Iran Nordwest-Rundreise im März und April 2013

Reisezeit: März / April 2013  |  von Ulrike Bohra

Qazvin und Masuleh

Qazvin - Vor dem Chehel Sotoon Pavillon in einer Kutsche - 30. März 2013

Qazvin - Vor dem Chehel Sotoon Pavillon in einer Kutsche - 30. März 2013

Chehel Sotoon Pavillon in Qazvin - errichtet vom 1. Safawiden-König Shah Tahmasp im 16. Jahrhundert, 2-stöckiger Gartenpalast - Bedeutung des Namens: 40 Säulen-Palast. 30. März 2013

Chehel Sotoon Pavillon in Qazvin - errichtet vom 1. Safawiden-König Shah Tahmasp im 16. Jahrhundert, 2-stöckiger Gartenpalast - Bedeutung des Namens: 40 Säulen-Palast. 30. März 2013

Chehel Sotoon Pavillon - Buntglasfenster im Kalligraphie-Museum im 1. Stock des Gebäudes - 30. März 2013

Chehel Sotoon Pavillon - Buntglasfenster im Kalligraphie-Museum im 1. Stock des Gebäudes - 30. März 2013

Chehel Sotoon Pavillon in Qazvin

Heute am 30. März fahren wir (ich und M. Gharib, mein Touristguide) bei sonnigem kühlem Wetter in Teheran los und erreichen nach eineinhalb Stunden Fahrt die schöne alte Safawiden-Hauptstadt Qazvin. Qazvin hat ca. 380.000 Einwohner und liegt ca. 180 km nordwestlich von Teheran.

Mit großem Enthusiasmus besichtigen wir den Chehel Sotoon Pavillon im Zentrum der Stadt gegenüber dem Meydan-e Azadi, dem Platz der Freiheit. Der Bau geht auf den 2. Safawiden Shah Tahmasp zurück, der im 16. Jahrhundert hier seinen Königssitz errichtete. Shah Abbas I. soll hier 1588 zum König gekrönt worden sein, bevor er später seinen Regierungssitz nach Isfahan verlegte.

Besonders schön sind die Fliesenmosaiken in der Halle und die Reste der Wandmalereien im Arkadengang. Die Parkanlage ist großzügig um den Pavillon angelegt. Wir umrunden den Park mit der Kutsche, blicken dem Kutscher über die Schulter auf das magere Pferdchen, das in hartem Stakkato über den Asphalt trabt. Die kühle Luft macht gute Laune, die klaren Farben im gleißenden Sonnenschein sind eine Freude. Heute fühle ich mich in meinem braunen Tunikamantel und hinter der Sonnenbrille schon viel wohler. Nicht mehr so auffällig wie in Teheran. Herr M. Gharib ist ganz luftig angezogen und schießt ein Photo nach dem anderen. Am Ende der Reise werden es über 1.200 Stück sein.

Nach Besichtigung des Chehel Sotoon Pavillons suchen wir lange eine Wechselstube, in der ich erstmalig Euros in iranische Rial wechsle. Auf allen Scheinen das Konterfei von Ayatollah Khomeini, aber die Iraner nennen ihre Währung im Alltag Toman. Die Umrechnung gestaltet sich in den ersten Tagen schwierig. M. Gharib zieht beim Bezahlen immer die passenden Scheine aus meinem Geldbeutel, weil ich mich mit den Geldscheinen überhaupt nicht auskenne. Mir ist es ein bißchen peinlich. Später fahren wir weiter zum Imamzadeh Hossein Grabmal.

Haupteingang der Imamzadeh Hossein in Qazvin - Grabmoschee eines Sohnes des 8. Imam Ali ibn Musa ar-Rida, erbaut im 16. Jahrhundert vom Safawiden-Schah Tahmasp I. 
30. März 2013

Haupteingang der Imamzadeh Hossein in Qazvin - Grabmoschee eines Sohnes des 8. Imam Ali ibn Musa ar-Rida, erbaut im 16. Jahrhundert vom Safawiden-Schah Tahmasp I.
30. März 2013

Imamzadeh Hossein - Vor dem Grabmal mit der Kuppel stehe ich im weißen Tschador, der zur Besichtigung von Frauen obligatorisch getragen werden muss. 30. März 2013

Imamzadeh Hossein - Vor dem Grabmal mit der Kuppel stehe ich im weißen Tschador, der zur Besichtigung von Frauen obligatorisch getragen werden muss. 30. März 2013

Qazvin - Imamzadeh Hossein Grabmal, Tschadorpflicht.

Das Imamzadeh Hossein (auch: Emamzadeh-ye Hossein) ist die Grabmoschee eines Sohnes des 8. Imam Ali ibn Musa ar-Rida, das Mitte des 16. Jahrhunderts vom Safawiden-Schah Tahmasp I. erbaut wurde.

Namensgeber der Grabstätte ist der zweijährig verstorbene Sohn des Imam, Hossein. Dieser verstarb auf der Durchreise mit seinem Vater nach Chorasan in Qazvin im Jahr 821 und wurde am Ort begraben. Später wurden weitere Personen aus der Safawiden-Dynastie daneben begraben. Tahmasp I., der seinen Regierungssitz in Qazvin hatte, errichtete das Grabmal. Seine Tochter "Zainab Beygum" erweiterte es im Jahr 1630, wovon eine Flieseninschrift zeugt.

Schon das Hauptportal mit seinen 6 Zierminaretten ist ein beeindruckender Bau. Die wunderschöne cremefarbene Kachelarbeit mit den Arabesken fasziniert mich. Das erste Mal sah ich das Grabmal in einem TV-Film über den iranischen Piloten Abbas Babaie, der 1950 in Qazvin geboren wurde und aufwuchs. Abbas Babaie ist eine bekannte Persönlichkeit im Iran und wird als Märtyrer verehrt. Der großartige Schauspieler Shahab Hosseini spielt den Luftwaffen-Commander in einem iranischen TV-Film, den ich zur Vorbereitung der Reise mit englischen Untertiteln angesehen habe.

Das Grabmal wird von einer blau-gelb gefliesten Kuppel überspannt. Der Mittelteil des Baus ist mit Spiegelmosaiken verziert. Auf den Mittelteil führt eine von schlanken Säulen getragene Vorhalle zu, die nach Geschlechtern getrennt, zwei Zugänge aufweist; links für Frauen, rechts für Männer.

Ich betrete das Gebäude ohne Schuhe und in einen weißen Tschador gehüllt, der am Eingang verliehen wird. Staunnend sehe ich mir die vielen Spiegelmosaiken an. Die gläubigen Frauen kauern am Boden, manche beten leise und andächtig. Eine junge Frau tritt mit Tränen in den Augen an den grünen Schrein heran. Eine ehrfürchtige Ahnung der tiefen Religiosität und Frömmigkeit der Iraner wallt in mir auf. Ich komme mir völlig fehl an diesem heiligen Ort vor. Ich fühle mich wie ein Fremdkörper unter den verschleierten frommen Frauen, als Christin und Ausländerin.

Im Schrein häufen sich unzählige Geldscheine als Opfergabe. Geradezu erleichtert verlasse ich den Schrein und trete in den großen Innenhof hinaus. M. Gharib wartet schon auf mich und fotografiert mich mit dem Tschador, der äußerst unpraktisch zu tragen ist, da man dauernd beide Hände braucht, um ihn festzuhalten. Wenn man den Tschador mit Knöpfen irgendwie fixieren könnte, oder mit Ärmeln zum Reinschlüpfen nähen könnte. Das wäre auch für Frauen mit Kindern wesentlich einfacher, wenn sie ihre Hände frei hätten. Manche Frauen halten ihn sogar mit den Zähnen fest. Ein leichter kleidsamer Stoff, aber furchtbar umständlich zu tragen. Übung macht die Meisterin.

Es gibt nicht nur schwarze Tschadore, sondern auch geblümte und sogar weisse, die Gebetstschadore. Aber der schwarze wird am häufigsten getragen. Ich sinniere darüber, dass es in dem heissen Klima Irans für Frauen wohl am erträglichsten wäre, den Tschador in Pastell- oder beigefarbenen Tönen zu tragen. Helle Farben wirken freundlicher. Die schwarze Tuchfarbe wirkt auf mich düster, bedrohlich, rabenunheimlich. Erst nach ein paar Tagen gewöhne ich mich an den Anblick der schwarzen "Zelte". Wie ich später höre, sind sie recht teuer, manche von ihnen haben aufgedruckte florale Muster, der Stoff ist hauchdünn, transparent. Auf den persischen Wandmalereien des 17. Jahrhunderts trägt keine der Frauen den schwarzen Umhang. Der Tschador ist eine der Besonderheiten Irans. Er zeigt die Glaubensstrenge und konservative islamische Traditionalität der Iranerinnen. Nun, die europäische Nonnentracht ist auch schwarz, bei den katholischen wie bei den orthodoxen Nonnen, aufgelockert durch eine weiße Haube. In Südeuropa wird das Habitat wegen der Sommerhitze oft sogar in Weiß getragen, welche Wohltat für die Nonnen. Manchmal habe ich den Eindruck, der Iran ist das Land der muslimischen Nonnen. Aber das ist großer Nonsens.

Nach einem Mittagessen mit traditionellem "Dizi", einer Art Lammeintopf im Tontopf, geht die Fahrt weiter in den Norden (Schomal) des Landes, durch das mächtige Alborz-Gebirge in grünere Gefilde, vorbei am Sefid-Rud Staudamm, der von modernen weißen Windrädern gesäumt wird.

Innenansicht des Mausoleums, aufgenommen von Herrn M. Gharib in der Männersektion. 30. März 2013.

Innenansicht des Mausoleums, aufgenommen von Herrn M. Gharib in der Männersektion. 30. März 2013.

Imamzadeh Hossein - Kristall-Lüster in der Seitenhalle des Mausoleums. 30. März 2013

Imamzadeh Hossein - Kristall-Lüster in der Seitenhalle des Mausoleums. 30. März 2013

Der Sefid Rud oder Schahbanu Farah Staudamm bei Rudbar, Regen zieht auf. Um den Staumdamm herum drehen sich unzählige moderne Windräder für die Stromerzeugung.
30. März 2013

Der Sefid Rud oder Schahbanu Farah Staudamm bei Rudbar, Regen zieht auf. Um den Staumdamm herum drehen sich unzählige moderne Windräder für die Stromerzeugung.
30. März 2013

Masuleh, ein terrassenförmig angelegtes Dorf 32 km westlich von Fuman, Anwärter auf den Titel UNESCO-Weltkulturerbe. Hier sieht man die Shops mit hiesigen Handarbeiten und Souvenirs. Das Dorf ist eine Touristenattraktion und liegt in der Provinz Gilan.

Masuleh, ein terrassenförmig angelegtes Dorf 32 km westlich von Fuman, Anwärter auf den Titel UNESCO-Weltkulturerbe. Hier sieht man die Shops mit hiesigen Handarbeiten und Souvenirs. Das Dorf ist eine Touristenattraktion und liegt in der Provinz Gilan.

Masuleh bei Einbruch der Dämmerung, eingehüllt in Nebel. 30. März 2013

Masuleh bei Einbruch der Dämmerung, eingehüllt in Nebel. 30. März 2013

Masuleh, Blick auf den Fluss. Masuleh liegt 1050 m über dem Meeresspiegel in den Nebelwäldern Gilans. 30. März 2013.

Masuleh, Blick auf den Fluss. Masuleh liegt 1050 m über dem Meeresspiegel in den Nebelwäldern Gilans. 30. März 2013.

Masuleh, mit Blick auf die terrassenförmig übereinandergebauten 2-stöckigen Lehmziegelhäuser.
30. März 2013.

Masuleh, mit Blick auf die terrassenförmig übereinandergebauten 2-stöckigen Lehmziegelhäuser.
30. März 2013.

Masuleh, Provinz Gilan am Kaspischen Meer

Am Nachmittag fahren wir auf dem Highway über Rudbar und Fuman in das schöne Dorf Masuleh in der Provinz Gilan. Die Strecke wird zurzeit ausgebaut, an vielen Stellen sieht man Brückenpfeiler und Tunnelabschnitte im Bau, viele schweres Gerät für den Straßenbau. Je weiter wir nach Norden fahren, umso grüner wird das Land. Zuerst nur vereinzelte Wacholdersträucher, dann zeigen sich mehr und mehr Buchen, zartgrün und in Nebel gehüllt. Obstbäume blühen. Hinter Rudbar trinken wir in einem Teehaus an der Strasse Tee. Wir sitzen auf dem Teppich mit ausgestreckten Beinen, vor uns laufen ein paar Hennen pickend herum. Die Luft hat abgekühlt, es nieselt, der heiße Tee wärmt uns. Nach der Rast geht es auf den stark befahrenen Straßen (es ist Norouz, das iranische Neujahr, das ganze Land ist unterwegs!) weiter über Rascht und Fuman zum Dorf Masuleh. Ich sehe die ersten Reisfelder, trübe matschige Wasserflächen, die grellbunten Dächer der Siedlungen (Dächer in sonnenblumengelb, kreischpink und himmelblau). Der Einfallsreichtum, die Dächer mit gelben oder pinkfarbenen Ziegeln zu decken, beeindruckt mich. Ich erinnere mich an die farbenfrohe Tracht der Provinz Gilan, die langen gestreiften Röcke der Frauen, ihre Fransentücher und den daran klimpernden Silbermünzen. Die Gegend ist berühmt für einen ihrer Freiheitskämpfer, Mirza Kutschak Khan, der 1880 in Rascht geboren wurde und Anführer der Dschangali-Bewegung (Waldbewegung) war, die im Jahr 1920 eine unabhängige Iranische Sowjetrepublik ausrief. Die Bewegung wurde 1921 zerschlagen und Mirza Kutschak Khan enthauptet. Heutzutage erinnern Straßenschilder mit seinem Konterfei an den Freiheitskämpfer.

Wir fahren eine steile, sich stark windende Straße hinauf nach Masuleh, vorbei an vielen Gartenrestaurants mit bunten einladenden Lichterketten. Unter großen Schwierigkeiten finden wir einen Parkplatz in dem völlig überfüllten und überrannten Masuleh, ich bin schlichtweg erschlagen von dem Massenrummel in diesem kleinen Ort. Über steile Treppen und enge Gassen steigen wir hinauf ins Dorf, Sturzbäche schlammigen Regenwassers schießen die Gassen und Treppen hinunter. Nieselregen und kaltfeuchter Nebel hüllen die ockergelben Häuser ein. Im März wirkt der Ort eher trostlos, ich vermisse die Blumentöpfe mit den schönen roten Geranien, die im Sommer die Fenster und Balkone Masulehs zieren. Ein Souvenirladen nach dem anderen drängt sich die Hügel hinauf. Es werden wunderschöne Handarbeiten verkauft, Gebäck, Textilien, Spielsachen, es gibt auch viele Teehäuser und Grillrestaurants. Das Gebäck schmeckt hervorragend, der schwarze Tee wärmt mich und Mehdi wieder auf. Wie gut, dass ich meinen Poncho mitgenommen habe, er wärmt gut, immer wieder spüre ich neugierige Blicke auf mir ruhen. Weil es so kalt ist, haben sich viele Frauen und Kinder in bunte Wolldecken gehüllt und laufen damit durch die engen Gassen. Mehdi findet das ziemlich belustigend, über dem Tschador tragen die Frauen nun karierte und gestreifte Fleece-Decken. 8°Celsius sind auch ziemlich kalt, viele Frauen laufen nur in Pumps und Sandalen herum, frieren. Schnell sind Schuhe und Kleidung eingedreckt, mit Schlamm bespritzt. Bei Regen ist Masuleh eher ungemütlich, und nach 2 Stunden Aufenthalt fahren wir zum Abendessen nach Fuman in die Ebene herunter.

Das Abendessen, Khoresht (Fleischragout) mit Dillreis, schmeckt vorzüglich. Allerdings lässt die Toilette stark zu wünschen übrig, sie ist nass, schmutzig, und vom Dach tropft es auf Kopf und Rücken, und sie ist sehr eng. Die öffentlichen WC's kosten mich jeden Tag einige Überwindung, aber mit der Zeit gewöhne ich mich daran. Wir fahren noch über 1 1/2 Stunden bis nach Bandar Anzali, zu unserem Nachtquartier am Kaspischen Meer, und finden das Hotel Khadousan erst nach mehrmaligem Telefonieren und Fragen. In großer Erschöpfung endet der 2. Tag meiner Rundreise.

© Ulrike Bohra, 2013
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Reiseroute: Teheran - Qazvin - Masuleh - Bandar Anzali - Talesch - Ardabil - Sareyn - Tabriz - Marand - Jolfa - Maku - Khoy - Orumiyeh - Kandovan - Takab - Zanjan - Soltaniyeh - Hamadan - Malayer - Arak - Isfahan - Teheran
Details:
Aufbruch: 28.03.2013
Dauer: 15 Tage
Heimkehr: 11.04.2013
Reiseziele: Iran
Der Autor
 
Ulrike Bohra berichtet seit 11 Jahren auf umdiewelt.
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