Provence - Reise ins Licht
In der Haute-Provence, dort wo die Provence schroff und spröde wird und seit Jahrhunderten die Schafe auf die Sommerweide getrieben werden, liegt ein Tourenparadies par Excellence. Künstler wie Cézanne, Picasso, Matisse, Renoir - alle frönten sie der Schönheit der Landschaft und schwärmten vom intensiven und doch weichen Licht der Provence.
Train de Pignes
Train de Pignes
Wir waren schon oft in der Haute-Provence, doch es gibt glücklicherweise immer wieder etwas Neues zu entdecken. Ich hatte etwas von einer kleinen Eisenbahn gehört, welche über eine der reizvollsten Bahnstrecken Frankreichs von Digne-les-Bains, der Präfektur des Département "Alpes de Haute-Provence" nach Nizza fahren soll. Ein Blick in die Welt von Google gab mir Gewissheit - es gibt diesen Zug wirklich. Er nennt sich offiziell "Chemins de fer de Provence"; im Volksmund "Train des Pignes" (Pinienzapfenzug) genannt. Die Langsamkeit des Zuges soll auch der Grund für den außergewöhnlichen Namen sein. Während der Fahrt konnte man früher angeblich gemütlich Pinienzapfen sammeln. Das könnte stimmen, denn für die 150 Eisenbahnkilometer Richtung Mittelmeer benötigt der dieselbetriebene Schienenbus fast dreieinhalb Stunden. Wir beschließen deshalb, heute nur die halbe Strecke zu erkunden.
Die Fahrt beginnt am Bahnhof von Digne-les-Bains, dessen große Bahnhofsuhr schon vor Jahren stehen geblieben ist. Gras wächst kniehoch zwischen verrosteten Gleisen, an denen der Zahn der Zeit nagt. Der Bahnhof hat schon bessere Zeiten gesehen.
Der blau-weiße Triebwagen rattert mit durchdringendem Pfeifen aus dem Bahnhof. Über 60 km/h erreicht der Triebwagen auf der schmalen Spur. Der Motorenlärm ist gewaltig. An jeder Ecke quietscht es. Entlang der "Route Napoleon" schlängelt sich der Schienenstrang vom 600 Meter hoch gelegenen Digne durchs wildromantische Tal. Vor jedem Hilfsübergang und jedem Tunnel wird lautstark Signal gegeben. In einer Mischung aus Geister- und Achterbahnfahrt überwindet der Zug auf uralten Schienen 15 Viadukte, 16 Steinbrücken und 25 Tunnel. Die Strecke gilt daher als Meisterwerk der Ingenieurkunst. Eine technische Meisterleistung ist die Kreiskehre von Le Fugeret. Der Gleiskörper windet sich in einer imposanten Schleife am Berghang entlang und dreht sich dabei um mehr als 180 Grad. Für Eisenbahnfreaks hat die Strecke einiges zu bieten. Auf oder neben den Schienen gibt es noch viel altes "Material" zu sehen. Da bekommt so mancher Nostalgiegefühle.
Wir passieren einsame Bahnhöfe mit freundlichen Bahnhofsvorstehern und kleine Bergdörfer, an denen die Zeit spurlos vorbei gegangen zu sein scheint. An der Strecke winken Leute, die mitgenommen werden wollen. Dann der erste Stopp irgendwo in den Pinienwäldern an einem winzigen Bahnhof, der einem Wartehäuschen ähnelt und auch die Kulisse für einen Historienfilm sein könnte. Eine halbe Stunde später müssen wir in einen Reisebus umsteigen. Vor uns sind Gleisarbeiten. Der Bus brettert über die Landstrasse zum nächsten Bahnhof, als gäbe es kein Morgen. Ich sitze in der ersten Reihe und bekomme Schweißperlen auf der Stirn. Selten sind wir derart durchgeschüttelt worden. In Thorame-Haute wechseln wir glücklicherweise wieder in den Zug und erreichen unbeschadet Entrevaux, auch "die Uneinnehmbare" genannt. Der 700 Seelen Ort mit seinen mittelalterlichen Stadttoren klebt wie ein Schwalbennest am Berg. Zahlreiche Häuser sehen aus, als wären sie schon seit Jahrhunderten nicht renoviert worden. Über allem thront eine imposante Zitadelle auf steilem Fels, welche vom Festungsbaumeister Vauban errichtet wurde. Wir schlendern durch die Jahrhunderte alten Gassen und sind schon fast mit einem Bein im Knast. Der war früher direkt hinter dem Stadttor und kann heute noch besichtigt werden. Entrevaux ist eine Art bewohntes Freilichtmuseum. Um so mehr fällt uns das vergilbte Schild "Musee Moto" an einer Hauswand auf. Neugierig folgen wir den Wegweisern durch die engen Gassen und finden das wahrscheinlich kleinste Zweirad-Museum der Welt. Es sind Motorräder und motorisierte Fahrräder, welche die Brüder Michel und Franck Lucani hier ausstellen. Das Gewölbe, kaum größer als zwei Wohnzimmer, beherbergt über einhundert seltene Schätzchen. Der Eintritt und das Staunen sind kostenlos; eine Spende in die alte Blechtasse am Eingang ist natürlich willkommen.
Zurück in Digne-les-Bains machen wir noch einen kurzen Zwischenstopp im "Maison de Pays" und decken uns mit landestypischen Produkten ein: Wildschweinsalami, Pastete, Ziegenkäse, Lavendelhonig und...und...
Aufbruch: | 21.09.2013 |
Dauer: | 12 Tage |
Heimkehr: | 02.10.2013 |