Alpentour - Ins Land der Murmels
Zehn Tage Zeit habe ich. Zehn Tage, um mit dem Motorroller ein paar der schönsten Alpenecken zu durchstreifen. Am Ende liegen über 3.000 wundervolle KM hinter mir.
Los geht`s in den Pfaffenwinkel
Los geht`s in den Pfaffenwinkel
Die erste Etappe führt mich entlang des Rheins nach Koblenz, wo ich am Fuße der Festung Ehrenbreitstein den breiten Strom überquere. Ich passiere Braubach, überragt von der mächtigen Marksburg und lenke meine Honda Silver Wing 600 in wunderbaren Kurven hinauf auf die Höhen des Taunus. Pension Es herrscht kaum Verkehr, sodass ich zügig vorankomme. Nach einer Zwischenübernachtung in Groß-Gerau startet unsere diesjährige Männertour Richtung Alpen. 1 Silver Wing (Ralf), 1 Integra (Karl-Heinz) - und ach ja nicht zu vergessen unser „Urfranke“ Gerhard mit seiner BMW(!) streben dem Starnberger See im Süden Münchens zu. Die ersten 150 km machen wir „Strecke“. Eine eintönige Fahrt auf noch eintönigeren Autobahnpisten. Dann folgen 280 genüssliche Km über kleine und kleinste Sträßchen. Wir touren entlang der bewaldeten Hänge des Lonetals und durch den Pfaffenwinkel, benannt nach seinen zahlreichen Kirchen und Klöstern. Station machen wir im Pfarrdorf Beuerberg im Loisachtal. Hier auf der Terrasse des Gasthauses „Zur Mühle“, am Ufer der Loisach, lassen wir den Tag langsam ausklingen und genießen würzigen „Steckerlfisch“, eine Spezialität aus dem bayrischen Alpenvorland.
Das Tölzer Land
Am nächsten Tag bekommen wir Besuch von Torsten, der uns als einheimischer Tourguide die Schönheit des Tölzer Landes zeigen will. Mit der Promberger HofSchönheit ist es zunächst nicht weit her - der Himmel weint. Doch dann hat er ein Einsehen und los geht`s entlang weiter Buckelwiesen mit (hoffentlich) glücklichen Kühen. Dazwischen urige Bauernhöfe und kleine Dörfer mit prächtigen Zwiebeltürmen, die dem weißblauen Himmel entgegenstreben. Durch die idyllische Jachenau kurven wir auf der kleinen Mautstraße (2,50 €) am Walchensee entlang nach Einsiedel. Dann nehmen wir die Deutsche Alpenstraße nach Vorderriss (Maut) unter die Räder. Bezahlen müssen wir nichts, da unsere Mautkarte auch hier gilt. Dies wissen offenbar viele nicht, die an der Maustelle anstehen und uns finstere Blicke zuwerfen, als wir an der Schlange vorbeifahren. Das schmale Asphaltband führt uns entlang der graugrünen, gurgelnden Isar. In der Ferne ragen die schroffen, über 2.000m hohen Kalkfelsen des Karwendelgebirges empor. Bayern wie im Bilderbuch.
Entlang dem fjordartigen Sylvensteinspeicher geht es auf der gut ausgebauten B13 in leicht geschwungenen Kurven zügig voran, da spielt die Gashand. Wir passieren Lengries, Bad Tölz und Murnau am Staffelsee. Wir stoppen unsere Maschinen erst in Großweil-Zell. Hier liegt der Promberger Hof, ein Bauernhof mit Pferden, Kühen und Gänsen. Auf der Terrasse des Hofcafes genießen wir bei hausgemachten Kuchen den herrlichen Panoramablick auf das Loisachtal, über dem Raubvögel gemächlich ihre Kreise ziehen. Im Hintergrund liegt der Kochelsee, eingebettet in die herrliche Bergwelt der Alpen. Hier kann man die Seele baumeln lassen. Körperlich und seelisch gestärkt geht es schließlich zurück nach Beuerberg.
Das Stilfser Joch - im Land der Murmels
Am gestrigen Abend ist Wolfram mit seiner 600er Silver Wing zu uns gestoßen und macht unser Männerquartett komplett.
30 km hinter Garmisch-Partenkirchen taucht der Fernpass (1.216), einer der verkehrsreichsten Alpenübergänge, auf. Seine schönen Kurven wären eigentlich eine Fernpasswunderbare Strecke zum Cruisen. Endlos lange Wohnwagen- und LKW-Kolonnen verderben uns jedoch schnell jeden Spass. Kurz vor der Passhöhe bietet sich uns die Möglichkeit, einen Blick auf das mächtige Zugspitzmassiv zu werfen. Die Passhöhe selbst ist mit einer Tankstelle sowie Andenkenläden wenig einladend und Aussicht kaum vorhanden. Im Konvoi geht es wieder talabwärts ins Tiroler Dorf Nassereith und nach Roppen an der Pforte zum Ötztal. Eine kleine Straße führt uns am Hang des äußeren Pitztals, den „Wenner Schmalzkessel“ mit den Orten Arzl, Wald, Wenns und Jerzens, entlang. In Jerzens lohnt sich zur Stärkung eine Rast beim „Lammwirt“. Von der Höhe her eher bescheiden, hat die folgende Piller Höhe (1.558) dafür aber landschaftlich einiges zu bieten. Die kleine Straße schwingt sich den Berg hinauf und bietet entspanntes Kurvenvergnügen. Wenn allerdings plötzlich ein Traktor entgegenkommt, wird es mit Seitenkoffern etwas eng. Tipp: Südlich der Scheitelhöhe bietet der Aussichtspunkt „Gacher Blick“ einen herrlichen Blick über das Oberinntal und die Bergspitzen des Engadin!
Wir folgen der L65/B180 entlang des Inn und biegen zur Norbertshöhe (1.461) ab. Über 8 km geht es in 11 Kehren auf super ausgebauter Straße hinauf. Vom Scheitel aus verläuft die Straße dann praktisch ohne Kurven und fast ohne Gefälle bis nach Nauders. Für Einsteiger ins Pässefahren bestens zu empfehlen!
Der folgende Passo di Resia (1.519) verbindet das Inntal mit dem Etschtal. Die wenig beeindruckende Passhöhe nördlich des Ortes Reschen (Resia) führt uns nach Südtirol. Der Reschenseebekannte See wurde 1950 aufgestaut. Dabei versank der Ort Graun, dessen Kirchturm heute noch sichtbar ist und ein beliebtes Fotomotiv darstellt.
Wir sind nicht auf der Flucht und entscheiden uns daher nicht der Hauptstraße, sondern der schmalen Via Paese Vecchio am Westufer des Sees zu folgen, die immer wieder eine schöne Aussicht über den Reschensee bietet. Bald schon prägen die typischen Obstplantagen des Vinschgauer Oberlands das Bild des Tales. Wir rollen in Glurns ein. Ein malerisches Schmuckstück und (angeblich) zweitkleinste Stadt Europas. Der mittelalterliche Marktplatz ist von Motorradfahrern gut besucht. Wir rollen unter der Holzgalerie des Tauferer Tores hindurch in Richtung des ersten Pässe-Highlights: den Selvio. Dann liegt sie vor uns, die „Königsetappe“, das 2.757 Meter hoch gelegene Stilfserjoch mit seinen einmaligen, super engen 48 Kehren. Die Ostauffahrt startet in Prad recht kurvenarm entlang des Sulden- und Trafoierbachs. Hinter Trafoi fällt unser Blick auf die gigantische asphaltierte Schlange, die sich an einer steilen Felswand empor windet. Dann folgt ein regelrechtes Kehrengewitter durch den Wald. Die Kurvenhatz ist für mich vor der Kehre 33 jedoch erst einmal vorzeitig zu Ende. Die Temperaturanzeige steigt stetig. Ein Lämpchen meldet „Warnstufe rot“! Also sofort rechts ran, Motor abstellen und warten…warten…warten. 30 Minuten später ist die Temperatur soweit gefallen, dass ich Wasser und Öl kontrollieren kann – seltsam, ohne Befund!?! Ich starte also den Motor und nehme die letzten Kilometer entlang der vom Ortlermassiv geprägten Hangtraverse zu unserer Unterkunft Franzenshöhe (Kehre 22) unter die Räder. Die Franzenshöhe liegt idyllisch inmitten des Nationalparks Stilfser Joch unterhalb des Schlussanstiegs mit Blick auf die restlichen Kehren hinauf zur Passhöhe und bietet einen herrlichen Ausblick auf einen der höchsten Gipfel der Ostalpen - den Ortler (3.905).
Aufbruch: | 29.07.2015 |
Dauer: | 12 Tage |
Heimkehr: | 09.08.2015 |
Schweiz