übrigens hat man auch noch auf dem Weg hinaus, die Gelegenheit, die Pferdenummer durchzuziehen, allerdings kostet das dann ein paar Dinar, 5 oder so... und es ist weitaus empfehlenswerter, das beim Verlassen von Petra zu machen, weil dann geht´s bergan und man hat zu diesem Zeitpunkt bereits etliche Kilometer in den Beinen, nur so als Tip am Rande...)
Während wir uns jetzt auf den Weg machen und die ersten irren Bauwerke Petras betrachten, erzähle ich jetzt an dieser Stelle noch schnell die Geschichte zu dieser Kiste mit der Wahl der 7 modernen Weltwunder, ist nämlich sehr umstritten: Ein Schweizer hat´s erfunden ! 3 Schritte: Zunächst wurden von Internetnutzern aus einer Vorauswahl aus ca. 200 Kandidaten die 77 meist-geklickten in Runde 2 gewählt. Eine Fach-Jury aus Architekten suchte die 21 Finalisten aus. Und dann ging´s rund, umstritten und unfair zu: "Jeder" Weltbewohner konnte voten, per mail, SMS, telefonisch. Nur, dass ja nur ein Bruchteil der Erdlinge Zugang zu diesen Medien hat... Teilweise riefen Tourismusbehörden dazu auf, bewusst Mehrfachstimmen abzugeben, was wohl auch im grossen Stil getan wurde. Seitens Ägyptens wurde interveniert, weil die Pyramiden nicht auf der Liste standen, aber die sind ja sowieso das letzte antike Weltwunder, wurden dann auch kurzerhand zum "ewigen" Weltwunder erklärt und liefen ausser Konkurrenz, womit Ägypten dann auch happy war. Der jeweilige Bevölkerungsreichtum der verbliebenen Kandidaten hat dann wohl teilweise zumindest das seinige zum Ergebnis beigetragen, jedoch nicht im Falle von Petra !
1: Chinesische Mauer (China)
2: Cristo Redentor (Brasilien)
3: Chichen Itza (Mexiko)
4: Kolosseum (Italien)
5: Macchu Pichu (Peru)
6: Taj Mahal (Indien)
7: Petra (Jordanien)
Soviel dazu. Im übrigen fehlt mir persönlich dann nur noch Nr. 2 der Liste. Alles andere habe ich bereits gesehen.
Was genau ist nun eigentlich Petra ? Eine im 6. Jahrhundert v. Chr. von den Nabatäern gegründete Stadt, die an einer der wichtigsten Handelsrouten Arabiens lag und daher von ungeheurer strategischer Bedeutung war. Durch die schwer zugängliche Lage in den Felsen gut geschützt und über ausreichend Wasser verfügend, war Petra ein idealer Platz. In der Blütezeit Petras ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. soll Petra bereits ca. 30.000 Einwohner gehabt haben und die Bewohner lebten teilweise schon in festen Behausungen. Auch Petra ging durch viele Epochen und mit den Römern begann der Niedergang Petras, weil sie andere Karawanenwege schufen, die an Petra vorbeiführten. Die Stadt verfiel und war dem Vergessen geweiht. Seit den Kreuzzügen waren es nur die ortsansässigen Beduinen, die in den Gräbern und Höhlen lebten. Bis zur Wiederentdeckung 1812 durch den Schweizer Jean Louis Burckhardt schlummerte Petra in der Verborgenheit.
Bambus - eine Pflanze, die viel Wasser braucht. Die Nabatäer hatten ein ausgeklügeltes System von Dämmen, Aquädukten und Wasserleitungen, die Petra versorgten. Teilweise noch heute zu sehen. Und es gibt auch ganz neue Dämme in Petra, die verhindern sollen, dass sich nach starken Regenfällen der Siq in einen Sturzflutkanal verwandelt, was bereits einmal passiert ist und einige Touristen das Leben kostete.
Zaid erzählt die Geschichte Petras sehr eindrucksvoll und plastisch, während wir uns durch den Siq bewegen. Ich bin einfach nur überwältigt ! Das ist sowas von erstaunlich hier ! Ich fotografiere wie eine Irre und denke mal wieder "womit hast du das verdient, das hier erleben zu dürfen" ? Um diese Tageszeit begegnen einem hauptsächlich Beduinen, denn die "betreiben" Petra eigentlich. Zwischen 1968 und 1985 wurden alle Beduinen, die bis dahin noch in Petra lebten, zwangs-umgesiedelt, hauptsächlich nach Wadi Musa (was soviel wie Moses-Tal bedeutet). Da ist es nur fair, dass die Beduinen bis heute als Guides, Kamel- und Eselstreiber, Souvenirshopbetreiber und Gastronomen in Petra tätig sein dürfen und damit ihr Auskommen haben. Ein freundliches und erstaunlich unaufdringliches Volk. Na klar, wird man als Tourist angesprochen, aber sehr nett. "Tea ? Camel-ride ? Donkey-Taxi ? "Need guide ?" "Souvenirs, postcards, anything ?" Sagt man höflich nein, danke, ist die Sache erledigt und man wird in Ruhe gelassen. Nimmt man eine der angebotenen Leistungen in Anspruch oder kauft/isst/trinkt man etwas, sind die Preise sehr moderat, selbst ohne langwierige Verhandlungen.
Man weiss zwar, wie lang der Siq ist und auch was gleich dahinter kommt, aber man verliert das Gefühl dafür, wie lange man schon unterwegs ist und wieweit man schon gelaufen ist. Zaid nutzt das aus und führt mich an der Nase herum: Er zeigt auf etwas hoch in den Felsen in der Richtung, aus der wir kommen. Ich drehe mich um und starre dorthin, wo er hinzeigt. Ich sehe nichts. Er fragt: Siehst du die Nische da oben ? "Nö." Da, neben diesen Streifen im Fels ? "Nö, was soll da sein ? Und was für Streifen ?" Naja, meint er, dann eben nicht, fängt an eine mir irgendwie bekannt vorkommende Melodie zu summen und geht weiter. Ich wundere mich, dass ich nicht sehen kann, was er gesehen hat, drehe mich um und sehe im ersten Moment den Wald vor lauter Bäumen nicht !
Der Groschen fällt langsam in meinem Gehirn, aber er fällt laut rappelnd zu Boden: WOW !!!! HAMMER !!! Die Synapsen funktionieren wieder: Ich höre die Titelmelodie von Indiana Jones und hey, ich bin Indiana Jones !
Fast 40 m hoch und 25 m breit - das Schatzhaus des Pharao oder the treasury oder auf arabisch Khazne al-Firaun. Scheissegal - es ist atemberaubend schön !!!
Anderswo auf der Welt hätte man wahrscheinlich ein paar Kröten bezahlen müssen, um sich so malerisch mit Kamelen im Vordergrund dort fotografieren lassen zu können. Nicht so in Petra. Wie gesagt, ich habe Petra nicht als Touri-Abzocke erlebt, überhaupt nicht.
Was sieht man aber nun wirklich ? Ein Schatzhaus ist es wohl nicht, sondern ein Grabmal für einen Nabatäerkönig. 6 korinthische Säulen, ein Rundtempel und darauf eine Urne. Die weist Einschusslöcher auf, die wohl daher rühren, dass Beduinen versucht haben, die Urne herunterzuschiessen, weil sie einen Schatz darin vermutet haben. Die Bauweise ist spektakulär: Aus einem Stück in den Fels gehauen und zwar von oben nach unten. Die Überreste seitlich hochgehender Stufen lassen darauf schliessen.
Zaid verabschiedet sich. Seine 3-Stunden-Führung ist vorbei. Er erklärt mir die Optionen: Monastery (auf jeden Fall - must-see !), high-place-of-sacrifice (kann-man-muss-man-aber-nicht), Museum (auf jeden Fall), byzantinische Kirche (obligatorisch) und Königsgrab (wenn man noch die Power haben sollte). Monastery - ok, das gehe ich an. Zaid hat gesagt, 850 Stufen, anstrengend, steil, nicht einfach. Ansonsten mit Esel, aber nur hoch, runter mit Esel ist schwieriger als zufuss. Ich stehe vor dem Esel-Parkplatz. Praktischerweise. "Hey Lady, donkey-taxi ?" Ich bin mir nicht sicher, ist das da hoch irgendwie ein Albtraum für Höhenangst-Geplagte, wie mich ? Gibt´s da steile Abgründe ? Ich frage den 21-jährigen Beduinen Löcher in den Bauch, Fragen, die er nicht versteht, weil er mein Problem nicht versteht ! Er denkt, ich hätte Angst vor seinem Esel, ich aber habe Angst vor dem Weg da hoch ! Er überzeugt mich: "Lady, everyday 1000 tourists are going up, no problem ! The donkey knows the way and i will be with you all the time. And donkeys don´t like the edge." Okay ! Wir verhandeln um den Preis, allerdings nicht wirklich. Ich will sicher nach oben und bezahle dafür gerne einen angemessenen Preis. 7 Dinar (statt der erst verlangten 9), wow, das ist ja total günstig ! Der Esel wird mir vorgestellt, sein Name sei Michael Jackson. Aha, ich kannte auch mal ein indisches Kamel namens Tom Cruise...
Michael trabt los und ist total trittsicher. Ich hatte ja gedacht, dass es eine extra Route für die Esel geben würde. Nicht die 850 Stufen, aber nein, die Esel laufen die gleiche Strecke, wie die Menschen.
Unterwegs machte ich mir echt Sorgen um Michael Jackson. Er wurde hochgepeitscht von seinem Guide, andauernd angetrieben. Ich wäre angesichts dieses Tempos bereits an einem Herzinfarkt verstorben, aber der Esel keuchte ja noch nichtmal ! Teilweise waren die Stufen echt steil und hoch, völlig ausgetreten und kaputt. Ich fragte meinen Guide, ob Michael denn nicht mal eine Pause bräuchte ? Wawawa... ein arabischer "Hüah-Befehl" war die Antwort. Nö, Michael Jackson bekam seine Pause erst ganz oben. Und dann auch nur für 10 Minuten. Das einzige, was ich tun konnte, um den Esel zu unterstützen, war, mich weit vorzulehnen und mich relativ flach über dem Rücken des Tieres zu halten. Ich hatte mir unnötigerweise Sorgen gemacht, denn am Ziel war Michael Jackson putzmunter und ich völlig hinüber.
Bevor ich jedoch die letzten Stufen in Angriff nehme, schleppt mein Eselstreiber mich zu einem kleinen Souvenirstand, stellt mich seiner Schwester vor und die lädt mich auf Tee ein. Ich sage zunächst höflich nein, danke, denn ich will echt weiter, aber das geht gar nicht ! Schwesterchen klärt mich nämlich in sehr gutem englisch auf, es sei unhöflich, angebotenen Beduinen-Tee abzulehnen. Ich lasse mich also neben ihr nieder, bestaune ihre kreisch-pinkfarben lackierten Fingernägel, auf die sie mich auch extra aufmerksam macht und sehe Michael Jackson zu, wie er sich wieder auf den Weg hinunter macht. Bis zu 7 Mal am Tag macht das Tier die Tour, hat man mir erklärt. Daher also die Wahnsinns-Kondition des Esels und des Typen !
...tah dah ! The monastery, das Kloster oder auf arabisch Al Deir. Weit größer, als das Schatzhaus. 45 m hoch und 50 m breit. Weil einige Kreuze an den inneren Wänden zu sehen sind, hat man vermutet, dass dieses Gebäude zu byzantinischer Zeit als Kirche genutzt wurde, daher der Name. Aber höchstwahrscheinlich war auch dieses Monument ein Grab zu Nabatäerzeiten.
Es gibt Wege und Pfade hier oben, die zu Aussichtspunkten führen. Ist nochmal Gekraxel, habe ich teilweise auch nicht gemacht.
Jetzt kommen mir einige Leute entgegen, die zufuss hierher unterwegs sind über die 850 Stufen. Viele pfeifen auf dem letzten Loch, jappsen nach Luft und stossen keuchend die Frage hervor "how far is it ?" Ich motiviere die Leute "just 5 more minutes and it´s worth it !" Kann ich ja auch total cool sagen, denn ich habe mir diesen Gewaltmarsch ja erspart...
Wieder unten. Ich gehe ins Museum. Das ist sehr klein und für mich sehr uninteressant. Scherben, Töpfchen, Trümmer. Sagt mir nichts.
Nein, ich verzichte auf die Pferdenummer. Ich sehe aber einen Beduinen auf seinem Pferd, der mich echt beeindruckt. Freihändig reitet er im gestreckten Galopp mit wehendem Kopftuch durch die Gegend. Dieser Anblick ruft das ultimative Lawrence-von-Arabien-Gefühl hervor !
Ich bin fast schon draussen, als die Kreuzfahrt-Touris einfallen. Meine Güte ! So schlimm hatte ich mir das nicht vorgestellt ! Jeweils 40-50 Personen/Gruppe mit Guide, der ein Schild mit der jeweiligen Gruppennummer hochhält und per Mikro zu seinen Gästen spricht. Bei Gruppen-Nummer 28 höre ich auf zu zählen. Das sind über 1000 Menschen insgesamt ! Wo haben sie die ganzen Busse geparkt ?
Ich danke innerlich nochmal Zaid für seine Umsicht, mich heute morgen um 05.30 Uhr aus dem Bett geschmissen zu haben, um Petra für mich (fast) ganz alleine geniessen zu können, jedenfalls ohne diesen Aufmarsch von Menschen.
Was nun ? Ich verlasse das Gelände endgültig und denke über einen Spaziergang durch Wadi Musa nach. Die Stadt ist echt nicht erwähnenswert, aber ich habe HUNGER ! Also suche ich nach einem Restaurant, das anbietet, worauf ich gerade Lust habe: PIZZA !
Pizza, ein Tee hinterher und mir fallen fast die Augen zu. Ich rufe H. an und bitte ihn, mich abzuholen. Nenne den Namen des Restaurants, beschreibe, wo es ist und mein Fahrer ist innerhalb von 10 Minuten da. Den späteren Nachmittag verpenne ich, abends stürze ich mich auf´s Hotel-Buffett und später packe ich meinen Krempel wieder zusammen. Morgen ist der letzte, volle Tag in Jordanien, der letzte mit H. Wie schade.
Aufbruch: | 10.11.2012 |
Dauer: | 7 Tage |
Heimkehr: | 16.11.2012 |