Iran Nordwest-Rundreise im März und April 2013
Kandovan - Miandoab - Takab - Zanjan
Mehdi im Teehaus mit vorbeiziehender Schafherde. Kandovan ist ein Felsendorf und liegt in der Provinz Ost-Aserbaidschan 55 km südlich von Tabriz.
Vater mit Tochter vor den typischen hinkelsteinartigen Felsenhäusern Kandovans. Die Höhlenwohnungen sind in grauen Tuffstein gegraben, die einzelnen Tuffkegel sind mit Treppen verbunden.
Kandovan aufgenommen vom gegenüberliegenden Berg. Die charakteristischen Tuffkegel sind hier besonders gut zu sehen.
Kandovan, ein Dorf aus Tuffsteinhöhlenwohnungen - 4. April 2013
Der Morgen weckt mich mit Vogelgezwitscher. Ich blicke durch das in Tuffstein gehauene Fenster in das tiefe Flusstal von Kandovan. Die umliegenden bräunlichen Bergrücken des Sahandgebirges sind noch mit Schnee bedeckt. Der Himmel wölbt sich blassblau und wolkenlos über den Bergen. Heute wird wieder ein schöner Tag. Mit schmerzendem Schienbein steige ich die felsigen Stufen außen an der Hotelanlage hinunter. Das Laleh Rocky Hotel ist in seiner Bauart einmalig, in weichen Tuffstein wurden die Hotelzimmer und das Hotelrestaurant gegraben. Der Blick in das von kahlen Pappeln gesäumte Tal stimmt mich friedlich, flache Ziegelhäuser breiten sich an den steilen Hängen Kandovans aus.
Auf dem abschüssigen Weg zum Restaurant begegne ich einer älteren zierlichen Frau, die mich freundlich grüßt. Ich wechsle mit ihr ein paar Worte in gebrochenem Farsi. Sie ist sehr erfreut, mich kennen zu lernen. Sie erzählt mir, dass sie mit Ihren Enkelkindern in Kandovan weilt. Ich bedanke mich dafür, dass sie mir den Weg gewiesen hat, und frühstücke ausgiebig in einem sehr gepflegten Restaurant, das gut besucht ist. Nach dem Frühstück steige ich zur Rezeption unten beim Parkplatz hinunter. Die Rezeption ist provisorisch in einem Containerbau untergebracht, und darin ist es sehr beengt. Ich unterhalte mich eine geraume Weile mit der Rezeptionistin auf Englisch und Farsi. Sie ist bester Stimmung und lacht viel. Wie alle Rezeptionistinnen trägt sie ein dunkles "Rusari", das auf mich in seiner Strenge wie ein Nonnenhabitat wirkt. Endlich kommt Mehdi an die Rezeption, und ich freue mich sehr, ihn wie immer gut gelaunt zu sehen.
Nach dem Checkout fahren wir zum Parkplatz im Dorfzentrum und sehen uns ein paar Souvenirshops an. Danach steigen wir die uneben gepflasterten Stufen in das Felsendorf hinauf. Was Kandovan neben Göreme in Kappadokien so einmalig macht, sind die hinkelsteinförmigen Tuffsteinkegel, in die die Bewohner ihre Felsenwohnungen gegraben haben. Steile Treppen aus ockergelbem Gestein verbinden die einzelnen Tuffkegel miteinander. Kandovan wird schon seit vorislamischer Zeit bewohnt und diente immer wieder als Zufluchtstätte, wenn wirre Zeiten herrschten. Wir fotografieren einen jungen Vater mit seiner Tochter und einen in der warmen Sonne dösenden Hund. Wieder unten im Tal angelangt, überqueren wir eine Brücke und begeben uns in ein Teehaus. Im flachen Fluss werden die typisch blauen iranischen Nissan Pickups gewaschen. Ein struppiges hellbraunes Pferdchen steht für touristische Ritte durch Kandovan bereit. Wir sitzen auf einem erhöhten, mit einem Teppich ausgelegten Holzgestell und genießen unseren Tee. Am Teehaus wird eine Schafherde vorbei getrieben. Üblicherweise läuft neben dem Schäfer noch ein gesattelter Esel mit.
Nach unserer Teepause klettern wir auf der anderen Seite einen steilen erdigen Hügel hinauf, ich halte mich an Grasbüscheln fest, um nicht abzurutschen. Vor einer mit Stacheldraht eingezäunten Weide mache ich großartige Panoramafotos von Kandovan. Von hier aus kann man das von Pappeln eingerahmte, langgestreckte Dorf mit seinen charakteristischen Tuffkegeln als ganzes Ensemble sehen. Auf meinem Hosenboden rutsche ich den Hügel wieder herunter, mein langes pakistanisches Kleid wird mit Staub und bröseliger Erde beschmutzt. Kurz ausgeklopft, und schon sieht es nicht mehr so schlimm aus. Mehdi wählt gerne unkonventionelle Wege, wenn ich das hier mal diplomatisch sage.
Wir gehen zurück zum Auto und setzen unsere heutige Etappe über die Ortschaften Osku, Bonab, Miandoab, wo wir zu Mittag essen, und Sahin Dez nach Takab fort.
Idyllisches Flusstal unmittelbar in der Nähe von Takab gelegen, gesäumt von Weiden, Pappeln und einem mächtigen Felsmassiv.
Rast bei Takab in einem idyllischen Flußtal - 4. April 2013
Die Landschaft wird wieder grüner und leichte Regenschauer ziehen über das Hochland. Wir fahren durch ein paar kurdische Dörfer, in denen Holz- und Landwirtschaft betrieben wird. Die kurdischen Männer tragen die charakteristischen schwarzen Pluderhosen, die Frauen bunte geblümte Gewänder. Sie knoten das schwarze Kopftuch bisweilen im Nacken. Die Dörfer wirken ärmlich, flache, mit Lehm verputzte Ziegelhäuser reihen sich aneinander, braun wie die sie umgebenden Berge und Hügel. An die Hauswände sind persische Schriftzüge hingeschmiert, die Pfosten der Straßenlaternen sind ebenfalls bekritzelt. Ich habe das Gefühl, dass das Leben für die Frauen und Kinder dort sehr eintönig, trostlos und entbehrungsreich ist. Der iranische Staat hat keinerlei Interesse, in diese entlegenen Regionen zu investieren. Das Einkommen der Bevölkerung wird auf einem Niveau gehalten, dass sie sich gerade noch selbst ernähren kann. Allerdings ist im Iran die kurdische Sprache nicht verboten und das kulturelle Leben wird nicht behindert. In manchen Gegenden blüht der Drogenschmuggel als einziger Lebensunterhalt.
Am Nachmittag sehen wir an einer Straßenbiegung ein wunderschönes Flusstal mit Parkplatz. Sofort beschließen wir anzuhalten und am Flussufer spontan ein kleines Picknick zu machen. Im Nu sitzen wir auf einem Weidenstamm direkt am plätschernden Wasser und essen Obst und Nüsse. Ich finde den Ort so wildromantisch schön, dass ich sage, hier müsste man die Zeit anhalten und in Ewigkeit verweilen können. Mehdi stimmt mir zu. Das Wasser schießt grün und weiß schäumend an Treibholz und Felsen vorbei. Rechterhand ragen dicht an dicht die schlanken Stämme der noch kahlen Pappeln auf, dazwischen quillt frisches üppiges Gras hervor. Die Weidenbüsche sind in zartgrünen Flaum gehüllt. Hinter der Flussbiegung erhebt sich eine gewaltige rotbaune Felswand mit zahlreichen Felshöhlen. Die linkerhand liegenden Berghänge glänzen rostrot in der Sonne und sind spärlich mit Steppengräsern und dürren Sträuchern bewachsen. Die großartige Naturkulisse kontrastiert mit einem gelb gestrichenen Brückengeländer aus Stahl. Wir sehen, dass an der Straßenbiegung auch ein kleiner Reisebus anhält und die Menschen den Blick in das reizvolle Tal wie wir genießen.
Nachdem wir uns in jeder Hinsicht gestärkt haben, fahren wir noch die letzten 60 km an Takab vorbei bis zum Höhepunkt unserer heutigen Etappe, der historischen Kultstätte Takhte-e Soleyman.
Takht-e Soleyman (wörtlich "der Thron Salomos") ist eine archäologische Ausgrabungsstätte in der Provinz West-Aserbaidschan bei der Ortschaft Takab. Ursprünglich wurde der Festungsbau Shiz oder Adur Gushnasp genannt, wörtlich "das Feuer der Kriegerkönige." Die Zitadelle gehört seit Juli 2003 zum UNESCO Weltkulturerbe.
Ruinen mit dem Kratersee in der Mitte des Festungsbaus. Der See hat einen Durchmesser von ca. 100 m und eine Tiefe von 65 m.
Spaßfoto mit mir und Mehdi in den Ruinen des Feuerheiligtums der Sassaniden. Auf dem Gelände befinden sich u.a. die Ruinen antiker zoroastrischer Feuertempel aus dem 5. Jahrhundert nach Christus.
Der Tempelbezirk wurde 629 durch den byzantinischen Kaiser Heraklios erobert, um das von den Sassaniden in Jerusalem erbeutete Heilige Kreuz der Christenheit zurückzuführen. Im 13. Jahrhundert ließ der mongolische Herrscher Abaqa in Teilen der alten Anlage ein Jagdschloss errichten, von dem ebenfalls Reste zu sehen sind.
Blick vom Zendan-e Soleiman (wörtlich "Gefängnis des Salomo") auf die bergige Umgebung. Der Legende nach hielt Salomo hier Monster im Krater des Bergkegels gefangen. Der leere Krater dünstet Schwefel aus.
Takht-e Soleyman und Zendan-e Soleyman bei Takab - 4. April 2013
Gegen Abend kommen wir am Parkplatz vor der mächtigen Wehrmauer der sasanidischen Zitadelle Takht-e Soleyman an.
Die magische Kultstätte liegt in über 2000 m Höhe im kurdischen Bergland und heißt übersetzt Thron des Salomo. Sie erhielt diesen Namen erst nach der arabischen Eroberung Persiens.
Weil ein sehr kalter Wind weht, ziehe ich den Poncho über mein hellblaues Kattunkleid. Mehdi und ich steigen eine lange Rampe zum Eingangstor im südöstlichen Teil der Anlage hinauf. Entlang des Aufgangs plätschert ein Bach in einer Rinne und ergießt sich in Kaskaden über kleine Felsvorsprünge. Hinter dem Eingangstor gehen wir an der Rinne entlang hinauf zum See in der Mitte der Anlage. Dieser See mit seinem tiefblauen Wasser wird von einer unterirdischen Quelle gespeist und hat einen Durchmesser von ca. 100 m und eine durchschnittliche Tiefe von 65 m und zwei Abflüsse. Wir sehen die eindrucksvollen Ruinen der Hauptgebäude an der nördlichen Seite. Die Anlage beherbergt auch einen ehemaligen zoroastrischen Feuertempel, in dem das Reichsfeuer der Kriegerkönige "Adhur Gushnasp" verehrt und von den Priestern unterhalten wurde.
Khosrow II. erbeutete bei der Eroberung Jerusalems das Heilige Kreuz der Christenheit und widmete dieses dem zoroastrischen Heiligtum. Aber der byzantinische Kaiser Heraklios erorberte das Kreuz auf seinem Rachefeldzug im 7. Jahrhundert, brachte es nach Byzanz zurück und ließ Takht-e Soleyman zerstören. Erst im 13. Jahrhundert wurde in Teilen der Anlage ein Jagdschloss von den Il-Khaniden errichtet. Seit 2003 gehört diese Kultstätte zum UNESCO Weltkulturerbe.
Mehdi und ich erkunden die Mauerreste und erhalten gebliebenen Gewölbe der Anlage ausführlich. Die Zitadelle liegt einsam in einer grandiosen kargen Berglandschaft, die noch mit Schneeresten bedeckt ist. Wir besuchen auch ein kleines Museum innerhalb der Anlage, in dem wir beeindruckende Winterphotos von Takht-e Soleyman bewundern. Die Gegend ist im Winter sehr schneereich. Deutsche Archäologen waren an den Ausgrabungen beteiligt. Die Zitadelle war auch schon in achämenidischer und parthischer Zeit besiedelt.
Da es bereits dämmert, beschließen wir, noch schnell den Bergkegel Zendan-e Soleyman (Gefängnis des Salomo) in 3 km Entfernung zu besteigen. Durch eine gashaltige unterirdische Quelle ist hier ein 110 m hoher Kegel mit einem 70 m breiten Krater aus Kalksintergestein aufgeschichtet worden. Der rasche steile Aufstieg in Serpentinen ist für mich sehr anstrengend. Oben lasse ich mich auf den Kraterrand erschöpft und schnaufend niedersinken. Mehdi beugt sich weit über den senkrechten Abgrund und fotografiert den tiefen Grund des Kraters . Es stinkt nach Schwefel. Ein paar junge iranische Besucher kauern auf den Felsen direkt am Rand des Kraters, ich kann gar nicht hinsehen. Sie sind recht laut und bester Stimmung, singen sogar. Als wir absteigen, breitet sich schon Dunkelheit über die Landschaft. Der freundliche kurdische Wächter am Wachhäuschen unten lädt uns in seine beheizte kleine Stube zum Tee ein. Es riecht beißend nach Petroleum, da der Wächter seine Stube mit einer kleinen Ölheizung beheizt. Er erzählt von seinem eintönigen Wächterleben und den von ihm hoch verehrten deutschen Archäologen und auch davon, dass er vor kurzem die Kündigung erhielt, weil von der Regierung keine Gelder mehr zur Verfügung gestellt werden. Dieser Umstand hat ihn verständlicherweise sehr empört. Als ich neugierig frage, ob schon einmal ein Mensch in den Krater gefallen ist, bestätigt er mir, dass dies in seiner langen Wächterzeit nur ein einziges Mal passiert ist. Es schaudert mich.
Völlig erschöpft gehe ich mit Mehdi zum Parkplatz und wir verabschieden uns herzlich von dem kurdischen Wachmann. Nun ist es schon stockdunkel und empfindlich kalt. Wir fahren noch fast 2 Stunden über kurvige bergige Landstraßen bis in die Provinzhauptstadt Zandschan (Zanjan) und erhalten ein spätes Abendessen um 11 Uhr nachts im Park Hotel. Noch schnell führe ich ein Telefongespräch mit meinem aufgeregten Mann, der mich erst nach mehrmaligen Versuchen am Telefon erreichen konnte. Weil er und meine Tochter schwer erkältet sind, mache ich mir Sorgen und habe ein schlechtes Gewissen. Wieder geht ein langer aufregender Reisetag zu Ende.
Aufbruch: | 28.03.2013 |
Dauer: | 15 Tage |
Heimkehr: | 11.04.2013 |