Prag - Ostern
Spaziergang 1 - Altstadt und 2 - Josefov
Ostersamstag: Für meine Streifzüge durch Prag orientiere ich mich mithilfe des Reiseführers aus dem Michael-Müller-Verlag "Prag". Für Städtetouren innerhalb Europas sind die Reiseführer aus dieser Verlagslinie für mich so richtig nach meinem Geschmack. Sie schlagen umfangreiche Spaziergänge in sinnvoller Reihenfolge vor, bieten gute Detailkarten, vertiefen in Extrakapiteln das Wissenswerte zu den angesteuerten Sehenswürdigkeiten, lenken den Blick auf so manche sonst sicherlich nicht angesteuerte Attraktion und sind einfach praktisch und handlich.
Nach einem hervorragenden Frühstück im Hotel breche ich auf zum Altstadt-Rundgang. Altstadt = Staré Mesto auf tschechisch. Auf dem kurzen Weg dorthin passiert man schon das erste "Museum", das "Sexmachine-Museum". Oookay. Im Laufe der 4 Prag-Tage komme ich des öfteren hier vorbei und der Eingangsbereich ist immer knallvoll mit Neugierigen. Ob sie am Ende alle wirklich das Ticket kaufen und hineingehen, bezweifele ich, aber der Name macht die meisten schon super-neugierig.. Nein, ich war nicht drinnen. Wer´s mag ? 250 kc/10 EUR kostet der Eintritt. Noch ein paar Meter auf der Melantríchova und man steht vor dem Altstädter Rathaus mit der grandiosen astronomischen Rathausuhr. Sie entstand im 15. Jahrhundert. Das Rathaus selbst ist jetzt nicht so der Brüller, der Blick vom Rathausturm soll allerdings ziemlich cool sein, da klettere ich jedoch wegen Höhenangst und Treppenpanik nicht hoch gibt´s nen Fahrstuhl ??? Zur jeweils vollen Stunde bimmelt die Rathausuhr und Figuren erscheinen aus irgendwelchen Fenstern an der Uhr. Wenn man davor steht, sieht man kaum, was das für Figuren sind. Der "Tod" in Form eines Skelettes zieht an einem Seil und dreht das Stundenglas, woraufhin die 12 Apostel erscheinen und zum Schluss kräht der Hahn. Das ist nicht spektakulär, aber alle wollen es sehen, daher ist der Platz vor der Uhr zu jeder vollen Stunde zwischen 09.00 und 21.00 Uhr brechend voll, Taschendiebe treiben ihr Unwesen und die Mutigen oben auf dem Turm schreien "woohoo", wenn´s vorbei ist.
Am Altstädter Ring - dem Staromestké Námesti - befindet sich über Ostern ein wunderschöner, bunter Ostermarkt. Eine Budenstadt mit Ess- und Trinkständen, einer Aussichtsplattform und einer Bühne ist aufgebaut. Hier kann man sich wunderbar, billig und lecker durchfuttern, die Aussicht geniessen und dem Geschehen auf der Bühne zusehen. Auch hierzulande hat man offenbar erwartet, alles mit frischem Blumenschmuck dekorieren zu können, aber die eiskalte Witterung macht auch den Tschechen einen Strich durch die Rechnung: All die Behälter, die für frisch blühende Primeln, Osterglocken, Narzissen und Stiefmütterchen vorgesehen gewesen wären, sind nun - offensichtlich - notdürftig mit Kunstblumen geschmückt. Buntes Krepp-Papier tut sein Übriges.
Im Hintergrund das Palais Kinských, in der sich die Nationalgalerie befindet, die Fassade ist ein rosaroter Rokoko-Traum
In die Nikolauskirche gehe ich hinein und bewundere die schöne Innenausstattung, vor allem die Kuppel.
Die Kirche wird heute teilweise kommerziell für zweitklassige Klassik-Konzerte genutzt und am Eingang versuchen Leute, einem Tickets für derartige Konzerte anzudrehen. Überhaupt scheint Prag eine Stadt zu sein, in der sich Touristen genötigt sehen, ein klassisches Konzert, eine Ballettaufführung oder eine Oper anzuschauen. An vielen Orten werden Tickets für derartige events verhökert. Und etliche Touristen scheinen sich auch sehr dafür zu interessieren. So nach dem Motto "in Prag muss man einen auf Klassik-Kultur machen", weil die ganze Stadt so klassisch daher kommt. Selbst ich Kultur-Banause war ganz kurz in Versuchung, mir "Schwanensee" anzutun, als ich das entsprechende Plakat plus zugehörigem Ticketverkaufs-Kiosk entdeckte. Ich hab´s aber doch gelassen, ist echt nicht so mein Ding...
Rund um den Altstädter Ring befinden sich weitere aussergewöhnlich schöne Gebäude mit ihren grandiosen Fassaden und dann natürlich auch die imposante Teinkirche, Kostel P. Maria pred Týnem.
In den letzten fast 30 Jahren seit dem Fall des eisernen Vorhangs müssen die Tschechen restauriert haben, wie die Irren, um all die alten schönen Fassaden wiederherzustellen.
Stadtrundfahrten sind möglich per pedes, per Fahrrad, per Taxi, per Metro, per Tram, per Bus, per Hop-on-hop-off-Bus, per Kutsche, per Sedgway und per Oldtimer ! Für mich eine noch nie so gesehene Auswahl, weltweit. Bestimmt kann man auch einen Heli chartern oder sich irgendwo einen Esel organisieren...
Wenn ich in diesem Tempo weitermache, wird dieser Reisebericht über 4 Tage Prag länger, als 3 Monate Südostasien. Also schnell in die Tynska, eine kleine Gasse, die zum sogenannten Ungelt führt, wo man direkt vor dem Eingangsportal zur Teinkirche steht.
Jakobskirche - Kostel sv. Jakuba. Ich gehe in viele Kirchen auch hinein, aber nicht in jeder ist das Fotografieren erlaubt
Ich gebe zu, für Prag muss man schon ein wenig Spaß an Architektur haben, aber angesichts der toll restaurierten Fassaden fällt es nicht schwer, sich dafür zu begeistern !
Mein Weg führt weiter zum Platz der Republik (Námesti Republiky), wo gleich wieder der Architektur-Overkill zu sehen ist. Woran das übrigens liegt ? Prag ist während des 2. Weltkrieges kaum zerstört worden. Zwar sind die Gebäude während der Jahrzehnte unter kommunistischer Herrschaft völlig heruntergekommen, aber immerhin war der Baubestand vorhanden und die Bausubstanz offenbar gut.
Pulvertor - einziger verbliebener Wachturm der alten befestigten Stadt Prag. Der Name kommt daher, dass hier drinnen früher ein Schiesspulvermagazin war
Domu U Hybernú - ein Theater in einem imposanten Empire-Bau, früher Kloster, später Finanzamt und dann verfallene Ruine bis zu Restaurierung
feinster Jugenstil - im Gebäude befinden sich ein Café und ein Restaurant und es werden auch hier Tickets für diverse Veranstaltungen verkauft
Am Platz der Republik ist auch gut shoppen. In einer ehemaligen riesigen Kaserne ist die grandiose Einkaufsmall Palladium entstanden und gegenüber steht noch immer das Traditionskaufhaus Kotva, das es schon zu kommunistischen Zeiten gab. Zum shoppen in Prag muss ich sagen, dass es besonders in den Einkaufspassagen die gleichen Ladenketten gibt, wie inzwischen fast überall auf der Welt. Und die Preise liegen auch auf unserem Niveau.
Über die Celetná (Zeltnergasse) geht es zurück in die Altstadt. Dieses Haus im kubistischen ist das Haus zur schwarzen Madonna und die kann man auch sehen.
Ich erreiche den ehemaligen Obstmarkt Prags, den Platz Ovocny trh. Hier ist nichts besonderes zu sehen, ausser einem Garagentor (!). Moderne Kunst am Garagentor, wo gibt´s denn sowas ?
Das Ständetheater im neoklassizistischen Stil. Hier fand 1787 die Uraufführung von Mozarts "Don Giovanni" statt. Kennt ihr den Film "Amadeus" ? Prag und insbesondere dieses Theater dienten dem Filmteam als Kulisse, obwohl der Film in Wien spielt...
Nun bin ich mit meinem Rundgang durch die östliche Altstadt durch und mache mit der westlichen Altstadt weiter. Es geht zunächst durch ein paar wirklich enge Gassen, darunter auch die, in der das Geburtshaus von Egon Erwin Kisch steht, dem ersten rasenden Reporter, der die Reportage zu einer eigenen Literaturform machte. Ein Bildnis an seinem Geburtshaus erinnert an ihn.
Es ist natürlich schon Mittag vorbei und angesichts dieses gemütlichen Cafés gerate ich schon in Versuchung, mich hier für etwas Essbares niederzulassen, aber trotz der Schaffelle droht dies, zu einer kalten Angelegenheit zu werden, also weiter...
Dominikanerkirche (Kostel sv. Jiliji) in der Gasse Husova. Im zugehörigen Kloster war die erste Musik-Lehranstalt auf dem Gebiet der österreichisch-ungarischen Monarchie
Nach dem berühmten braven Soldaten Svejk ist dieses Restaurant benannt. "Die Abenteuer des braven Soldaten Svejk" von Jaroslav Hasek ist der wohl bekannteste tschechische Roman und die Verfilmung mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle selbst mir durchaus bekannt.
Am Betlémská Námestí (Bethlehemsplatz), der ansonsten relativ unspektakulär ist, befindet sich die Bethlehemskapelle, in der Jan Hus predigte. Das Originalgebäude wurde jedoch zerstört, der heutige Bau stammt aus dem 20. Jahrhundert und ist nicht sehr speziell oder besonders schön.
Ich habe jetzt echt Hunger ! Und ich rieche ja praktisch schon, dass die Moldau gleich um die Ecke liegt. Ausserdem ist in der letzten Stunde das Wetter immer besser geworden, fast schon blauer Himmel und deutlich wärmer. Ich beschliesse, mir jetzt vorrangig irgendein Plätzchen zum Essen zu suchen, wo ich dabei auch sitzen kann, denn mir tun auch schon die Füße weh.
Yay !!! Das ist der Postkartenblick über Prag ! Rechts das Smetana-Museum, dann die Karlsbrücke und ganz hinten oben thront die Prager Burg.
An der Aussichtsplattform direkt an der Moldau vor dem Smetana-Museum wechsele ich das Kameraobjektiv und mache ein paar Aufnahmen mit Tele. Dann folgen erstmal nur wenige Fotos, weil ich so schnell, wie möglich die Karlsbrücke durch die Menschenmassen, die da unterwegs sind, überquere. Mittlerweile habe ich nämlich brüllenden Hunger und die Karlsbrücke, sowie Mala Strána (Kleinseite) ist eigentlich heute gar nicht mein Ziel. Das steht für morgen auf dem Programm. Ich bin nur so hungrig ! (Dabei gibt es in Prag an jeder Ecke ein Restaurant, einen Bratwurststand, ein Café oder eine Bäckerei), aber ich will jetzt da rüber, basta.
Romantisch: Prager Liebespaare verewigen sich mit Vorhängeschlössern auf der Karlsbrücke (und sonstwo).
Ich habe ein passendes Restaurant gefunden, woohoo ! Direkt an der Moldau, man kann draußen sitzen und sich mit Decken warmhalten, Pasta bestellen und es ist günstig. Was ich lange nicht gemacht habe: Spaghetti Carbonara bestellen und das Essen in meine best-of-Spaghetti-Carbonara-list einreihen. Tschechische Spaghetti Carbonara sind soweit lecker, Käse-Sahne-Sauce gut, Pasta perfekt, aber was sollen die ganzen Pilze dadrin ??? Kein Platz auf meiner best-of-list, sorry. Aber ich bin satt, habe mich erholt und ich habe ein Pivo getrunken. Tschechische Biere (Budweiser, Pilsener Urquell usw.) sind berühmt und die Biere schmecken echt gut, obwohl ich ansonsten überhaupt gar kein Biertrinker bin.
Schnell bin ich wieder drüben in Staré Mesto und starte den Spaziergang Nr. 2 durch Josefov, Josefstadt, das alte Judenviertel. Den Rundgang beginne ich am Beginn der Prager Prachtstrasse Paríská, Pariser Strasse. Vom ursprünglichen Judenviertel ist kaum mehr als als ein paar Synagogen übrig geblieben, weil man das Viertel Ende des 19. Jahrhunderts abgerissen hat. Stattdessen wartet Josefov mit einer Überdosis prächtiger Jugendstilhäuser auf, in deren Souterrains sich eine Luxusboutique neben der anderen befindet. Alle großen Namen sind vertreten: Von Cartier über Hermès bis Tiffany´s, Boucheron, Jimmy Choo, Bulgari usw. Klamotten, Schmuck, Schuhe, Handtaschen. Nichts in meiner Preisklasse.
Ich biege ab in die Siroká, wo sich die spanische Synagoge befindet, die etwas schmucklos ist. Der erste Chorleiter dieser Synagoge hat die tschechische Nationalhymne komponiert. Und gleich nebenan steht die in 2003 als erstes Kafka-Denkmal aufgestellte kopflose Statue. Ich bin kein großer Kafka-Fan, aber zumindest "Der Prozeß" und "Das Schloß" habe ich vor Urzeiten mal gelesen.
Man möge es mir verzeihen, aber ich kann einfach nicht aufhören, die tollen Fassaden zu zeigen. Ich frage mich vor allem, was es wohl kostet, eine Wohnung in einem dieser schönen Häuser zu haben und wie groß die wohl sein mögen.
Ein Teil der Prager Nationalgalerie mit mittelaterlicher Kunst ist im ehemaligen St. Agnes Kloster ausgestellt. Für eine Besichtigung ist es jedoch schon zu spät am Nachmittag.
...und zwischen all den schönen Gebäuden stellt man dann diesen Klotz hin, das Intercontinental Hotel...
Durch´s Gittertor schiesse ich ein schnelles Foto vom alten jüdischen Friedhof, den ich so gern sehen will und ich mache noch weitere 2 Anläufe, ihn zu besuchen, aber in diesem Fall habe ich Pech. Mehr, als dies hier, werde ich nicht zu sehen bekommen.
So, ich kann nicht mehr, meine Füße tun so weh, ich bin durchgefroren und erschöpft. Außerdem kann ich eh nichts mehr aufnehmen, es reicht definitiv für heute.
Hunger habe ich kaum, aber irgendeine Kleinigkeit will ich mir noch reinziehen. Die geschätzt 500 Trdelnik-Stände in der Stadt habe ich durchaus interessiert zur Kenntnis genommen, aber bisher noch kein Trdelnik probiert. Da es eine tschechische Gebäck-Spezialität ist, die sich offenbar größter Beliebtheit erfreut, muss ich eines probieren, obwohl so Süßkram normalerweise nicht so mein Ding ist. Aber es sieht spannend aus, wie der Teig an Metallrollen über Feuer gebacken wird. Das Teig-Teilchen wird normalerweise mit Zucker oder einer Walnusspaste gereicht, heutzutage aber auch als ultimative Kalorienbombe mit Nutella. Ich entscheide mich für die zuckrige Urform, bezahle dafür kaum 2 EUR und erlebe eine Geschmackssensation aus fluffigem Gebäck.
Morgen ist Ostersonntag, die Uhren werden in der Nacht umgestellt, aber ich habe für morgen eh soviel auf dem Zettel, dass ich noch vor 09.00 Uhr Sommerzeit die Karlsbrücke überqueren will. Gute Nacht !
Aufbruch: | 29.03.2013 |
Dauer: | 5 Tage |
Heimkehr: | 02.04.2013 |