Prag - Ostern
verpasster Rest von gestern und Spaziergang 5
Ostermontag: Punkt 09.30 Uhr stehe ich wieder vor dem Eingang zum jüdischen Friedhof, bzw. zum jüdischen Museum inkl. Friedhof. Gähnende Leere. Warum ? Geschlossen wegen jüdischen Feiertags ! Das Schild stand gestern nachmittag noch nicht da ! Manno ! Ich ärgere mich echt ein wenig, gestern nachmittag nicht noch einen Tacken mehr Geduld gehabt zu haben, aber was soll´s. Aus irgendeinem Grund soll es nun einfach nicht sein. Metrostation Staromestká liegt gleich um die Ecke, ich kaufe ein Tagesticket für den Prager ÖPNV und fahre bis zur Station Malostranská. Dort steige ich in die Tram um und verlasse sie wieder an der Burg. Das alles dauert gerade mal 15 Minuten.
Ich erreiche mein Hauptziel, das Kloster Strahov - Strahovsky Kláster. Seit 1989 wieder im Besitz des Prämonstratenserordens - Zungenbrecher. Ab 1140 ist dieser Prager Ableger des eigentlich französischen Ordens entstanden. In der Abteikirche Mariä Himmelfahrt liegt im wahrsten Sinne des Wortes ein "Pappenheimer" begraben, Feldmarschall Gottfried Heinrich Graf zu Pappenheim, daher der Spruch mit den "Pappenheimern", wusste ich vorher aber auch nicht. Aus Schiller´s Wallenstein stammt das Sprichwort "ich kenne meine Pappenheimer"... So, so ! In der Kirche ist gerade Gottesdienst, also geschlossen, ansonsten darf man auch nicht rein, sondern nur durch die Gitter peepen. Also gehe ich in die Bibliothek, was ja auch mein Hauptziel ist. Am Ticketschalter sitzt eine ältere Dame, die es für weitaus wichtiger hält, ihr privates Telefongespräch fortzusetzen, als mir ein Ticket zu verkaufen. Meinetwegen darf sie ja weitertelefonieren, während ich vor ihr mit meinem 200 Kc-Schein herumwedele, aber die Dame ist offenbar nicht multitasking-fähig. Kurz darauf habe ich es aber geschafft, drängele mich an einer riesigen französischen Tourgruppe vorbei und erhasche den Blick auf das, was ich zu sehen gehofft hatte.
Die Bibliothek besteht aus 2 Lesesälen, alle Regale sind aus Nussbaumholz. Knapp 1 Million Bücher sind hier einsortiert. Dies ist der sogenannte theologische Saal. Hinein darf man nicht, es sei denn, man hat sich vorher angemeldet.
Auf dem Klostergelände befindet sich ein absolut aussergewöhnliches, kleines Museum, das Miniaturmuseum. Es kostet ca. 1,50 EUR extra Eintritt und ist wohl kaum jemals im Programm der geführten "Hordentouren" durch Prag enthalten. Ausser mir, war auch zu diesem Zeitpunkt niemand drinnen. Und doch ist es sooo sehenswert ! Alles ist nur durch starke Lupen oder Mikroskope zu sehen, die bereit stehen. Winzigste Figuren auf eh schon winzig-kleinen Objekten. Elefanten auf einem Nadelöhr, Kamele auf einer Nadelspitze, winzige Porträts auf Reis- oder gar Mohnkörnern. Bilder auf Mückenflügeln. Sowas habe ich echt noch nie irgendwo gesehen ! Das ist spektakulär, wie macht man sowas ???
Durch ein altes Okular noch sehbar...teilweise sind aber auch ganz moderne Mikroskope aufgebaut, alle auf das Objekt perfekt eingestellt. Extrem cool !
Prager "Eiffelturm" auf dem Laurenziberg - Petrin. Ein toller Park, aber bei diesem Wetter kann man den getrost auslassen. Es führt ansonsten auch eine Standseilbahn da hoch.
Ich besichtige dann noch das Loreto-Heiligtum. Es ist ein Kirchen- und Klosterkomplex, der einen Nachbau der Santa Casa aus Ancona berherbergt (angeblich das Haus der Jungfrau Maria aus Nazareth, was na klar, pure Legende ist). Schön ist es trotzdem und in der Schatzkammer sind so einige funkelnde Schätze zu bewundern, darunter eine Monstranz, die mit 6000 Diamanten besetzt ist. Das Schwarzenberg Palais ist ein Renaissance-Palast, der eine einzigartige Fassade im venezianischen Stil in Briefchen-Form aufweist. Heute befindet sich hier eine Galerie mit wechselnden Ausstellungen.
Mit Tram und Metro geht es zurück auf die andere Moldauseite, ich fahre bis zum Wenzelsplatz und starte den Spaziergang durch die Neustadt, Nové Mésto. Kurz zur Geschichte der Neustadt: Sie wurde bereits im 14. Jahrhundert von Kaiser Karl IV angelegt und sollte ganz großartig werden. Leider verkam sie schon bald zum Armenviertel und wurde Ende des 19. Jahrhunderts zum größten Teil abgerissen. Nur das Straßennetz, ein paar Kirchen und einige Palais blieben stehen, neu entstanden viele Gründerzeit- und Jugendstil-Gebäude und später funktionalistische Gebäude, sowie typische Häuser à là Sozialismus. Bis heute wird hier modernisiert, restauriert, ganz neu gebaut und selbst Pläne für eine komplette Umgestaltung des berühmten Wenzelsplatzes liegen irgendwo in der Schublade.
Aaargh ! Metrostation Wenzelsplatz, Architektur, die jetzt nicht so begeistert... Das war mal das Parlamentsgebäude der ehemaligen CSSR. Was es heute ist ? Keine Ahnung... war wohl auch mal ein Radiosender drin untergebracht, vielleicht immer noch ???
Gedenkplatte für die Studenten Jan Palach und Jan Zajic, die sich im Prager Frühling aus Protest gegen die Sowjets mit Benzin übergossen und starben.
Budenstadt am Wenzelsplatz, diesmal habe ich jedoch Mc D. vorgezogen und mich mit Big Mac + Pommes gesättigt
Grand Hotel Europa im schönsten Jugendstil - ansonsten von innen angeblich reichlich verblasster Charme
Ich bin in die Jindrisská abgebogen und werfe einen Blick in die Hauptpost von Prag, hier hat man nämlich Zweckbau mit der ursprünglichen alten Bausubstanz aufs Kunstvollste verbunden.
Das Palace Hotel ist nicht mehr das erste Hotel am Platze, aber altehrwürdig und die Liste der Gäste liest sich wie ein who´s-who der Weltgeschichte. Und der Bau ist natürlich immer noch eine absolute Schönheit !
Heinrich-Turm, Jindrisská Vez- der ist nicht so hoch, hat einen Fahrstuhl und ich gehe mal rein und gucke von oben
Ich bin wieder in der Fussgängerzone aufgeschlagen und was gehört in jede Fussgängerzone ? Peruanische Panflötisten in Indianerkluft, man fühlt sich gleich wie zuhause...
Ta dah: Das ist die einzige kubistische Strassenlaterne der Welt !!! Was sie kein Fitzelchen schöner macht. Gut versteckt ist sie auch, zurecht. Gehört in die Sammlung: "Wissen, das die Welt nicht braucht"
Es hat angefangen, zu schneien, ganz leichte Flocken rieseln vom Himmel. Wie passend ! Denn ich bin auf der Suche nach der Kirche Kostel P. Maria Snezné (zu deutsch: Maria-Schnee-Kirche). Am Jungmannovo námestí muss ich das österreichische Kulturforum durchqueren und stehe dann vor der Fassade dieser Kirche. Karl IV. hat sie gestiftet anlässlich seiner Krönung zum König von Böhmen, aber es ging frühzeitig das Geld aus und so wurde sie nie vollendet. Später nahmen sich die Franziskaner dieser unvollendeten Kirche an und gestalteten sie um. Sehenswert !
Österreichisches Kulturforum. Viel interessanter ist der Schriftzug des Schuhgeschäftes ganz links oben "Batà", wer kennt nicht Batà-Schuhe ? Eine erzählenswerte story:
Batà-Schuhgeschäfte gibt es heute weltweit. Sie sind recht günstig, verkaufen ihre Eigenmarke, aber größtenteils auch das Sortiment anderer Hersteller. Im Laden, der vom Wenzelsplatz zu betreten ist, war ich natürlich kurz zuvor auch und habe - entgegen meiner üblichen Gewohnheiten - nicht den Schuh-Rausch bekommen und haufenweise Schuhe gekauft. Das heute etwas unspektakuläre Gebäude hat der Firmengründer Tomas Batà 1928 in Auftrag gegeben. Aus Angst vor den Nazis wurde der Firmensitz 1939 nach Kanada verlegt, wo es heute in Toronto ein echt interessantes Schuhmuseum zu sehen gibt, benannt nach der Familie Batà. Selbiges habe ich mir bereits auf einer früheren Kanada-Reise auch angesehen. (So schliesst sich manchmal der Kreis). Die Kommunisten verstaatlichten die Batà-Schuhfabriken und beschlagnahmten das Gebäude. Nach dem Ende der kommunistischen Ära hat die Familie jedoch das Gebäude am Wenzelsplatz wiederbekommen und so schliesst sich der nächste Kreis: Batà ist wieder genau da vertreten, wo sie begonnen haben. Irgendwie eine tolle Geschichte, finde ich.
Das Nationaltheater wird gerade restauriert, aber es trägt eine goldene Krone auf dem Dach, u.a. deswegen ist Prag die goldene Stadt oder die Stadt der goldenen Dächer...
Ganz moderne Architektur und mittlerweile eines der Wahrzeichen der Stadt Prag - Tancící dum - das tanzende Haus - oder viel treffender Ginger & Fred, entworfen vom kanadischen Architekten Frank O. Gehry. Gleich daneben das Haus, in dem im Dachgeschoss einst Vàclav Havel wohnte.
Der Karlsplatz ist einigermaßen langweilig und blöd. Da ich morgen nach Hause fliege und kein Frühstück bekommen werde im Hotel, nutze ich den Supermarkt am Karlsplatz für ein paar Einkäufe.
Ich schlage in meinem gemütlichen Hotel wieder auf, schleppe mich in die Dachetage und verpenne selig die letzte Nacht in Prag.
Aufbruch: | 29.03.2013 |
Dauer: | 5 Tage |
Heimkehr: | 02.04.2013 |