middle east - Jordanien und Israel (hm, nicht wirklich)

Reisezeit: November 2012  |  von Sabine H.

...und alles über den Haufen werfen...

Donnerstag morgen, 08.00 Uhr. H. holt mich ab und wir fahren zum border-post von Arava. Es ist merkwürdig leer dort. Wir passieren einen ersten check-point, der jordanische Beamte kontrolliert meinen Reisepass und winkt uns durch. An dem Punkt, wo H. mich absetzen muss, kommen 2 jordanische Beamte auf uns zu. Kurze Diskussion auf arabisch, dann ein betretenes Gesicht von H. Was ist los ? Die Grenze sei heute geschlossen, alle Grenzen nach Israel seien heute geschlossen. Warum ??? Angeblich wegen eines arabischen Feiertages. Hm, kann ich mir nicht vorstellen. Ich hatte im Vorwege durchaus recherchiert, an welchem Tag ein Grenzübertritt am günstigsten sein würde und hatte dabei sowohl das arabische Wochenende (Freitag), als auch den jüdischen Sabbat (ab Freitag mittags und samstags) bedacht. Feiertage lagen gemäß meiner Recherchen nicht in meinem Reisezeitraum. Blöderweise hatte ich die letzten Tage keinerlei Nachrichten gesehen oder gelesen, ich hatte echt keinen Schimmer, was eigentlich los war. H. auch nicht.

Also gut: Problembewältigung aufnehmen, sowas schockt mich nämlich echt nicht mehr, dafür musste ich in den vergangenen Jahren bereits zu oft spontan improvisieren. Meine 1. Idee war, in Aqaba zu bleiben und morgen nach Israel zu fahren. H. gab zu bedenken, dass die Hotels möglicherweise alle ausgebucht sein könnten, weil das arabische Wochenende bevorstand. Und mir war klar, dass es am Freitag schwierig sein könnte, einen Bus nach Jerusalem zu ergattern, vor Beginn des Sabbat. Das hätte u.U. bedeuten können, bis Sonntag in Eilat festzuhängen. Ohne dort eine Hotelreservierung zu haben. Blöd. H.´s Job war an dieser Stelle eigentlich erledigt, er musste nach Amman zurück und mit mir hatte er eigentlich nichts mehr zu tun. End of service. Aber H. war ein Schatz und sagte sofort, er lasse keine Frau allein auf der Straße stehen. Also war schnell klar, dass ich mit ihm zusammen nach Amman zurückfahren, mir dort ein Hotel organisieren würde für 1 Nacht, um dann am nächsten Tag die Grenze King Hussein-/Allenby-Bridge zu überqueren. Von dort aus sind es nur etwa 30 KM nach Jerusalem, das sollte machbar sein, auch wenn der Grenzübertritt dort (weil Westjordanland und Palästinensergebiet) ansonsten weit schwieriger und zeitraubender sein sollte, als in Aqaba/Eilat. Für alle weiteren Fragen und Entscheidungen hatte ich ja nun die ganze Fahrt nach Amman über Zeit.

Per SMS erfuhr ich dann von meiner Mutter, was eigentlich wirklich los war: Die Israelis hatten in Gaza-Stadt am Dienstag einen hochrangigen Palästinenser ermordet und Militärstellungen im Gaza-Streifen mit Raketen angegriffen. Daraufhin hatten die Palästinenser Vergeltungsschläge ausgeführt und Raketen auf Südisrael abgefeuert. Es hatte etliche Tote gegeben auf beiden Seiten und die Raketen flogen nur so durch die Gegend, wobei viele zwar von den Raketenabwehrsystemen der Israelis abgefangen werden konnten, aber einige waren doch eingeschlagen. Beunruhigend. Für Israel jedoch kein aussergewöhnliches Szenario. Insofern war ich noch immer wild entschlossen, am nächsten Tag nach Jerusalem zu fahren und meine Reise wie geplant fortzusetzen. Auf der weiteren Autofahrt liess H. das Autoradio laufen und übersetzte für mich die Nachrichten aus Israel. Er meinte, es höre sich nicht gut an, die Lage schien zu eskalieren.

In Amman fanden wir schnell ein zentral gelegenes Appartement-Hotel und H. versprach mir, für morgen einen Transport an die Grenze zu organisieren. Ein Freund von ihm würde mich fahren und so lange warten, bis ich unwiderruflich Jordanien verlassen hätte. Ich durfte ausserdem das Handy behalten, damit wir im Laufe des Tages die Details abklären könnten.

Daraufhin bummelte ich erstmal seelenruhig durch Amman und versorgte mich in einem Supermarkt, weil ich auf Restaurantbesuch nun doch keine Lust hatte. Zurück in meinem Appartement liess ich den Fernseher laufen und schreckte angesichts der Nachricht, eine Rakete sei kurz vor Tel Aviv eingeschlagen, auf. Weitere Raketen seien in Richtung Jerusalem abgefeuert worden, konnten aber per "iron dome" abgefangen werden. Erstmals seit vielen Jahren hatte es in Tel Aviv und Jerusalem Luftalarm gegeben und die Menschen mussten Luftschutzbunker, Keller oder Treppenhäuser aufsuchen. Die Fronten waren verhärteter denn je, offensichtlich.

Donnerstag nachmittag, 17.00 Uhr. H. hatte mir erzählt, dass heute eine Groß-Demo in Amman gegen die Kraftstoff- und Gaspreiserhöhungen stattfinden sollte. Er hatte gesagt, er hoffe, alles bleibe friedlich. Ich wusste nicht, wo die Demonstration stattfinden sollte, aber ich war ziemlich im Zentrum der Stadt untergebracht. Ich hörte plötzlich Schüsse. Ob es wirklich Schüsse waren, kann ich nicht sagen. Aber ich hätte nicht gewusst, was sonst es gewesen sein sollte. Da fiel bei mir die Entscheidung: Weg hier ! So schnell, wie möglich. Israel war keine Option mehr für mich. Womöglich blieben die Grenzen auch morgen geschlossen, man wusste es nicht, Informationen dazu waren nicht zu bekommen. Ich checkte die website des Auswärtigen Amtes, die Meldungen waren alarmierend. Es gab sogar schon Verhaltensmaßregeln für Luftalarm und Raketeneinschlag. "Urlaub" hätte mir wohl nicht mehr bevorgestanden und wer weiss, ob ich all das, was ich geplant hatte, überhaupt unternehmen konnte. Nein. Nicht mehr lange fackeln. Ich schmiss mein netbook an und suchte nach Flügen. Lufthansa hatte noch 1 Platz in der Maschine nach Frankfurt in der kommenden Nacht. Ich schlug zu. Musste dann jedoch, um das ganze ausdrucken zu können, den Typen an der Rezeption nerven. Er musste sogar die Spracheinstellung seines PC´s von arabisch auf englisch ändern, damit ich an die Bestätigungsmail der Lufthansa kam. Und die brauchte ich, weil die Buchung so extrem kurzfristig war. Aber Jordanier sind unglaublich freundlich und hilfsbereit, sodass er mir gerne behilflich war mit dem ganzen Computerkram.

Nur noch H. anrufen und mit ihm absprechen, auf welche Weise er nun sein Handy zurückbekommen sollte. Aber er reagierte gewohnt gelassen, meinte, er würde seinen Freund anrufen, der solle mich heute abend zum Airport fahren und dem könne ich das Handy mitgeben, so wie das ja auch eigentlich für morgen früh ursprünglich geplant gewesen wäre. Keine 5 Minuten später rief er mich zurück: Alles klar, sein Freund würde mich um 20.00 Uhr abholen und zum Flughafen fahren. Jetzt rief ich nur noch zuhause an und vermeldete, dass ich morgen mittag bereits wieder zurück sein würde. "Gott sei Dank", war die Reaktion.

Und genauso lief es dann auch: H.´s Freund holte mich ab, fuhr mich an den Flughafen, Lufthansa flog mich erst nach Frankfurt und wenig später nach Hamburg und am frühen Nachmittag, Freitag, war ich nach noch nicht mal einer Woche wieder zuhause.

Wie sich im nachhinein gezeigt hat, wäre mir wohl absolut nichts passiert in Israel. Ich hätte wohl sogar alles planmäßig durchziehen können, sicherlich aber mit einem extrem mulmigen Gefühl. In der Situation, wie sie sich an dem Donnerstag zeigte, war es jedoch die richtige Entscheidung. Meine sämtlichen Reservierungen für Israel konnte ich kostenfrei stornieren. Das Hotel in Jerusalem hatte ich noch von Amman aus angerufen und gecancelled. Die hätten eigentlich den Preis für eine Nacht in Rechnung stellen dürfen, haben sie aber nicht gemacht. Einzig den Flug von Tel Aviv nach Hamburg mit Turkish Airlines konnte ich nicht stornieren, auf diesen Kosten bin ich sitzen geblieben, sowie auf den Kosten für den LH-Flug von Amman nach Hamburg, aber damit kann ich leben.

Israel werde ich dann irgendwann später nachholen. Für 2013 habe ich ja nun gigantisch viele Urlaubstage zur Verfügung, da ich gleich am Montag wieder zur Arbeit erschienen bin. Schau´n wir mal, wer weiss, sozu das ganze gut war...

Fazit: Jordanien ist auf jeden Fall eine Reise wert ! Ein ultra-cooles Land mit echten must-see´s und super-freundlichen Menschen. Ein Highlight in meiner Weltreisen-Chronik.

Nachtrag: Das mit den Schüssen (?) in Amman habe ich nicht klären können. Die Protestaktionen und Demonstrationen landesweit waren jedoch ziemlich heftig.

Das ist übrigens die zweite 124 m hohe Flagge des Landes in Aqaba...

Das ist übrigens die zweite 124 m hohe Flagge des Landes in Aqaba...

Hier nochmal die von Amman... Shukran, Jordan !

Hier nochmal die von Amman... Shukran, Jordan !

© Sabine H., 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
2 Wochen im nahen Osten, biblisch soll es werden kurz vor Weihnachten - jedenfalls teilweise. Und es kommt mal wieder anders, ganz anders...
Details:
Aufbruch: 10.11.2012
Dauer: 7 Tage
Heimkehr: 16.11.2012
Reiseziele: Jordanien
Der Autor
 
Sabine H. berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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