Liège und Tongeren
Kreuz und quer durch Lüttich
Wie gesagt, es war dieser Bahnhof, den ich dreimal vom ICE aus gesehen hatte und der mich wirklich neugierig auf Lüttich gemacht hatte. Das war wohl auch die Intention der Stadtväter, als sie diesen riesigen, modernen Bahnhof bauen ließen: Die Wirtschaft ankurbeln und Touristen in die Stadt locken. Hat in meinem Fall geklappt!
Die Bevölkerung war eher gegen dieses Projekt - wie auch in Deutschland hat man in Belgien die Nase voll von riesigen Projekten à la Stuttgart 21 oder Flughafen BER, die ewig nicht fertig werden und am Ende doppelt so viel kosten... Auch der Bahnhof Liège-Guillemins wurde drei Jahre später fertig als geplant (2009 statt 2006) und kostete viel mehr als geplant. Aber das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen!
Ich war vollkommen fasziniert von diesem Gebäude und machte sehr viele Fotos aus allen möglichen Blickwinkeln. Die Sonne strahlte und so zeigte sich das Design des spanischen Stararchitekten Santiago Calatrava von seiner besten Seite!
Inzwischen war es Mittag und ich bekam wirklich Hunger, weshalb ich mich direkt auf den Weg in die Innenstadt machte. Mein Plan war, durch den Parc D'Avroy zu gehen und den Weg mit einem Spaziergang im Grünen zu verbinden, aber der Park war von der riesigen Herbstkirmes besetzt, so dass ich mich mehrmals zwischen den Buden verlief und auf einem ganz krummen Weg in der Innenstadt ankam. Dann fand ich aber schnell das Restaurant Maharajare, dass ich vorher schon ausgesucht hatte, weil ich große Lust hatte, indisch zu essen.
Nun schlenderte ich erstmal ganz gemütlich durch die Innenstadt Lüttichs und ging erstmal wieder zum Place Saint Paul, direkt an der Lütticher Kathedrale gelegen, und kam dann zum Place Cathédrale. Das Wetter war wunderbar und so konnte ich das Savoir Vivre der Belgier erleben... Alle Straßencafés waren rappelvoll, und überall saßen Einheimische auf Bänken und genossen den Sonnenschein. Die Stimmung war super!
Ich schlenderte langsam durch die Neustadt und ließ mich einfach treiben, bis ich im Norden am Place Saint Lambert ankam, wo Altstadt und Neustadt aufeinander treffen. Die Lütticher Innenstadt ist eine Abfolge von schönen Plätzen, die durch Gassen verbunden sind, und so ist es leicht, sich einfach treiben zu lassen.
Der Place Saint Lambert ist der größte Platz in Lüttich und sehr belebt, da hier auch alle Busse abfahren. Ursprünglich stand hier einmal eine große, alte Kathedrale, die jedoch von Napoleon vollkommen zerstört wurde. Heute stehen hier große Metallsäulen, die die Architektur der zerstörten Kathedrale ins Bewusstsein rufen.
Nördlich wird der große Platz vom Palais des Princes-Evêques begrenzt, einem großen Palast der Fürstbischöfe, die bis zu Napoleons Machtübernahme über das bis dahin unabhängige Fürstentum Lüttich herrschten. Die heutige Fassade stammt jedoch aus dem 19. Jahrhundert und der gesamte Platz besticht eher durch seine Atmosphäre, nicht durch Schönheit.
Am Rand des Platzes befindet sich auch die Touri-Info und hier kaufte ich mir den City-Pass, mit dem man Zutritt zu allen Museen der Stadt hat. Er kostet 16€ und gilt 48 Stunden lang - sobald man drei Museen besucht, hat man auf jeden Fall etwas gespart, und da ich sogar noch mehr besucht habe, hat es sich für mich auf alle Fälle gelohnt.
Auf der linken Seite befindet sich eine schönere Fassade, also sollte man unbedingt mal um die Ecke gucken!
Vom Place Saint Lambert aus gelangt man zum Place du Marché, dem alten Marktplatz, der viel hübscher ist. Hier befinden sich einige gemütliche Cafés und auch das Rathaus der Stadt sowie der Perron, eine alte Steinsäule, die zur Zeit der Fürstbischöfe die Freiheit und Stärke der Stadt symbolisierte.
Geht man vom Place du Marché aus weiter, so gelangt man in die so genannte Altstadt. Hier findet man einige interessante Architektur, insgesamt ist die Altstadt allerdings keineswegs schöner als die Neustadt, sondern eher etwas heruntergekommen. Allerdings befinden sich hier einige Museen. Ich schlenderte erst einmal die beiden Straßen der Altstadt, die Hors Chateau und die Feronstree, auf und ab, und stellte dabei fest, dass zwei der drei Museen, die ich mir nun hatte anschauen wollen, heute geschlossen waren.
Die Kirche Notre-Dame de l'Immaculée Conception, die in der roten Farbe gehalten ist, die ich hier an vielen Gebäuden entdeckte.
Am Ende der beiden Straße befindet sich die Kirche Saint Barthélémy, die erst vor kurzem restauriert wurde und deren helle Farben herrlich in der Sonne strahlten! Die Kirche war ursprünglich romanisch und stammt aus dem 12. Jahrhundert, das Innere wurde jedoch im 18. Jahrhundert vollkommen renoviert. Besonders berühmt ist die Kirche für das Taufbecken, das hier ausgestellt wird und zu den "sieben künstlerischen Wundern Belgiens" gehört. Dieses Taufbecken wurde im Jahr 1115 von Reiner von Huy geschaffen und gilt es Höhepunkt der Messinggießerei an der Maas. Da die Kirche, in der das Becken ursprünglich stand, genauso wie die alte Kathedrale von Napoleons Truppen zerstört wurde, brachte man es in diese Kirche. Rund um das Becken sieht man fünf verschiedene Taufszenen, das Becken selbst wird von Ochsenfiguren getragen, die sich eindrücklich unter dem Gewicht zu beugen scheinen.
Die Kirche zu besichtigen kostet einen kleinen Eintritt, aber da sie im City Pass enthalten ist, musste ich nichts bezahlen.
Das barocke Innere überraschte mich beim Eintreten, aber da ich weiße Barockarchitektur mit Stuckarbeiten sehr mag, gefiel es mir trotzdem.
Das Taufbecken - in der Mitte eine der fünf dargestellten Taufszenen, die Taufe Christi durch Johannes den Täufer
Ich ging zurück über die Hors Chateau und besuchte nun das Musée de la Vie wallonne, das Museum des wallonischen Lebens. Das Museum befindet sich in einem sehr schönen Gebäude, nämlich einer alten Franziskanerabtei, sonst fand ich es aber nicht besonders interessant. Das lag zum Teil sicher auch daran, dass ich über die Wallonie nicht viele Vorkenntnisse habe und es im Museum kaum Erklärungen zu den Ausstellungsstücken gab, und wo Informationen vorhanden waren, waren diese nur auf Französisch, wo ich erstmal wieder reinkommen musste. Interessant fand ich die Abteilung über das Unabhängigkeitsbestreben der Wallonie (und wer weiß tatsächlich, wie der belgische Staat in fünfzig oder hundert Jahren aussieht?), bei den anderen Ausstellungen hatte ich eher den Eindruck, dass das Leben hier nicht anders aussah als in anderen Teilen Europas.
Interessant fand ich einige der historischen Fotos, z.B. eine Sammlung mit Fotos von Hunden, wo gezeigt wurde, wie diese zur Arbeit eingesetzt wurden.
Ein bäuerliches Wohnzimmer aus dem 19. Jahrhundert - so etwas hätte ich mir mehr gewünscht in diesem Museum
Da die anderen beiden Museen, die ich mir hatte anschauen wollen, dienstags geschlossen waren, suchte ich ein wenig auf der Karte und fand das BAL, das Musée des Beaus-arts de Liège. Ich musste ganz schön lange suchen, bis ich es fand, da sich der Eingang ganz bescheiden auf der Rückseite eines außerordentlich hässlichen Bürogebäudes befindet. Das Museum selbst hat mir aber super gefallen. Es gibt dort viele Bilder der alten niederländischen bzw. flämischen Maler, die ich so liebe, und auch viele andere, die ich spannend fand.
Anschließend ging ich zurück zum Place Saint Lambert, was nur ein Katzensprung war, und besuchte hier das Archéoforum, ein Museum, das sich unterirdisch unter dem Platz befindet. Hier kann man verschiedene Ausgrabungen besichtigen, und zwar sowohl die Fundamente und Fundstücke der zerstörten Kathedrale, als auch die Überreste einer römischen Villa. Diese Villa war das erste steinerne Gebäude, das in dieser Gegend errichtet wurde, und somit sozusagen der Beginn der Stadt Lüttich.
Bei dem Rundgang durch das Archéoforum lernte ich viel über die Geschichte der Stadt, die Ausgrabungen selbst waren nicht so interessant.
Inzwischen war es früher Abend und ich war nun echt müde, also machte ich mich auf den Weg zurück ins Hotel. Der Weg sah auf der Karte ganz einfach aus, aber irgendwie verlief ich mich immer wieder, was auch an den zahlreichen Baustellen lag, sowie daran, dass der Weg entlang der Maas immer wieder unterbrochen wurde und es keine Ampeln oder Zebrastreifen direkt am Ufer gab, so dass ich immer wieder Umwege gehen musste.
Dafür kam ich durch Zufall an der Kirche Saint Denis vorbei, die auch im Reiseführer stand, und schaute noch schnell hinein. Das Prunkstück dieser Kirche, ein fünf Meter hoher Altaraufsatz aus dem 16. Jahrhundert, wurde aber leider gerade restauriert, so dass ich ihn nicht besichtigen konnte.
Ein Plakat des Altaraufsatzes, der sich hier normalerweise befindet und sehr kunstvoll geschnitzt ist.
Wieder an der Maas: Am Yachthafen lässt sich diese interessante Skulptur eines ins Wasser springenden Menschen bestaunen
Schließlich landete ich endlich wieder in der Rue de Guillemins, die geradewegs zum Bahnhof und zu meinem Hotel führte. Hier gab es auch einen Aldi, in dem ich mich noch mit Essbarem eindeckte, bevor ich todmüde in mein Zimmer kroch.
Aufbruch: | 22.10.2013 |
Dauer: | 4 Tage |
Heimkehr: | 25.10.2013 |