Freude und Leid einer Segelreise in die Karibik
AMBASSADOR zum Segelboot machen....
In Le Marin auf Martinique tappen wir im dunklen auf ein Boot am Steg, das wir erst als die liebgewordene AMBASSADOR wiedererkennen, als wir innen unsere Sachen auspacken. Teils Werkstatt, teils Yacht wie gewohnt, morgen sehen wir weiter.....
Die Bruchstelle. Hier soll ein maßgeschneidertes Innenrohr reingesteckt, festgeschraubt und zusammengeschweißt werden.
Was an Reparaturen vorgesehen ist, wissen wir ja aus Sigis Mails, aber nun können wir es mit eigenen Augen sehen: Zwei Mastteile an Land, die Bruchstelle. Wie ist das denn nur passiert ?
Kleine Ursache, große Wirkung: Diese Halterung am oberen Außenwant war geborsten, da konnte der Oberwant den Mast nicht mehr halten.
Unter gerefftem Großsegel war der Mast etwas oberhalb der Saling weggebrochen, bei hohem Wellengang aus dem Atlantik zwischen St. Lucia und St. Vincent. Mit der Situation hatten Sigi und Annmarie allein fertigwerden müssen.
Ein Katamaran, der zur Unfallstelle gekommen war, hatte bei dem Wellengang nicht helfen können, war aber wenigstens solange in Sichtnähe geblieben, bis Sigi die Segel an Bord gezerrt hatte und dem Kat ein Zeichen geben konnte, dass er keine Hilfe benötigte.
Die Dramatik dieser Situation und die Kraft und Ausdauer, die da gefordert war, konnten wir uns vorstellen, die Mails lasen sich da sehr trocken!
Geschafft ! Aber da fehlt noch ein Profilstück, in dem das Segel geführt werden muß. So ein Profil ist nirgends aufzutreiben. Es bleibt nur, ein Profilstücktück vom Baum abzusägen und hier einzufügen, am Baum muß es ohne gehen......
Die Nahtstelle rundum zusammengeschweißt und zusätzlich mit 40 Schrauben gesichert, für die jeweils ein eigenes Gewinde vorgeschnitten wurde, bilden das künftige Mittelstück des Mastes.
Was an den Tagen zuvor zwischen der Mastwerft und dem Rigger gestenreich bespochen worden war, sehen wir nun vorankommen. Dass der Mast reparierbar ist, überzeugt uns, aber dass solche Präzisionsarbeiten ihre Zeit erfordern, müssen wir akzeptieren.
Und am Wochenende dazwischen (2./3.Februar) herrscht Sonntagsruhe, die an unseren Nerven besonders zerrt: Wir könnten doch schon mal das laufende Gut und die Kabel in den Mast einziehen und die Anschlüsse für die Beleuchtung befestigen.
Aber der Mast ist oben solide zugeschweißt, innen ist er hohl ohne Innenprofile. Wie soll man da etwa 13 Meter Kabel durchstecken, ohne dass es staucht ?
Darüber denkt Sigi nachts nach, weil man ohnehin kaum schlafen kann.
Denn in der Abenddämmerung kommen aus den Mangroven neben unserem Liegeplatz zahllose winzig kleine Mücken und fallen über Fuß und Handgelenke her. Nachts gehen sie an die Kniekehlen, den Rücken, die Schultern, man weiß nicht, wo man sie zuerst verjagen soll, zumal man sie erst spürt, wenn sie schon gestochen haben. Gegen Autan scheinen sie immun zu sein.
In der Mittagshitze geben wir alle Versuche, eine Sorgleine in den Mast zu bekommen, auf. Wir sind zum Nichtstun verdammt! Unter diesen Umständen ein Essen an Bord zuzubereiten, ist Annmarie nicht zuzumuten und so lädt uns der Skipper ins Restaurant zum Muschelessen ein, ein einsamer Höhepunkt auf unserer Reise!
Der Monteur der Mastwerft sieht uns am Montagmorgen bei unseren Versuchen, ein Kabel in den Mast zu ziehen und hat die zündende Idee: Binnen weniger Minuten holt er runde Aluminiumstangen aus dem Regal, klebt sie an den Enden zusammen und schiebt sie zusammen mit einer festgehefteten Perlonleine von oben durch den Mast.
Mit dieser Leine können wir anschließend alle Kabel und Leinen in den Mast verlegen. Nun sind wir zum Mastsetzen vorbereitet - nur der Rigger muß noch die neuen Wanten bringen.
Endlich, am Dienstagmorgen sind sie da. Aber die Terminals sind zu dick und behindern sich ausgerechnet an den Enden der Saling gegenseitig. Die Werft findet eine Lösung. die aber wieder Stunden und damit viel Geld kostet.
Aber das Schlimmste: Die unteren Außenwanten sind 30 cm zu kurz.
Damit der Mast erst einmal Halt hat, befestigt Sigi die Wanten provisorisch mit Tauwerk an der Seereling, der Kran kann entlassen werden, aber da bricht auch schon die Dämmerung herein.
Beim Abendessen gibt es nur ein Thema: Wie konnte das passieren ?
Aus dem Mast war die Bruchstelle von ca. 30 cm herausgetrennt worden, das war etwas oberhalb der Saling. Nach dem Einsetzen des Rohrstücks waren die neuen Salinghalterungen oberhalb der Schweißnaht angebracht worden. Damit war die Saling wieder genauso hoch über dem Deck wie vorher, nur das obere Mastteil war 30 cm kürzer geworden. Der Werftchef und der Rigger hatten darüber ja ausführlich debattiert, soweit wir das gesehen hatten. Der Rigger hatte ja auch die oberen Außenwanten richtig 30 cm kürzer angeliefert, aber weshalb auch die unteren ?
Der Sohn des Riggers hat am folgenden Morgen die passende Ausrede: weil Sigi den Rigger ausdrücklich immer wieder darauf hingewiesen hatte, dass der Mast 30 cm kürzer geworden ist als früher. Von Bernard, dem Vater, ist dagegen weit und breit nichts zu sehen, sein Handy ist abgeschaltet......
Inzwischen müssen wir zur Selbsthilfe schreiten. Sigi kramt in seinem Werkzeug einen weiteren Wantenspanner hervor, den wir an Steuerbord zur Verlängerung verwenden könnten.
Aber zwei Spanner zusammen sind zu lang, ein halber würde ausreichen.
Sigi sägt das Linksgewinde des zusätzlichen Spanners an der Gabel ab, schraubt es nach oben in das Linksgewinde des vorhandenen Spanners und nach unten in das Linksgewinde des zusätzlichen Spanners. Ein paar Feineinstellungen sind nötig, dann haben wir eine brauchbare Dauerlösung.
Aber für die Backbordseite fehlt uns ein passender weiterer zusätzlicher Spanner.
Die Suche nach so einem Stück verschlingt den ganzen Mittwoch, viele Angebote lösen erst Freude, dann Enttäuschung aus. Nichts paßt.
Unsere Nerven liegen blank, doch am Ende wird Sigi fündig und bastelt an Backbord dieselbe Lösung.
Zu unserer Freude lassen sich die Wanten anschließend spannen und sogar alle anderen Wanten und die Saling kommen auf die richtige Spannung.
Unser Mißgeschick hat sich inzwischen auf dem ganzen Werftgelände herumgesprochen. Alle nehmen Anteil an uns und verfolgen aufmerksam, wie wir uns wohl helfen werden. Nun gelingt es uns auch, den Rigger an Bord zu bekommen. Er ist zunächst erstaunt, dass unsere Wanten stramm gespannt sind, wird aber kleinlaut, als wir ihm zeigen, welche Tricks wir anwenden mußten.
Er einigt sich mit Sigi auf einen Preisnachlaß, nicht ohne, dass wir uns von seinem Sohn noch einmal den Stinkefinger zeigen lassen müssen.
Nun müssen wir noch das neue Rollreff montieren. Dazu muß der Vorstag genau ausgemessen werden.
Wir ziehen Sigi im Bootsmannsstuhl auf die Mastspitze und messen mit einem überlangen Maßband genau 13,47 m. Auf diese Länge wird der Vorstag zugeschnitten und wir brauchen "nur noch" die mitgelieferten Profilrohrstücke und Endbeschläge anzumachen.
Die englischsprachige Montageanleitung lesen wir mehrfach durch, kommen aber zu dem Ergebnis, dass die Montage in der beschriebenen Reihenfolge auf keinen Fall funktionieren kann. Also versuchen wirs anders und haben Glück dabei.
Als wir fast fertig sind, taucht Bernard, der Rigger, noch einmal auf und sagt uns, wie wir die Montage hätten machen müssen, nicht so, wie in der Anleitung, sondern umgekehrt! Eine nette Geste, die uns zugleich beruhigt.
Nun können wir den Vorstag mit dem Rollreff hochziehen - gerade noch wenige Minuten, bevor der Steg wieder benötigt wird, auf dem wir uns ausgebreitet hatten.
Nun soll auch die Genua noch aufgezogen werden.
Doch da gibt es die nächste Überraschung.
Das Vorliek der gerade erst umgearbeiten Fock ist für das neue Profil im Rollreff zu dick. Also alles raustrennen lassen und ein dünneres Vorliek einnähen lassen ?
Annmaries Nerven liegen blank. Was das wieder kosten wird ! Und noch einen Tag länger hier im Hafen, wenn's denn der Segelmacher überhaupt so schnell machen kann !
Doch der Segelmacher strahlt eine Ruhe aus, die Annmarie und uns wieder ins Lot bringt: Das Liek ist nur oben und unten festgeheftet, das kann man lösen und ein dünneres Liek einziehen - eine Arbeit von einer Stunde, wenn ihr das Material dazu besorgt! Am Ende findet er in seiner Werkstatt sogar ein dünneres Band fürs Vorliek - der Abend ist gerettet, kostet aber noch mal schnell eben 76 Euro.
Dann geht es noch am Abend unter Motor raus aus Le Marin, an einen Ankerplatz mit sauberem Badewasser, nach St.Anne. Ein völlig neues Gefühl, wieder auf einem Segelboot mit Mast zu sein.
Das Schwimmen außenbords nach einem guten Abendessen gibt uns endlich einen Vorgeschmack auf Urlaub, weswegen wir doch eigentlich hierher gekommen sind.
Aufbruch: | 27.01.2013 |
Dauer: | 5 Wochen |
Heimkehr: | 02.03.2013 |
Niederländische Antillen
Britische Jungferninseln
Vereinigte Staaten