Von den Kims und anderen Katastrophen
Fünf Tage Ferien in einem der geheimnisvollsten und bizarrsten Länder der Erde
Tag 1 - Kim Kim Hurra
Montag
„Wir stellen uns in einer Reihe auf und verneigen uns“. So ungefähr lauten die übersetzten Worte unserer englisch sprechenden Reiseführerin Frau Li. Schneller als gedacht holt mich also die nordkoreanische Wirklichkeit ein.
Vor 90 Minuten erst bin ich unbeschadet der etwas betagt aussehenden Antonov-Propeller Maschine der nordkoreanischen Fluggesellschaft Air Koryo entstiegen.
Auch der angebotene Koryo-Burger führte bisher noch zu keinerlei Bauchgrummeln.
Dann wurde ich nach eingehender aber keinesfalls schikanöser Begutachtung bei der Einreise von zwei Reiseleitern empfangen –der Dritte soll sich heute Abend noch dazu gesellen- und habe gerade am Kiosk von der freundlichen Blumenverkäuferin ein Sträußchen für drei Euro erworben (ich und Blumen schenken, meine Frau wird sich wundern, wenn sie das hier liest).
Nun stehe ich vor den 20 Meter hohen Bronzestatuen der Herrschaften, von denen noch des Öfteren die Rede sein wird, Kim Il-Sung, dem Staatsgründer und seinem Sohnemann, dem zu Lebzeiten recht unscheinbar wirkenden, aber nun mit seinen 20 Metern sehr imposanten Kim Yong-Il.
Gott sei Dank stehe ich hier nicht alleine, sondern mit 8 weiteren Mitstreitern unserer Reisegruppe, die es überwiegend ebenso handhaben wie ich. Die Verbeugung, die ich überraschend geschmeidig hinbekomme, gilt weniger den beiden Herren vor mir, sondern zeugt mehr vom Respekt gegenüber dem Gastland, in dem das Verbeugen ja als Höflichkeitsbekundung durchaus üblich ist.
Respekt, Toleranz, Neugier – damit bin ich auf meinen Reisen immer bestens gefahren. Und so möchte ich es auch in einem Land wie Nordkorea halten. Obwohl mir klar ist, dass ich auf eine harte Probe gestellt werde. Die Gefahr, damit grandios zu scheitern, wird in diesem Land besonders groß sein. Es gibt für alles Grenzen. Auf jeden Fall schlägt Neugier Moral. Mein Geld, das ich für diese Reise zahle, geht zu großen Teilen direkt an staatliche Stellen.
Urlaub in Nordkorea also steht nun an. 5 Tage lang. Wie bitte schön kommt man auf solch eine Idee. Und kann man da überhaupt so ohne Weiteres hin ? Ist das nicht viel zu gefährlich ?
Nordkorea, das am meisten abgeschottete Land der Erde, ein Land voller Geheimnisse, das von diesem Dicken mit der komischen Frisur regiert wird, das dauernd Raketen abschießt, die dann irgendwo, wo es keiner erwartet, ins Wasser plumpsen; in dem die Nachrichten von dieser hässlichen alten, Angst einflößenden Nachrichtensprecherin mit der polternden Stimme verlesen werden, in dem interviewte Menschen auf der Straße stets wie auf Speed wirken und ihrem Führer so sehr huldigen, dass ihnen die Tränen kommen und den Klassenfeind mit sich überschlagender Stimme zur Hölle wünschen.
Manchmal möchte man ihnen über die große Entfernung hinüberrufen: Hallooo Nordkorea – geht’s noch ?
Urlaub in Nordkorea geht tatsächlich. Und sogar sehr einfach. Reisezeit und –dauer wählen, Reiseveranstalter aussuchen, ein paar Formulare ausfüllen, später Geld überweisen, Visum beantragen, und los geht’s. Auch vor Ort ist alles easy. Ein Paradies sozusagen für den bequemen All-Inclusive-XXL-Pauschalurlauber, der sich nur zurücklehnen und sich um nichts kümmern möchte. Im Reisepreis ist alles drin, Flug (ab Peking), Hotel, Rundumverpflegung, Programm von morgens bis abends samt Reiseleitung, Bus und Fahrer. Alles in prima Qualität. Nordkorea bemüht sich mit großem Aufwand, dem ausländischen Besucher seine Schokoladenseite zu zeigen.
Auf eine perfekte Organisation vor Ort kann man sich also verlassen. ZU perfekt, aber dazu kommen wir noch. Wenn man etwas gegen Reisegruppen hat ist die Tour übrigens auch für eine einzelne Person durchführbar. Dann wird’s natürlich etwas teurer, das Programm kann identisch sein, muss es aber nicht. Auch Sonderwünsche können vorgebracht werden, Spezialreisen zu bestimmten Themen unternommen werden, Genehmigung durch staatliche Stellen natürlich vorausgesetzt. Na, Lust bekommen ? …
Zurück zu den beiden überlebensgroßen Herrschaften, die stets regen Besuch bekommen. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen, inklusive Blümchen und Diener machen. Männer, Frauen, Kinder, Soldaten, Einzelpersonen, Pärchen, ganze Gruppen erweisen den Jungs ihre Ehrerbietung.
Das Monument ist auch als „Denkmal zu Ehren des Kampfes des nordkoreanischen Volkes gegen die japanische Besatzung Koreas“ bekannt und eines der herausragenden Monumente um den Personenkult der beiden verstorbenen Führer. Der Landesvater Kim Il-Sung fungiert als „Ewiger Präsident“, ist es damit immer noch und für alle Ewigkeit, und somit ist Nordkorea wohl der einzige Staat der Erde, der von einem Toten regiert wird.
Beide Seiten der Statuen zieren 50 Meter lange steinerne, wehende Fahnen mit Statuen, die den historischen Freiheitskampf des koreanischen Volkes darstellen. Gegen die Japaner.
Japaner sind grundsätzlich böse. US-Amerikaner auch. Wie der große Rest der Klassenfeinde gesehen wird, ist nicht bekannt und wird im Verlaufe der Reise auch nicht erwähnt. Macht sich auch nicht gut, wenn die deutsche Reisegruppe zu hören bekäme, dass auch die Deutschen böse wären. Also zumindest die Wessis.
Wenn es so etwas wie ein Zentrum in Pyongyang gibt ist es der riesige Kim Il-Sung-Platz, den Tagesschau-Guckern bestens bekannt durch die riesigen Aufmärsche und Paraden, die dort regelmäßig abgehalten werden. Der ist unsere nächste Station.
„Mitten drin statt nur dabei“ heißt es nur für ein paar der anderen Besuchergruppen, die über den Platz laufen dürfen während uns am Rande nur eine Beobachterrolle zuteil wird. Ich ahne bereits jetzt, dass unsere Guides von gewissen Freiheiten, von denen in neueren Reiseberichten im Internet die Rede ist, noch nichts gehört haben und unsere Gruppe recht rigide führen werden. Hängt vielleicht auch mit der Gruppengröße zusammen. Oder vielleicht weil zu viele von uns wie potentielle Störenfriede aussehen. Oder weil unsere Verbeugung vorhin bei den Statuen nicht tief genug ausfiel.
Was uns auch sofort auf der Fahrt vom Airport in die Stadt gesagt wurde, charmant vorgetragen von Madame Li, aber unmissverständlich: abends rausgehen ja, aber nicht ohne Reiseleiter. Wir könnten ja kein koreanisch und würden uns in der großen Stadt nur verlaufen und das Hotel nicht wiederfinden …
Danach weht ein Hauch von Improvisation durch unser Reiseprogramm. Es ist noch Zeit bis zum Einchecken in unser Hotel, und so wird kurzerhand der für später geplante Metrobesuch vorgezogen. Das geht aber nicht ohne wildes Telefonieren unserer Guides, um auch die Programmänderung in der Kürze der Zeit bestens vorzubereiten.
Das U-Bahn System Pyongyangs ist „sagenumwoben“. Es umfasst zwei Linien, verläuft komplett unter der Erde, und zwar überwiegend ganz tief, ca. 100 Meter. Warum wohl ? Man vermutet, dass die Tunnel im Ernstfall auch als Schutzbunker dienen sollen und das Tunnelsystem weit über die U-Bahn Nutzung hinausgeht. Ganze Militäranlagen sollen sich dort befinden, ja, im Prinzip soll die ganze Stadt untertunnelt sein. „Genaues weiß man nicht“. Das Motto gilt aber eigentlich für alles was mit Nordkorea zu tun hat.
Widerlegen kann ich aber diejenigen, die behaupten, es gäbe in Wirklichkeit überhaupt nur die zwei Metrostationen, die den Touris vorgeführt werden. Alle weiteren wären frei erfunden. Zwar sehen auch wir nur diese zwei, aber die Züge kommen von irgendwo her und fahren irgendwo hin. Und sind voller Menschen, die aus- und einsteigen. Auch im Straßenbild oben über der Erde fallen die Metroeingänge auf und sind stets gut besucht.
Die beiden von uns besuchten Stationen, in Puhung steigen wir ein, in Yonggwang aus, sehen pompös aus und machen ordentlich was her. Sie sind mit den luxuriösen Moskauer U-Bahn-Stationen vergleichbar (Achtung: Hörensagen, ich war noch nie in Moskau), riesig, breit, hoch, hell, freundlich, von den Decken hängen Lüster, riesige Gemälde und Mosaike begeistert arbeitender Menschen bei schönstem Sonnenschein und blühender Landschaften an den Wänden. Und –natürlich- Papa und Sohnemann Kim dürfen auch nicht fehlen. Wobei, aus heutiger Sicht handelt es sich ja genaugenommen um Opa und Papa. Aber den „Ewigen Präsidenten“ als Opa zu bezeichnen … ich weiß nicht ob das den Nordkoreanern wirklich gefallen würde.
Es ist gerade Rush-Hour und die ankommenden Waggons spucken Menschenmassen aus, viel weniger steigen ein, ein Zeichen, dass es an dieser Stelle wohl oberirdisch besser weitergeht und wir uns irgendwo im Stadtzentrum befinden (Richtig geraten, in der Nähe befindet sich der Bahnhof, stelle ich später fest).
Früher wurde wohl für die Touristen ein eigener Waggon –die meisten entstammen der Westberliner U-Bahn und wurden in Nordkorea nur umlackiert und mit Kim-Bildern behängt- reserviert; heute dagegen dürfen sie sich unter das gemeine Volk mischen. Unser Wagen ist nur spärlich besetzt, die Leute gucken genauso mürrisch oder gelangweilt wie bei uns zuhause in der Bahn.
Kontakte, und wenn es nur ein Hallo und ein freundliches Lächeln ist, sind nicht erwünscht. Wer von den Einheimischen ein paar Worte mit den Fremden wechselt muss damit rechnen, Besuch vom Geheimdienst zu bekommen. Insofern ist die durchgängig zu beobachtende Reserviertheit der Bevölkerung gegenüber Besuchern gut verständlich. Manch neugierige Blicke sowie Lachen und Winken von Kindern sind trotzdem zu beobachten. Neugier schlägt Propaganda. Wie böse sind eigentlich Touristen ?
Nach der Fahrt fragt unsere Guidin, welche Station uns besser gefallen habe. Falsche Frage, Madame Li, beide sind schön, das weißt Du doch, aber ich hätte gerne auch mal eine der anderen gesehen.
Videoclips zur Metro in Pyongyang:
Ich finde es schade, dass der Programmpunkt Metrofahrt schon so zeitig abgehakt wird, denn tatsächlich gibt es hier die beste Gelegenheit der gesamten Reise, sich zumindest mal ein wenig unters Volk zu mischen. Ansonsten werden wir intensiv behütet, ein Reiseführer am Anfang der Gruppe, einer am Ende, einer mittendrin. Es soll ja niemand von uns verloren gehen.
Videoclip zur Strassenszene:
Ich residiere in einem der beiden großen, sehr imposanten Touristenhotels, dem Koryo Hotel. Vor neun Monaten wurde es von einem Feuer in einem der oberen Stockwerke heimgesucht. Seitdem ist der Übergang zwischen den beiden Zwillingstürmen -und wohl auch noch einiges andere- nicht mehr benutzbar. Mit der Reparatur und Renovierung ist das hier so eine Sache.
Meine Zimmereinrichtung ist etwas antiquiert, das Bad besteht aus einem Kunststoffmodul, ansonsten lässt sich nichts gegen diese Unterkunft sagen. Ich habe schon schlechter gewohnt.
Große, imposante, mit Marmor versehene Eingangshalle, Restaurants und verschiedene Bars, Supermarkt und Souvenirshop und, mein Lieblingsort, das Drehrestaurant ganz oben im 44. Stock mit Blick auf das gar nicht so dunkle wie erwartet abendliche Pyongyang, ideal für den mitternächtlichen Absacker.
Aufbruch: | April 2016 |
Dauer: | unbekannt |
Heimkehr: | April 2016 |